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Berlin. Die Bundeswehr hat im Zeitraum 1. Juli 2017 bis 30. Juni 2019 insgesamt 63 Bewerber wegen Sicherheitsbedenken abgewiesen. Die Sicherheitsrisiken, die einer umfassenden Waffenausbildung entgegenstanden, waren vom Militärischen Abschirmdienst (MAD) bei Sicherheitsüberprüfungen erkannt worden. Zu den abgelehnten Kandidaten gehörten unter anderem 18 Rechtsextremisten, drei sogenannte „Reichsbürger“, zwei Linksextremisten, zwölf Islamisten sowie zwölf Personen aus dem Spektrum „Organisierte Kriminalität/Straftaten/Gewaltbereitschaft“. Die Zahlen nannte die Bundesregierung am 19. Juli in ihrer Antwort auf eine Kleine Anfrage der Bundestagsfraktion Die Linke. Die Detailfragen zum Themenkomplex „Ergebnisse der Soldateneinstellungsüberprüfung“ hatten André Hahn, Ulla Jelpke und Tobias Pflüger formuliert.

So wollten die Parlamentarier beispielsweise wissen, wie viele Bundeswehr-Bewerber seit dem 1. Juli 2017 bis jetzt (Stichtag 30. Juni 2019) nach dem Sicherheitsüberprüfungsgesetz (SÜG) vom MAD gecheckt worden sind. Laut Bundesministerium der Verteidigung, das der Bundesregierung für die acht Seiten umfassende Antwort zugearbeitet hatte, kontrollierte der MAD in dem besagten Zeitraum insgesamt 43.775 Bewerber.

Die meisten Überprüften waren der Regierungsantwort zufolge unauffällig. In 1173 Fällen aber brachte die Einstellungsüberprüfung „sicherheitserhebliche Erkenntnisse“, bei denen der MAD den Bewerber noch einmal ganz genau unter die Lupe nahm.

Weitreichende Konsequenzen aus dem Fall „Franco A.“

Männer und Frauen, die sich für den Dienst in unseren Streitkräften interessieren, werden seit dem 1. Juli 2017 vom MAD durchleuchtet. Dies geschieht auf der Grundlage des 16. Gesetzes zur Änderung des Soldatengesetzes vom 27. März 2017.

In der Regierungsantwort wird zwar nicht darauf hingewiesen, dass die neue Soldateneinstellungsüberprüfung eine unmittelbare Konsequenz aus den Vorfällen des Jahres 2017 mit rechtsextremen Bundeswehrangehörigen ist. Es findet sich aber der Hinweis: „Die Überprüfung zielt auf eine Minderung der Gefährdung ab, welche mit der erstmaligen Ausbildung von Personen an (Kriegs-)Waffen einhergeht.“ Eine Überprüfung von Soldaten, die sich zum Stichtag 1. Juli 2017 bereits in einer solchen Ausbildung befanden beziehungsweise diese Ausbildung bereits abgeschlossen hatten, fand und findet nicht mehr statt.

Ausgangspunkt auch der gesetzgeberischen Initiative zur Einstellungsüberprüfung war der Terrorverdacht gegen den Soldaten Franco A. „und einige andere mit ihm verbundene Personen in Deutschland“. Die Ermittlungen gegen den Oberleutnant „wegen Vorbereitungen einer rechtextremistisch motivierten terroristischen Straftat“ hatten im Frühjahr 2017 begonnen. Trotz zweijähriger intensiver Arbeit ist es der Bundesanwaltschaft bisher nicht gelungen, den Fall vor Gericht zu bringen.

Endgültige Entscheidung trifft der Geheimschutzbeauftragte

Die Soldateneinstellungsüberprüfung beruht auf einer einfachen Sicherheitsüberprüfung nach Paragraf 8 des Sicherheitsüberprüfungsgesetzes (SÜG), auf die Paragraf 37 Absatz 3 des Soldatengesetzes verweist. Die einfache Sicherheitsüberprüfung beinhaltet insbesondere die Abfrage von Erkenntnissen der Polizeibehörden und der Nachrichtendienste auf Bundesebene, welche auf eine extremistische und/oder gewaltgeneigte Verstrickung des Einstellungsbewerbers hindeuten könnten.

Die SÜG-Ermittlungen nimmt die sogenannte „mitwirkende Behörde“ vor. Dies ist für den Geschäftsbereich des Bundesministeriums der Verteidigung der MAD.

Kommt der MAD zu dem Ergebnis, dass in der überprüften Person ein Sicherheitsrisiko zu sehen ist, legt er den Fall dem zuständigen Geheimschutzbeauftragten als zuständiger Stelle im Sinne des SÜG mit einem Votum zur Entscheidung vor.

