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Berlin. Es war der wehrpolitische Hammer der vergangenen Woche. Am Mittwoch (29. April) wurde bekannt, dass der Geschäftsführende SPD-Fraktionsvorstand die 51 Jahre alte Innenpolitikerin Eva Högl zur neuen Wehrbeauftragten machen will. In einem Schreiben von Fraktionschef Rolf Mützenich an die sozialdemokratische Bundestagsfraktion, in dem die einstimmige Entscheidung für Högl mitgeteilt wird, heißt es unter anderem: „Mit ihrer langjährigen parlamentarischen Erfahrung und ihrer breiten Expertise bringt Eva alle Voraussetzungen mit, die es braucht, um dieses Amt erfolgreich und wirkungsvoll auszuüben.“ Mützenich ist sich sicher: „Eva wird eine hervorragende Anwältin der Soldatinnen und Soldaten der Bundeswehr sein und uns Abgeordnete eine kluge und versierte Ratgeberin.“

Diese Stellenbeschreibung und Erwartungshaltung hat seit seinem Amtsantritt am 21. Mai 2015 der jetzige Wehrbeauftragte Hans-Peter Bartels mehr als ausgefüllt und erfüllt. Dies wird ihm nicht nur aus den eigenen Reihen bescheinigt, sondern auch ausdrücklich vom Koalitionspartner CDU/CSU und von Oppositionspolitikern. In den vergangenen fünf Jahren habe Bartels vor allem das Amt des Wehrbeauftragten des Deutschen Bundestages politisch geschärft und aufgewertet. Der SPIEGEL lobte: „Seine Jahresberichte an den Bundestag, in denen er die Missstände in der Bundeswehr kritisierte, gelten in Berlin als der zuverlässigste Gradmesser der oft bedauernswerten Zustände in der Truppe.“

Der Autor dieses Beitrages, der seit Beginn seiner journalistischen Tätigkeit im Bereich der Sicherheits- und Verteidigungspolitik im Jahr 1984 bis heute mit insgesamt acht Amtsinhaber zu tun hatte (darunter mit Claire Marienfeld-Czesla der bisher einzigen Frau), kann die positiven Urteile der Politik nur bestätigen. Hans-Peter Bartels war ein Anwalt der Soldaten und Soldatinnen, der diesen Titel ohne Wenn und Aber verdiente.

Bartels betrachtete mögliche zweite Amtszeit „als Ehre“

Bartels selber hatte bereits im Januar in einem Interview mit der WELT AM SONNTAG hinterlegt, für eine weitere fünfjährige Amtszeit zur Verfügung stehen zu wollen. Die Wiederwahl eines Amtsinhabers ist möglich, liegt aber lange zurück. Dies gelang bisher lediglich Karl Wilhelm Berkhan. Berkhan, ebenfalls Sozialdemokrat, fungierte insgesamt zehn Jahre als Wehrbeauftragter – vom 19. März 1975 bis zum 19. März 1985. Zum zweiten Mal gewählt worden war er am 17. Januar 1980. Im WELT-Interview hatte Bartels zu einer möglichen zweiten Amtszeit gesagt: „Es wäre eine Ehre.“ Auch in den vergangenen Wochen ließ er deutlich durchblicken, sich weitere fünf Jahre um die Sorgen und Nöte der Truppe kümmern zu wollen.

Seine Bereitschaft für eine erneute Kandidatur hatte Anfang des Jahres im Parlament unterschiedliche Reaktionen ausgelöst. Das bundeswehr-journal hatte sich damals bei den verschiedenen Bundestagsfraktionen umgehört (siehe unseren Beitrag vom 5. Januar 2020).

Neben Bartels hat auch der Hamburger SPD-Bundestagsabgeordnete Johannes Kahrs sein Interesse an dem Amt bekundet. Der Oberst der Reserve ist seit 1998 Mitglied des Parlaments, Obmann der SPD im Haushaltsausschuss und Mitglied des Vertrauensgremiums. Seit 2004 ist Kahrs zudem Sprecher des konservativen „Seeheimer Kreises“, der – neben der Parlamentarischen Linken und den Reformern („Netzwerk Berlin“) – dritten Strömung innerhalb der SPD-Bundestagsfraktion.

