Mons (Belgien). Die NATO hat einen neuen Oberbefehlshaber. Der US-amerikanische Luftwaffengeneral Tod D. Wolters übernahm am gestrigen Freitag (3. Mai) im belgischen Casteau bei Mons die Aufgaben seines Landsmannes Curtis M. Scaparrotti, der nach 41 Dienstjahren beim Militär nun in den Ruhestand geht. Armeegeneral Scaparrotti war seit Mai 2016 Kommandeur der NATO- und US-Truppen in Europa gewesen (Supreme Allied Commander Europe, SACEUR). Wolters wird – wie seine Vorgänger auch – vor allem für die Planung und Ausführung von Bündniseinsätzen verantwortlich sein. Zu den derzeit laufenden Operationen zählt neben den Ausbildungs- und Beratungsmissionen in Afghanistan und im Irak auch die Friedenssicherung im Kosovo.
Der Nordatlantikrat, das wichtigste Entscheidungsgremium der Allianz, hatte die Nominierung von Wolters für den Posten in Casteau/Mons am 15. März dieses Jahres bekanntgegeben. SACEUR ist traditionell ein amerikanischer Offizier, während der Generalsekretär des Bündnisses aus Europa kommt. Für den Posten des SACEUR gibt es keine festgelegte Amtszeit – sie reichte in der Vergangenheit von einem bis acht Jahre. Erster Oberbefehlshaber der NATO wurde 1951 der spätere US-Präsident Dwight D. Eisenhower.
NATO-Generalsekretär Jens Stoltenberg bezeichnete das SACEUR-Amt bei der feierlichen Übergabe als einen „der schwierigsten und wichtigsten militärischen Posten auf der Welt“, stehe er doch für die „Verteidigung der westlichen Grundwerte Freiheit, Demokratie und Recht“. Stoltenberg erinnerte daran: „Diejenigen, die den Titel ,SACEUR‘ trugen, haben unser Bündnis während des Kalten Krieges geführt und die damalige Sowjetunion abgeschreckt. Sie haben brutale Kriege auf dem Balkan gestoppt. Sie haben mitgeholfen, al-Qaida in Afghanistan zu besiegen. Und sie haben Freiheit und Demokratie in den Nationen Europas verbreiten. Als SACEUR bezeichnet zu werden, bedeutet zu führen.“
Tod D. Wolters, Jahrgang 1960, begann seine fliegerische Karriere im Jahr 1982 auf der Reese Air Force Base in Texas. Zuvor hatte er an der U.S. Air Force Academy in Colorado Springs (Colorado) seinen Abschluss „Bachelor of Science“ gemacht. Während der nächsten Jahre kommandierte der Kampfpilot verschiedene Einheiten und Verbände.
Sein militärischer Werdegang listet dabei ab 1999 unter anderem auf:
– Befehlshaber der 19th Fighter Squadron (19. Jagdgeschwader, Elmendorf Air Force Base in Alaska);
– Befehlshaber der 1st Operations Group (die Gruppe ist auf der Langley Air Force Base in Virginia stationiert);
– Befehlshaber der 485th Air Expeditionary Wing (provisorische Einheit der US-Luftwaffe, die dem Air Combat Command zugewiesen ist und derzeit deaktiviert ist; letztmalig im Einsatz bei der Operation „Iraqi Freedom“ 2003);
– Befehlshaber des 47th Flying Training Wing (Heimatbasis des Trainingsgeschwaders ist die Laughlin Air Force Base in der Nähe von Del Rio, Texas);
– Befehlshaber des 325th Fighter Wing (stationiert ist das Geschwader auf der Tyndall Air Force Base, Florida);
– Befehlshaber der 9th Air and Space Expeditionary Task Force-Afghanistan (Kommando in Kabul);
– Befehlshaber der 12th Air Force (die „Zwölfte“ – auch Air Forces Southern – ist eine seit 1942 aktive Luftflotte der US-Luftwaffe, die dem Air Combat Command untersteht; Hauptquartier ist die Air Force Base Davis-Monthan nahe Tucson, Arizona).
Zuletzt war Wolters in Personalunion Commander U.S. Air Forces in Europe und Commander U.S. Air Forces Africa (Befehlshaber der US-amerikanischen Luftstreitkräfte in Europa und Afrika), Commander Allied Air Command (Chef des NATO-Luftkommandos im rheinland-pfälzischen Ramstein) sowie Director Joint Air Power Competence Centre (Direktor des NATO-akkreditierten, multinationalen „Centre of Excellence“ im nordrhein-westfälischen Kalkar).
General Wolters hat als Pilot mehr als 5000 Flugstunden auf folgenden Flugzeugtypen absolviert: F-15C Eagle (Luftüberlegenheitsjäger), F-22 Raptor (Luftüberlegenheitsjäger), OV-10 Bronco (leichtes Beobachtungs-, Angriffs- und Transportflugzeug), A-10 (Erdkampfflugzeug) sowie T-38 (Überschall-Trainingsflugzeug).
Er nahm teil an den Operationen „Desert Storm“, „Southern Watch“, „Iraqi Freedom“ und „Enduring Freedom“.
Neben dem Amt des SACEUR bekleidet Wolters nun auch das Amt des obersten Befehlshabers der US-Streitkräfte in Europa (United States European Command, USEUCOM oder EUCOM). Diesen Posten hatte er bereits am Donnerstag (2. Mai) in den Stuttgarter Patch Barracks, dem Hauptquartier von EUCOM, übernommen.
