menu +

Nachrichten



Mazar-e Sharif (Afghanistan)/Berlin. Eine traurige Nachricht erreichte uns aus Afghanistan: Wie der Presse- und Informationsstab des Bundesministeriums der Verteidigung mitteilte, wurde am heutigen 3. Oktober (Donnerstag) gegen 6:30 Uhr mitteleuropäischer Sommerzeit (MESZ) ein Soldat des deutschen Einsatzkontingents der „Resolute Support Mission“ in seinem Unterkunftscontainer im Camp Marmal in Mazar-e Sharif leblos aufgefunden.

Den offiziellen Informationen zufolge wurde der Bundeswehrsoldat in das Einsatzlazarett Mazar-e Sharif gebracht. Dort habe man nur noch seinen Tod feststellen können, so der Presse- und Informationsstab. Weiter heißt es in der Meldung: „Es handelt sich vermutlich um eine Selbsttötung. Die Familienangehörigen wurden informiert. Der Vorfall wird weiter untersucht.“

10. September – „Welttag der Suizidprävention“

Vor einem Monat, am 4. September, hatten in Berlin das Netzwerk „Nationales Suizidpräventionsprogramm“ (NaSpro), die Deutsche Gesellschaft für Suizidprävention (DGS) und die Deutsche Akademie für Suizidprävention (DASP) zu einer gemeinsamen Pressekonferenz geladen. Die Veranstalter wollten an diesem Mittwoch die Medien mit aktuellen Zahlen und neuesten Hintergrundinformationen auf den am 10. September stattfindenden „Welttag der Suizidprävention“ einstimmen.

Der „Welttag der Suizidprävention“ war von der International Association for Suicide Prevention (IASP) und der Weltgesundheitsorganisation (World Health Organization, WHO) das erste Mal für den 10. September 2003 ausgerufen worden, um die Öffentlichkeit auf die weitgehend verdrängte Problematik der Selbsttötung, der Suizidalität, aufmerksam zu machen. Als Ziel nannte die WHO „das Tabu über den Suizid brechen“ als eine notwendige Bedingung der Suizidprävention.

Die Organisatoren des „Welttages der Suizidprävention“ in Deutschland über die Bedeutung des 10. September: „Der 10. September ist besonders auch ein Tag der Trauer und des Gedenkens an die durch Suizid Verstorbenen. Der Tag kann Menschen unabhängig von ihrer religiösen Zugehörigkeit einen Raum bieten, in dem der Erfahrung von Verlust und Trauer Ausdruck gegeben und miteinander geteilt werden.“

Statistik der Vereinten Nationen und neueste Zahlen aus Deutschland

Lassen Sie uns – auch vor dem Hintergrund des erschütternden Ereignisses im Camp Marmal – einige Fakten wiedergeben, die bei der Berliner Pressekonferenz am 4. September genannt wurden.

Die WHO, Koordinationsbehörde der Vereinten Nationen für das internationale öffentliche Gesundheitswesen, geht weltweit von rund 800.000 Selbsttötungsfällen pro Jahr aus (basierend auf den zunächst im Februar 2019 im British Medical Journal veröffentlichten Forschungsergebnissen eines Teams um Mohsen Naghavi von der University of Washington in Seattle, US-Bundesstaat Washington). Somit nimmt sich weltweit statistisch gesehen alle 40 Sekunden ein Mensch selbst das Leben. Die WHO weist zudem darauf hin, dass von einem Suizid bis zu 135 Angehörige betroffen sind – die Anzahl der Hinterbliebenen wird jährlich damit etwa auf 108 Millionen Menschen weltweit geschätzt.

Und Deutschland? Laut den im Juli dieses Jahres veröffentlichten aktuellen Zahlen des Bundes nahmen sich bei uns 9241 Menschen im Jahr 2017 das Leben. Darunter befanden sich 6990 Männer und 2251 Frauen. Die Suizidrate insgesamt betrug 11,2 auf 100.000 Einwohner.

Bei Betrachtung der absoluten Zahlen konnte damit für 2017 zwar im dritten Jahr in Folge für Deutschland ein Rückgang festgestellt werden (seit dem Höchststand erfasster Suizide im Jahr 1981 mit 18.825 Fällen sank die Rate bis zum Berichtsjahr 2017 von 24,0 auf 11,2). Aber – so erfreulich dieser Trend auch ist – die Zahlen bleiben alarmierend. Vergleicht man die Anzahl der Selbsttötungen in Deutschland mit anderen Todesursachen, so sterben bei uns nach wie vor mehr Menschen durch Suizid als durch Verkehrsunfälle (2017: 3180), Gewalttaten (2017: 731) und illegale Drogen (2017: 1272) zusammen. Dazu die Veranstalter der Pressekonferenz in Berlin: „Die Zahlen geben keinesfalls ,Entwarnung‘ – Suizidprävention ist und bleibt eine wichtige gesamtgesellschaftliche Aufgabe.“