Unwürdiges Vorgehen der SPD-Fraktionsspitze

Noch-Amtsinhaber Bartels versuchte seine Fassungslosigkeit über die denkwürdige Entscheidung und das stillose Vorgehen der SPD-Fraktionsspitze in Worte zu fassen (im Mützenich-Schreiben an die Mitglieder der SPD-Bundestagsfraktion werden weder die Leistungen und Verdienste von Bartels erwähnt noch wird ihm in irgendeiner Form gedankt).

In einem Brief an die Genossinnen und Genossen im Bundestag, der der Nachrichtenagentur AFP vorliegt, kritisiert Bartels die Entscheidung. Das „Ergebnis und die Art der Entscheidungsfindung“ machten ihn „ein bisschen unfroh“, schreibt der Ausgebootete. Es erschließe sich nicht sofort, „warum die Partei jetzt dieses wichtige, unabhängige Amt, das als Teil der parlamentarischen Kontrolle unseres Militärs im Grundgesetz verankert ist, gerne durch eine neue SPD-Kandidatin besetzen will“.

Bartels verwies in seinem Schreiben auch darauf, dass er „nach landläufigen Erfolgskriterien“ für seine Arbeit „sehr freundlichen Zuspruch und Unterstützung“ erhalten habe – etwa von Bundeswehrangehörigen, deren Vertrauensleuten und Personalräten, von Regierungs- wie Oppositionsfraktionen beispielsweise im Verteidigungsausschuss und auch in der breiteren Öffentlichkeit.

In dem Brief spielt Bartels auch auf die Ambitionen des SPD-Politikers Kahrs an. Er beklagt, dass „bereits im November 2019 mit einer bemerkenswerten haushalterischen Stellenvermehrung von außen ins Amt hineingewirkt“ worden sei. Damals hatte der Haushaltsausschuss, in dem Kahrs die Interessen der SPD als Obmann vertritt, überraschenderweise neue Stellen für das Büro des Wehrbeauftragten genehmigt. Bartels allerdings hatte diese Aufstockung gar nicht beantragt beziehungsweise benötigt und erklärt, er beabsichtige nicht, diese Stellen zu besetzen.

Das Dialogangebot an die Sozialdemokraten im Bundestag endet mit der Bitte von Bartels um Aufklärung: „Warum ist dies heute politisch eine Stelle, an der die SPD in dieser Zeit einen Personalwechsel braucht? Welcher sozialdemokratischen Binnenlogik folgt das? Wie wollen wir miteinander, wie soll ich damit umgehen? Für Rat wäre ich dankbar.“

Ausgewiesene Innen- und Justizexpertin, aber keine Verteidigungspolitikerin

Amtsnachfolgerin in spe Eva Högl gilt als versierte Rechts- und Innenexpertin. Die Juristin, unter anderem seit 2007 Mitglied des Landesvorstands der SPD Berlin, seit Januar 2009 Mitglied des Deutschen Bundestages, seit 2017 (erneut) Mitglied des SPD-Parteivorstandes, Obfrau ihrer Partei im Untersuchungsausschuss zur rechten Terrorgruppe NSU sowie Mitglied des Parlamentarischen Kontrollgremiums (und dort zuständig für die Geheimdienste), scheint eine rastlose Persönlichkeit zu sein. Ihr Eintrag im Onlineverzeichnis „Biografien“ des Bundestages verzeichnet unter der Rubrik „Mitgliedschaften“ mehr als 25 Einträge – Vereine, Verbände, Interessenvertretungen, Gemeinschaften, Gesellschaften, Förderkreisen und Stiftungen. Elf ihrer Funktionen davon sind auch dem Bereich „Veröffentlichungspflichtige Angaben“ zugeordnet.

Högls inhaltlicher Schwerpunkt liegt seit dem Studium – verstärkt durch die berufliche Erfahrung in der Ministerialverwaltung – in der Europapolitik. Von 2009 bis 2015 war sie Sprecherin des „Netzwerks Berlin“, eines Zusammenschlusses von pragmatisch orientierten Bundestagsabgeordneten der SPD.

Wie Personalgeschacher auf SPD-Bundesebene funktioniert

Der SPIEGEL versuchte am 29. April nach Bekanntwerden der Högl-Entscheidung etwas Licht in das Dunkel um „die ehrgeizige Abgeordnete aus Berlin“, die bisher nicht als Verteidigungsexpertin oder gar Bundeswehr-Kennerin aufgefallen ist, zu bringen. Konstantin von Hammerstein und Matthias Gebauer erklären in ihrem Beitrag „Streit um Posten des Wehrbeauftragten“, wie Personalgeschacher auf SPD-Bundesebene funktioniert.

