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Calw/Böblingen/Berlin/Osnabrück. Ein Oberstleutnant vom Kommando Spezialkräfte der Bundeswehr (KSK) hat einen Strafbefehl, der wegen Ausführung des „Hitlergrußes“ ergangen war, letztendlich akzeptiert. Dies bestätigten jetzt das Amtsgericht Böblingen und die Staatsanwaltschaft Stuttgart auf Nachfrage des ARD-Magazins „Panorama“. Der ehemalige KSK-Kompaniechef hatte erst Einspruch gegen den von der Staatsanwaltschaft Stuttgart beantragten Strafbefehl eingelegt, diesen Einspruch dann aber zurückgenommen. Damit wird der Strafbefehl über 4000 Euro rechtskräftig.

Der Oberstleutnant der Eliteeinheit KSK war bei seiner Abschiedsfeier komplett aus der Rolle gefallen und hatte den „Deutschen Gruß“, den seit 1945 in Deutschland und Österreich verbotenen „Hitlergruß“, gezeigt (wir berichteten). Aufgedeckt und recherchiert hatten den Fall Kollegen des „Y-Kollektivs“, ein Reportageformat von funk, Radio Bremen und NDR-Magazin „Panorama“.

Die Staatsanwaltschaft hatte nach der Sendung Ermittlungen gegen den Offizier eingeleitet. Gegen einen weiteren Soldaten, der den „Hitlergruß“ auch gezeigt haben soll, wurde ebenfalls ermittelt. Die Ermittlungen stützten sich vor allem auf die Aussagen einer Augenzeugin, die anonym in „Panorama“ über den Abend berichtet hatte.

Staatsanwaltschaft widerspricht internen Ermittlungen der Bundeswehr

Der rechtskräftige Strafbefehl ist nach Ansicht des NDR „insbesondere deshalb bemerkenswert, da zuvor interne Ermittlungen der Bundeswehr zum gegenteiligen Ergebnis gekommen waren“. Der Sender merkt an: „Offenbar schenkte die Bundeswehr den Aussagen der untergebenen Soldaten Glauben, die keinen ,Hitlergruß‘ ihres Kompaniechefs gesehen hatten. Die Bundeswehr erklärte dazu, von diesem Vorgang noch keine Kenntnis zu haben. Die internen Ermittlungen zu dem Soldaten dauerten weiter an. Zurzeit dürfe der Soldat seinen Dienst nicht ausüben, hieß es weiter.“

Auch wenn die bei der Abschiedsfeier anwesenden Elitesoldaten, die von Vorgesetzten im Nachgang zu dem Abend befragt wurden, offenbar den scheidenden Kompaniechef decken wollten, kam die Staatsanwaltschaft Stuttgart nach monatelangen Ermittlungen doch zu einem anderen Ergebnis. Sie hielt die Aussagen der Augenzeugin für glaubhaft.

Wie die taz am 20. Januar berichtete, sollte es wegen des Widerspruchs, den der KSK-Offizier zunächst gegen den Strafbefehl eingelegt hatte, am 27. Februar zu einer Verhandlung vor dem Amtsgericht Böblingen kommen. Dass der Beschuldigte inzwischen die Strafe in Höhe von 4000 Euro akzeptiert hat, lässt vermuten, dass die Furcht vor einem öffentlichen Auftritt am Schluss doch größer war.

Politisch rechtsmotivierte Straftaten in Deutschland im Jahr 2017

Lassen Sie uns abschließend, da wir schon bei einem Thema mit rechtsextremer Grundfärbung sind, noch rasch einen Blick auf eine interessante Statistik werfen. Aus der Antwort der Bundesregierung vom 10. Januar auf eine Kleine Anfrage der AfD-Bundestagsfraktion geht unter anderem hervor, dass im Jahr 2017 (zum Stichtag 31. Januar 2018) in Deutschland insgesamt 20.520 politisch rechtsmotivierte Straftaten gemeldet worden waren. 1130 dieser Straftaten waren Gewaltdelikte.

8938 der 20.520 politisch rechtsmotivierten Straftaten – zu denen auch das Zeigen des „Hitlergrußes“ gehört – konnten aufgeklärt werden (davon 801 Gewaltdelikte). Von diesen 8938 aufgeklärten Straftaten konnten 8528 (davon 768 Gewaltdelikte) deutschen Tatverdächtigen zugeordnet werden, 410 Straftaten (darunter 33 Gewaltdelikte) waren von Ausländern verübt worden.

Im Jahr 2017 (ebenfalls Stichtag 31. Januar 2018) konnten zudem von 1504 Straftaten aus dem Themenfeld „Antisemitisch“ 1412 Delikte dem Phänomenbereich der politisch motivierten Kriminalität „rechts“ zugeordnet werden. Davon konnten 576 Straftaten geklärt werden, 836 Straftaten (davon vier Gewaltdelikte) blieben bislang unaufgeklärt.

Redaktioneller NACHBRENNER

In der Debatte um rechtsradikale Tendenzen in der Bundeswehr und anderen Sicherheitsbehörden fordert die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen inzwischen von der Bundesregierung ein entschiedeneres Vorgehen gegen rechte Strömungen in der Truppe.

Agnieszka Brugger, Verteidigungsexpertin der Grünen, warf dem Verteidigungsministerium vor, den Ernst der Lage nicht begriffen zu haben. Die Neue Osnabrücker Zeitung (NOZ) zitierte Brugger einen Tag nach Veröffentlichung unseres Beitrages – am 24. Januar – mit den Worten: „Die Bundesregierung findet es scheinbar nicht problematisch, wenn sich ein ehemaliges Mitglied der Bundeswehreliteeinheit mit Rechtsextremen über einen Tag X austauscht, für den Waffen gehortet werden sollen und Listen mit unliebsamen Personen erstellt werden.“ Die Politikerin sprach von einem „blauäugigen Umgang“ in den Sicherheitsbehörden „mit Alarmzeichen“.

Bisher keine Anhaltspunkte für extremistische Bestrebungen

Bei dem Fall, den Brugger gegenüber der NOZ ansprach, geht es um den Fall „Hannibal“, bei dem ein ehemaliger Bundeswehrsoldat des Kommandos Spezialkräfte seit 2017 ein rechtes Netzwerk und einen Chat als Administrator geleitet haben soll.

In der Antwort auf eine Schriftliche Frage der Bundestagsabgeordneten Brugger räumt das Verteidigungsministerium mittlerweile Kenntnis über den Fall ein. Allerdings widerspricht das Ministerium den Vorwürfen, es handle sich um rechtsradikale Netzwerke. In der Antwort heißt es: „Der Bundesregierung ist im Zusammenhang mit den Ermittlungen im Fall Franco A. seit Juni 2017 bekannt, dass ein damaliger Soldat des Kommandos Spezialkräfte der Bundeswehr unter dem Pseudonym ,Hannibal‘ in verschiedenen Chatgruppen als Administrator fungierte.“ In dem Chat sei es um die „aktuelle weltpolitische Lage und um Überlebensstrategien für einen möglichen Katastrophenfall“ gegangen.

Bisher lägen keine Anhaltspunkte für extremistische Bestrebungen oder strafrechtlich relevante Handlungen vor.


Die verwendete Illustration „Hitlergruß“ stammt von dem Hamburger Designer Rasmus Borkamp. Sie ist Teil einer Illustrationsserie über den „KSK-Abschiedsabend“, über den der NDR in seiner Sendung „Panorama“ am 17. August 2017 berichtet hatte.
(Bild: Rasmus Borkamp)

 


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