„Endpunkt einer psychischen Krise und großer innerer Not“

Auch die Bundeswehr musste in den vergangenen Jahren zahlreiche Kameraden betrauern, die ihre scheinbar immer schwerer werdende Lebenslast nicht mehr tragen wollten oder konnten, die an ihrer subjektiv erlebten und erlittenen Ausweglosigkeit letztendlich zerbrachen. „Ein Suizid ist meist der Endpunkt einer psychischen Krise und großer innerer Not“, heißt es im Pressematerial zum „Welttag der Suizidprävention“. Und an anderer Stelle: „Der Suizid ist das Ergebnis eines Zusammenspiels aus genetischen, psychologischen, sozialen, kulturellen und anderen Risikofaktoren, manchmal im Zusammenhang mit traumatischen und Verlusterfahrungen. Menschen, die sich das Leben nehmen, repräsentieren eine heterogene, eine uneinheitliche Gruppe mit spezifischen, komplexen und facettenreichen auslösenden Einflüssen, die der finalen Handlung vorausgehen. Diese Heterogenität stellt […] Experten in der Suizidprävention vor Herausforderungen. Diese Herausforderungen können durch eine vielschichtige und stringente Herangehensweise gemeistert werden.“

Die Bundeswehr versucht mit Hilfe des Psychologischen Dienstes, der Militärseelsorge und weiterer umfassender Betreuung Menschen in Notlagen zu helfen. Dennoch begingen seit 1957 mehr als 3500 Angehörige der Streitkräfte Suizid, die meisten davon in den 70er- und 80er-Jahren.

Mit Stand 28. Januar 2019 wurden im Meldewesen „Innere und Soziale Lage der Bundeswehr“ für das Jahr 2018 insgesamt 20 Verdachtsmeldungen über Selbsttötungen aus den Reihen der Truppe gemeldet. Auch die Zahlen des Ministeriums für die Jahre davor bis 2010 sind bedrückend: 2010: 23 Suizide, 2011: 19 Suizide, 2012: 24 Suizide, 2013: 21 Suizide, 2014: 29 Suizide, 2015: 34 Suizide, 2016: 17 Suizide, 2017: 19 Suizide.

In Auslandseinsätzen nahmen sich laut Ministerium – mit Stand Juli 2019 – insgesamt 22 Bundeswehrangehörige das Leben. Diese Zahl bedarf nach dem heutigen Donnerstag wohl einer Korrektur, eine weitere menschliche Tragödie hat sich ereignet!

Signale, die – richtig gedeutet – ein Leben retten können

Das Netzwerk und die Verbände für Suizidprävention erinnern daran, das Gefährdete in der Regel Signale aussenden und sich wünschen, dass jemand darauf reagiert. Alarmzeichen können demnach sein: sozialer Rückzug, Gleichgültigkeit, traurige Stimmung, Hoffnungslosigkeit, Verzweiflung, Stimmungsschwankungen, Verwahrlosungstendenzen, selbstverletzendes Verhalten, Alkohol-/Drogen- oder Medikamentenmissbrauch, aggressives abwehrendes Verhalten, Äußerungen über den Tod und das Sterben, konkrete Handlungen zur Vorbereitung einer suizidalen Handlung.

Was kann hilfreich sein? Die Experten raten:
stellen Sie zu der betroffenen Person einen guten, vertrauensvollen Kontakt her;
zeigen Sie aufrichtiges Interesse, hören Sie geduldig und aufmerksam zu, vermeiden Sie jegliche Vorhaltungen;
stellen Sie die konkrete Frage nach Suizidgedanken (die Sorge, dadurch Suizidimpulse anzuregen, ist Fachleuten zufolge unbegründet);
vermitteln Sie Zuversicht, dass es Hilfe gibt, auch wenn die oder der Betroffene zunächst abwehrend reagiert;
bieten Sie Hilfe an, aber unter Beachtung der Grenzen Ihrer eigenen Hilfemöglichkeiten beziehungsweise -kompetenzen;
suchen Sie online und vor Ort nach professionellen Hilfeangeboten und vermitteln Sie diese.

Das Netzwerk „Nationales Suizidpräventionsprogramm“ bietet seit 18 Jahren mit seiner Website eine hervorragende Erfahrungsquelle. Ziel ist es, leicht zugänglich valide Informationen zum Thema „Suizid“ zur Verfügung zu stellen. Auf der Webseite finden Sie Fakten und Daten sowie Materialien zum Download. Die Adresse: www.suizidpraevention.de

Über den Internetauftritt des Netzwerks ist auch die Deutsche Gesellschaft für Suizidprävention (DGS) erreichbar. Die DGS ist die Dachgesellschaft für alle Einrichtungen und Personen, die sich in Forschung, Lehre oder Praxis mit Suizidprävention als Hilfe in Lebenskrisen befassen. Die Adresse dieser Organisation: www.suizidprophylaxe.de


Zu unseren Bildern:
1. Stelle eine Kerze in ein Fenster – am 10. September, dem „Welttag der Suizidprävention“. Stelle eine Kerze in ein Fenster im Gedenken an einen durch Suizid verlorenen geliebten Menschen und für die Hinterbliebenen eines durch Suizid verstorbenen Menschen. Symbolbild „Kerzenlicht“ aus dem Bildangebot von Pexels.
(Foto: Georg Becker/unter Pexels License = freie kommerzielle Nutzung, kein Bildnachweis erforderlich)

2. Blick aus Camp Marmal in Nordafghanistan auf die Ausläufer des Hindukusch.
(Foto: Sebastian Wilke/Bundeswehr)


Kommentieren

Bitte beantworten Sie die Frage. Dies ist ein Schutz der Seite vor ungewollten Spam-Beiträgen. Vielen Dank *

OBEN