Kahrs, so die SPIEGEL-Autoren, habe als Chef des einflussreichen „Seeheimer Kreises“ dem Partei-Linken Mützenich seine Unterstützung bei der Wahl zum Fraktionschef zugesichert. Im Gegenzug dafür habe der Hamburger das Amt des Wehrbeauftragten für sich reklamiert. Von Hammerstein und Gebauer fragen sich: „Hatte sich Mützenich also an einen Mann gekettet, dem in der eigenen Fraktion wegen seiner rücksichtslosen Strippenzieherei immer schon ein leichter Hauch von Schwefel nachgesagt wird?“

Mit seiner Überraschungskandidatin Högl habe sich Mützenich nun offenbar aus diesem Dilemma befreien wollen, vermuten die Autoren. „Damit der mächtige Partei-Rechte Kahrs beim Geschacher um den wichtigen Posten nicht als eindeutiger Verlierer dasteht, will der Fraktionschef dafür Amtsinhaber Bartels opfern. Mützenich selbst war der Vorgang anscheinend etwas peinlich“, heißt es im SPIEGEL-Text weiter. Ein Gespräch mit Bartels sei in den vergangenen Wochen immer wieder verschoben worden. Am Ende habe man gerade einmal zehn Minuten miteinander telefoniert, ohne dass sich Mützenich dabei habe festlegen wollen.

Matthias Gebauer (seit Oktober 2008 Chefreporter von SPIEGEL ONLINE) und Konstantin von Hammerstein (der 1980 seinen Wehrdienst als „Redaktionssoldat“ beim Bataillon für Psychologische Verteidigung in Andernach absolvierte und seit 2014 als SPIEGEL-Autor aus der Hauptstadt vor allem über Sicherheits- und Verteidigungspolitik berichtet), über das menschliche Miteinander unter Sozialdemokraten: „Erst am Mittwochnachmittag informierte [Mützenich] Bartels am Telefon über seine geplante Ablösung. Zu dem Zeitpunkt hatte sich die Nachricht schon längst rumgesprochen.“

Högl nur Schachfigur in einem Spiel von Fraktionschef Mützenich?

Unmittelbar nach Bekanntwerden der SPD-Personalie ließen sich in den sozialen Medien erste gewichtige Stimmen finden. Johann Wadephul, Stellvertretender Vorsitzende der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, bezeichnete Eva Högl zwar als „erfahrene Parlamentarierin, die sich über Fraktionsgrenzen hinaus Anerkennung verschafft“ habe, nun sollte sie aber doch „ihr Interesse an und Nähe zu den Soldatinnen und Soldaten darlegen“.

Marie-Agnes Strack-Zimmermann, verteidigungspolitische Sprecherin der FDP-Bundestagsfraktion, twitterte: „Der bisherige Wehrbeauftragte Bartels, den wir gerne unterstützt hätten, erfährt aus der Presse, dass er durch Innenpolitikerin Eva Högl ersetzt wird. Das sagt alles. Mit der SPD ist momentan in Außenpolitik und Sicherheitspolitik kein Staat zu machen.“ Der FDP-Politiker Alexander Graf Lambsdorff, Stellvertretender Fraktionsvorsitzender mit der Zuständigkeit „Außenpolitik“ und Reserveoffizier bei den Panzeraufklärern, auf Twitter: „Respektierte Innenpolitikerin Högl, aber Bundeswehr? Null Kompetenz. Null.“ Und er legte nach: „Die SPD sieht Sicherheitspolitik und Bundeswehr nur als Belastung für Wahlkampf 2021; auf Weg nach Linksaußen, um Grünen und Linken Wähler abzujagen. Kompetenz spielt keine Rolle mehr.“

Matthias Wachter, Abteilungsleiter beim Bundesverband der Deutschen Industrie e.V. (BDI), gab auf Twitter folgendes Statement ab: „Eva Högl soll neue Wehrbeauftragte werden. Es ist sehr bedauerlich, dass der bei den Soldatinnen und Soldaten sowie parteiübergreifend hoch geschätzte Hans-Peter Bartels gehen muss. Die Bundeswehr verliert mit ihm mutigen Anwalt und starken Fürsprecher.“