Über Tod Wolters Vorgänger Curtis M. Scaparrotti schrieb Michael Weißenborn in den Stuttgarter Nachrichten am Tag des Kommandowechsels in der Landeshauptstadt: „Scaparrotti, Absolvent der Militärakademie West Point, trat in seiner dreijährigen Amtszeit stets leise und nachdenklich auf, mied die Medien. Mit bezeichnenden Ausnahmen. Zum Beispiel im Umfeld des Brüsseler NATO-Gipfels im Sommer 2018, als Trump Deutschland heftig attackierte, weil es seine Verteidigungsausgaben zu langsam erhöhe. Da erklärte Scaparrotti in einem Interview in der ,Süddeutschen Zeitung‘ mit Blick auf den militärischen Beitrag Deutschlands in der NATO: ,Deutschland ist ein exzellenter Alliierter.‘ Auch wenn er wie sein Oberkommandierender Trump betonte, dass Deutschland auch aus seiner Sicht, seine militärischen Anstrengungen verstärken müsse. Jetzt zum Abschied dankte Scaparrotti auch besonders ,unseren deutschen Gastgebern‘ in Stuttgart. Sein Schwerpunkt an der Spitze von US- und NATO-Truppen in Europa: Das aggressiver auftretende Russland abschrecken. So erhöhten die USA ihre Präsenz an der Ostflanke der NATO, und auch Verbündete verstärkten ihre Operationen etwa in der Schwarzmeer-Region.“
Und über den neue EUCOM-Kommandeur Wolters, der einen Tag später in Casteau/Mons von Scaparrotti auch den NATO-Oberbefehl übernehmen sollte, notierte Weißenborn: „Wolters betonte, sein Auftrag bleibe unverändert. Er wolle auf dem Zugewinn an Kampfkraft aufbauen. ,Diese Aktivitäten – Abschrecken und für Frieden sorgen – sind feierliche ewige Ziele‘, so der 58-jährige Kampfflieger. Auch für Berlin müsste das – nach Jahrzehnten der Abrüstung – die Wiederherstellung der Kampffähigkeit bedeuten.“
Mit einer befremdenden Pressemitteilung reagierten die Linken auf die Amtseinführung von Tod D. Wolters. Die Bundestagsabgeordnete Sevim Dagdelen erklärte am gestrigen Freitag: „Der neue NATO-Oberbefehlshaber ist eine schwere Hypothek für Sicherheit und Frieden in Europa und der Welt. Trumps Vier-Sterne-General gehört zu den Scharfmachern gegen Russland und war als Kampfpilot an allen großen US-Militärinterventionen der vergangenen 30 Jahre beteiligt.“
Die Linke fordere deshalb die Klärung der Rolle des neuen SACEUR „bei den völkerrechtswidrigen US-Kriegen in Irak und Afghanistan“, so die abrüstungspolitische Sprecherin der Fraktion. Dagdelen weiter: „Wolters ist einer der Topmilitärs von US-Präsident Donald Trump. […] Er ist einer der ,Combatant Commanders‘ der US-Streitkräfte weltweit und soll offiziell den Frieden in Europa sichern. Mit Wolters an der NATO-Spitze ist allerdings eine weitere Konfrontation gegenüber Russland programmiert.“
Die Pressemitteilung Dagdelens endet mit der bizarren Forderung: „Notwendig ist eine Klärung, ob Wolters an möglichen Kriegsverbrechen in Irak und Afghanistan beteiligt war. Bis zur Klärung sollte er sein Amt als NATO-Oberbefehlshaber ruhen lassen.“
In Casteau bei Mons befindet sich der Sitz der Alliierten Streitkräfte in Europa (Supreme Headquarters Allied Powers Europe, SHAPE). SHAPE ist das strategische Hauptquartier des Allied Command Operations (ACO), eines der beiden strategischen Kommandos der NATO. Das andere Kommando ist das Allied Command Transformation (ACT) in Norfolk im US-Bundesstaat Virginia.
ACO unter dem Supreme Allied Commander Europe (SACEUR) – jetzt Tod D. Wolters – ist für die Führung von Operationen zuständig. ACT unter dem Supreme Allied Commander Transformation (SACT) ist verantwortlich für die Umwandlung und permanente Anpassung des Bündnisses an neue Erfordernisse, die sogenannte Transformation. Oberbefehlshaber in Norfolk ist seit dem 11. September 2018 der französische Luftwaffengeneral André Lanata.
Unser Bildangebot:
1. Kommandowechsel in Casteau bei Mons: NATO-Generalsekretär Jens Stoltenberg (Mitte) mit den US-Generälen Tod D. Wolters (links) und Curtis M. Scaparrotti.
(Foto: NATO)
2. Offizieller Abschiedsbesuch des bisherigen NATO-Oberbefehlshabers Scaparrotti am 17. April 2019 bei NATO-Generalsekretär Stoltenberg.
(Foto: NATO)
3. Porträtbild des neuen NATO-Oberbefehlshabers Wolters.
(Foto: U.S. Air Force)
Kleines Beitragsbild: 3. Mai 2019, Casteau/Mons – SACEUR-Wechsel. NATO-Chef Stoltenberg übergibt das Amt von General Scaparrotti (neben Stoltenberg rechts) an General Wolters.
(Foto: NATO)