Zuständige Stelle ist nach der innerorganisatorischen Zuordnung im Geschäftsbereich des Verteidigungsministeriums in der Regel der Geheimschutzbeauftragte beim Streitkräfteamt, der über die Sicherheitsrisiken in der einfachen oder erweiterten Sicherheitsüberprüfung aller Mitglieder der Statusgruppe der Soldaten entscheidet. Der Geheimschutzbeauftragte trifft über ein Sicherheitsrisiko eine eigene Ermessensentscheidung, die er nach einer Anhörung der betroffenen Person fällt.

Auch „eingeschränktes vorläufiges Ergebnis“ erlaubt die Waffenausbildung

Eine Besonderheit der Einstellungsüberprüfung besteht darin, dass das Überprüfungsverfahren oftmals nicht vor dem zugesagten Dienstantrittsdatum des künftigen Soldaten mit einem Ergebnis oder einem vorläufigen Ergebnis abgeschlossen werden kann. Dazu die Bundesregierung in ihrer Antwort: „Dem wird zunächst zugunsten der Bewerberin beziehungsweise des Bewerbers dadurch Rechnung getragen, dass allgemeine Ausbildungsinhalte in der Grundausbildung vorgezogen werden und der fehlende Abschluss der Sicherheitsüberprüfung einer Einstellung nicht entgegensteht. Indessen darf eine Soldatin oder ein Soldat ausschließlich erst auf Grundlage eines sogenannten ,eingeschränkten vorläufigen Ergebnisses‘ umfassend an der Waffe ausgebildet werden.“ Diesen Status erteile der MAD immer dann, soweit noch kein (vorläufiges) Ergebnis vorliege, jedoch zu attestieren sei, dass kein Sicherheitsrisiko einer Waffenausbildung entgegenstehe.

In den Fällen, in denen die betreffende Person bereits eingestellt worden sei und der Geheimschutzbeauftragte auf ein schweres Sicherheitsrisiko erkenne, folge eine Entlassung aus der Bundeswehr. Den Angaben der Bundesregierung zufolge wurden im Zeitraum Juli 2017 bis einschließlich März 2019 rund 6700 Personen zur Truppe zugelassen, bevor die Sicherheitsüberprüfung abgeschlossen war.

Regierung beruft sich auf entsprechende Hinweise

Die Abgeordneten der Bundestagsfraktion der Linken wollte von der Regierung auch wissen, wie sie die Attraktivität der Bundeswehr für Personen aus extremistischen Lagern sowie der Organisierten Kriminalität einschätze. Die Frage lautete weiter: „Welche unterschiedlichen Motivationen verbinden diese Personen nach Einschätzung der Bundesregierung beziehungsweise – soweit sie hiervon Kenntnis hat – nach Einschätzung der Sicherheitsbehörden mit einem Dienst in der Bundeswehr?“

Die Regierung erklärte: „Der Gesetzgebungsinitiative zur Einführung der Soldateneinstellungsüberprüfung lagen insbesondere Hinweise zugrunde, dass islamistische Kreise versuchten, ideologisch gewogene Personen zum Zwecke der Ausbildung an Waffen für kurze Zeit in die Bundeswehr zu entsenden.“ Beispiele aus den Auslandseinsätzen hätten zudem gezeigt, dass islamistische Terroristen in den afghanischen Streitkräften immer wieder Regierungskräfte zu Attentaten auf eigene Kameraden sowie auf Angehörige verbündeter Streitkräfte angestiftet hätten. Gefahren durch solche Akteure seien auch im Inland und außerhalb von Einrichtungen der Bundeswehr nicht auszuschließen, so die Bundesregierung.

Abschließend heißt es in der Antwort: „Daneben zeigten auch die Feststellungen des 2. Untersuchungsausschusses der 17. Wahlperiode zur Terrorgruppe ,Nationalsozialistischer Untergrund‘, dass von rechtsextremistischen Gruppierungen Gewaltmaßnahmen ausgehen können und auch mit Blick auf dieses Spektrum eine Missbrauchsgefahr besteht. Auf den Bereich sonstiger extremistischer Bestrebungen und der Organisierten Kriminalität lassen sich entsprechende Annahmen grundsätzlich analog übertragen.“


Zu unserem Symbolbild: Die Bundeswehr will in ihren Reihen keine Extremisten oder Straftäter, die lediglich an einer militärischen Ausbildung interessiert sind. Dies gilt ganz besonders für die Spezialverbände unserer Streitkräfte, wo die Bewerber besonders intensiv durchleuchtet werden. Die Aufnahme zeigt Soldaten der Fernspählehrkompanie 200 aus Pfullendorf. (Die Kompanie wurde im zweiten Halbjahr 2015 aufgelöst. Zuvor, im Jahr 2008, war bereits die Fernspähtruppe insgesamt als eigenständigen Truppengattung außer Dienst gestellt worden.)
(Foto: Christian Vierfuss/Bundeswehr)


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