Weitere Stellungnahmen finden sich in den Tagen nach dem 29. April in der Tagespresse. Bleiben wir zunächst bei den Freidemokraten. Marco Buschmann, Parlamentarischer Geschäftsführer der FDP-Bundestagsfraktion, wird von der Kölnischen Rundschau mit den Worten zitiert: „Eva Högl ist eine seriöse und respektable Persönlichkeit. Unser Eindruck ist aber, dass sie nur Schachfigur in einem Spiel von Rolf Mützenich ist.“ Mützenich lege es darauf an, die Verteidigungspolitik der SPD nach links zu verschieben. Nun solle der „ideale Kandidat“ Bartels gegen eine Politikerin ausgewechselt werden, die sich bisher nicht mit Verteidigungspolitik befasst habe.

Die Parlamentarische Geschäftsführerin von Bündnis 90/Die Grünen, Britta Haßelmann, kritisierte, das „Gezerre“ habe dem Ansehen des Amtes „nicht geholfen“. Tobias Lindner, Sprecher der Grünen für Sicherheitspolitik, meinte kopfschüttelnd, der Umgang der Sozialdemokraten mit ihrem Mitglied Bartels erinnere an die Schicksale der SPD-Parteivorsitzenden Beck, Schulz und Nahles.

Die Linke begrüßte die Ablösung von Hans-Peter Bartels. Ihr Obmann im Verteidigungsausschuss, Alexander Neu, sagte dem Deutschlandfunk, Bartels habe sich „mehr als Rüstungsbeauftragter denn als Wehrbeauftragter“ betätigt.

SPD untergräbt Vertrauen der Soldaten und Offiziere in das Parlament

Nahezu alle Kommentare deutscher Medien sind gekennzeichnet von großem Unverständnis für die Personalposse der Sozialdemokraten. So argumentiert Peter Carstens in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung (FAZ): „Wer sich einen Anwalt sucht, setzt auf Kompetenz und Erfahrung. Das gilt auch für die Bundeswehr. Die Soldatinnen und Soldaten können sich mit ihren Sorgen an den Wehrbeauftragten wenden, ihren Anwalt gegenüber dem Parlament. Anders als der Bundestag, der Ausrüstung und Einsätze der Streitkräfte bestimmt, dürfen sie sich den Obmann oder Obfrau aber nicht selbst aussuchen. Sie mussten und durften bisher darauf vertrauen, dass der Bundestag jemanden wählt, der mit Herz und Sachverstand Anwalt und Mittler sein will. Dazu gehört sogar, dass der Wehrbeauftragte sein Bundestagsmandat aufgibt.“

Zornig beschreibt Carstens dann die Realität aus seiner Sicht: „Die SPD, ohnehin auf dem Weg ins bündnispolitische Abseits, tritt den Grundsatz des wechselseitigen Vertrauens nun mit Füßen. In einer Hinterzimmer-Intrige wird der respektierte Amtsinhaber aus den eigenen Reihen abgesägt und aus persönlich-ideologischem Kalkül eine Politikerin nominiert, die bislang nichts mit der Bundeswehr zu tun hatte.“ Der FAZ-Kommentator warnt: „So untergräbt die SPD das Vertrauen der Soldaten und Offiziere in den Bundestag, der sie immer wieder in Einsätze schickt und für den sie notfalls in den Kampf ziehen, stellvertretend für Deutschland. Dass die SPD so handelt, kann man nur damit erklären, dass der interne Kampf um Ämter und Mandate ihr wichtiger geworden ist, als das Land und die Loyalität seiner Streitkräfte. Und die Union macht dabei mit! Was hält sie bloß davon ab, diesen Irrweg zu blockieren?“

Nicht aus Sachgründen, sondern aus sozialdemokratischer Binnenlogik ins Amt

Auch Thorsten Jungholt, Politischer Korrespondent der WELT, scheint ratlos: „Wäre es nach dem Sachverstand gegangen, dann hätte die SPD erneut Hans-Peter Bartels zum Wehrbeauftragten machen müssen. Der Kieler hat die Möglichkeiten des Jobs als Anwalt der Soldaten ausgeschöpft. Er ist eine der wenigen Stimmen der Sozialdemokratie, denen man in der Bundeswehr noch zuhört.“ Über die Mützenich-Kandidatin schreibt Jungholt: „Fachlich hatte die 51-jährige Fraktionsvize Eva Högl mit der Bundeswehr bislang nur insofern zu tun, als die Julius-Leber-Kaserne in Berlin zu ihrem Wahlkreis zählt und sie im Kontrollgremium des Bundestags mit der Arbeit des Militärischen Abschirmdienstes befasst ist.“ Das eigentliche Sujet der Juristin sei aber die Innen- und Rechtspolitik, so der WELT-Korrespondent. „Deshalb wäre sie im vorigen Jahr gern Justizministerin geworden. Ihre Eignung war unstrittig, aber der Länderproporz verhinderte eine Berufung: Mit Franziska Giffey sitzt bereits eine Berlinerin im Kabinett. Das Amt des Wehrbeauftragten bot Mützenich nun die Chance, Högl zu entschädigen.“

Högl starte mit dem Malus, nicht aus Sachgründen, sondern aus sozialdemokratischer Binnenlogik ins neue Amt gekommen zu sein, fürchtet Jungholt. Bartels’ parlamentarische Karriere sei zu Ende, trotz guter Arbeit. Mützenich habe eine Kollegin versorgt, dafür einen anderen vergrätzt. Und die SPD werde in der Bundeswehr erklären müssen, ob es ihr bei dieser Personalrochade am Rande auch um das Wohl der Soldaten gegangen sei!

Entschädigt mit einem Job in der höchsten Besoldungsstufe des Bundes

Zum Schluss noch Auszüge eines Kommentars von Benjamin Konietzny für den Nachrichtensender n-tv. „Es hätte viele gute Gründe für eine weitere Amtszeit von Hans-Peter Bartels gegeben“, schreibt Konietzny. „Der 58-jährige SPD-Politiker hat den Job als Wehrbeauftragter des Bundes vor fünf Jahren angetreten und ist beliebt in der Bundeswehr. Es ist nicht leicht, jemanden zu finden, der ihm nicht bescheinigen würde, gute Arbeit zu machen. Das gilt insbesondere für seine Zielgruppe, die Soldaten. Bartels hatte signalisiert, weitermachen zu wollen. Doch der SPD-Fraktionsvorsitzende Rolf Mützenich entscheidet sich gegen ihn und zaubert Eva Högl aus dem Hut, die nichts mit dem Fach zu tun hat.“

Auch der Parlamentsreporter vermutet für die Auswahl Högls ganz spezielle Sozi-Zwänge. Konietzny: „Högl war bei den Koalitionsverhandlungen für den Posten als Justizministerin im Gespräch. Der Länderproporz ließ aber nur ein Ministeramt für den Berliner SPD-Verband zu und da bekam die Ostdeutsche Franziska Giffey den Vorzug vor der Osnabrückerin Högl. Als Ex-Justizministerin Katarina Barley dann im Juli 2019 nach Brüssel wechselte, sah sie ihre zweite Chance kommen – und ging wieder leer aus. Nun wird Högl von Mützenich entschädigt – mit einem begehrten Job in der höchsten Besoldungsstufe des Bundes. Sie wird sich den in der Truppe guten Ruf von Bartels, den sie ablöst, erst erarbeiten müssen. Und die SPD wird gegenüber der Bundeswehr erklären müssen, wie und warum es zu dieser Entscheidung gekommen ist – bei der fachliche Argumente offensichtlich keine Rolle spielten, sondern innerparteiliche Begehrlichkeiten.“

Denn, so der Kommentator in seinem n-tv-Beitrag: „Den Sozialdemokraten hängt wie keiner anderen Partei das Klischee an, Posten nicht aufgrund von Qualifikation zu verteilen, sondern auf Basis einer internen Logik, die außerhalb der Partei kaum jemand nachvollziehen mag. Man könnte es auch Postengeschacher nennen. Und in diesem Punkt ist die Entscheidung, Högl zu Bartels Nachfolgerin zu ernennen, eine eindrückliche Bestätigung.“

Redaktioneller NACHBRENNER

Die anstehende Wahl des Wehrbeauftragten des Deutschen Bundestages hat innerhalb der SPD-Bundestagsfraktion um Rolf Mützenich mittlerweile zu noch größeren Turbulenzen geführt. Jetzt hat der Chefhaushälter der Fraktion, Johannes Kahrs, hingeworfen. Am heutigen Mittwoch (6. Mai) gab der Hamburger seinen Rücktritt als Bundestagsabgeordneter und SPD-Kreisvorsitzender bekannt.

Kahrs in seiner persönlichen Erklärung: „Für das Jahr 2020 habe ich mir seit Langem einen persönlichen Neuanfang vorgenommen. Nach 21 Jahren im Deutschen Bundestag, seit fast 40 Jahren in der SPD, wird es Zeit, für mich andere Wege zu gehen. Ich wollte einen Neuanfang in der Politik. Da mir die Bundeswehr sehr am Herzen liegt, als Oberst der Reserve, ehemaliges Mitglied im Verteidigungsausschuss oder als langjähriger Berichterstatter für das Verteidigungsministerium im Haushaltsausschuss, hätte ich gerne für das Amt des Wehrbeauftragten des Deutschen Bundestages kandidiert. Für das Amt des Wehrbeauftragten bewirbt man sich nicht, man wird vorgeschlagen. Der Fraktionsvorsitzende hat Eva Högl vorgeschlagen. Ich akzeptiere dies und wünsche ihr viel Erfolg.“ Er suche nun außerhalb der Politik einen Neuanfang und trete von seinem Mandat und allen politischen Ämtern zurück, so der Politiker.

Für Aufsehen sorgte heute auch ein Offener Brief im Onlineauftritt der WELT. Susanne Gaschke, Journalistin, Autorin, frühere Kieler Oberbürgermeisterin und Ehefrau des derzeitigen Wehrbeauftragten Hans-Peter Bartels, teilt dort ihren Austritt aus der SPD mit, der sie 33 Jahre angehört hatte. Hart ging sie in ihrem Schreiben mit der heutigen Führungsriege der Sozialdemokraten ins Gericht und stellte sich schützend vor ihren Mann. Gaschke beklagt: „Ihr wisst genau, wie ehrlos Ihr Euch verhalten habt.“ Bartels habe einen untadeligen Job gemacht. Und: „Mir ist es nicht egal, wie Ihr mit dem Mann umgeht, den ich liebe.“

In ihrer Generalabrechnung prangert die Journalistin zudem das Karrieredenken in der Partei an: „Zu viele Jusos, zu viele abgebrochene Studenten und Leute mit schwieriger Berufswahl kämpften um Posten, die gutes Gehalt, Mitarbeiter, Büros und Prestige versprachen. Es ging immer weniger darum, was man mit einem Amt erreichen wollte – es ging darum, dass man es bekam.“


Zu unserer Bildsequenz:
1. Strippenzieher? Rolf Mützenich, Vorsitzender der SPD-Bundestagsfraktion, daneben sein Schreiben an die Mitglieder der SPD-Bundestagsfraktion mit der Bekanntgabe der Högl-Nominierung. Das Mützenich-Foto wurde am 22. November 2017 gemacht und zeigt den SPD-Politiker bei einer „Aktuellen Stunde“ im Bundestag zum Thema „Lage im Nahen- und Mittleren Osten“.
(Foto: Achim Melde/Deutscher Bundestag; Bildmontage: mediakompakt)

2. Eva Högl am 18. Dezember 2014. Die SPD-Innenpolitikerin leitete damals den 2. Untersuchungsausschuss der 18. Wahlperiode des Deutschen Bundestages zum Fall „Sebastian Edathy“.
(Foto: Achim Melde/Deutscher Bundestag)

3. Der Sozialdemokrat Johannes Kahrs am 1. Februar 2018 bei einer Rede im Bundestag zum Tagesordnungspunkt „EU-Verordnung zu einem Europäischen Währungsfonds“. Kahrs zeigte lange Zeit großes Interesse daran, die Nachfolge von Hans-Peter Bartels im Amt des Wehrbeauftragten des Deutschen Bundestages anzutreten.
(Foto: Achim Melde/Deutscher Bundestag)

4. Wehrbeauftragter Bartels am 23. Januar 2017 bei der Übergabe des „Jahresberichts 2016“ an den damaligen Bundestagspräsidenten Norbert Lammert. Lammert hielt am 5. September 2017 seine letzte Rede im Parlament und schied mit dem Ende des 18. Legislaturperiode aus dem Bundestag aus.
(Foto: Achim Melde/Deutscher Bundestag)

Kleines Beitragsbild: Symbolfoto „Abstieg der SPD“.
(Foto: nr)


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