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Bonn/Berlin. Thomas Speckmann ist Historiker, Politikwissenschaftler und Lehrbeauftragter am Historischen Institut der Universität Potsdam. In einem Beitrag für ZEIT ONLINE im Juni 2010 hatte er sich ausführlich mit der weltweiten Expansion privater Sicherheitsunternehmen befasst. Seinen Angaben zufolge üben immer wieder auch deutsche Staatsbürger Söldner-Aktivitäten aus. Seit dem Erscheinen des ZEIT-Beitrages „Schmarotzer des Krieges“ ist fast ein Jahrzehnt vergangen. Aber die private Kriegswirtschaft boomt nach wie vor …

Afghanistan ist ein Eldorado für die „Schmarotzer des Krieges“. Amerikanische und britische Sicherheitsfirmen sind in der Hauptstadt Kabul allgegenwärtig und in vielen Landesteilen präsent. Ihre Mitarbeiter bewachen Botschaften und internationale Einrichtungen, bieten Sicherheitsberatung und bewaffneten Schutz für das Personal internationaler Nichtregierungsorganisationen und für ausländische Journalisten. Die Fachkräfte werden außerdem als Ausbilder und Berater für die afghanischen Sicherheitskräfte eingesetzt.

Mehr als 25.000 Contractoren am Hindukusch im Einsatz

Bernd Musch-Borowska, ARD-Hörfunkkorrespondent und Studioleiter im indischen Neu-Delhi, hat erst vor Kurzem über die sogenannten Contractoren in Afghanistan berichtet. In seinem am 28. Januar veröffentlichten Online-Textbeitrag für den Deutschlandfunk („Der zähe Kampf der Taliban“) nennt der Journalist eine interessante Zahl: „Nach Angaben des amerikanischen Verteidigungsministeriums waren im letzten Quartal des Jahres 2018 mehr als 25.000 Contractoren [in Afghanistan] registriert, darunter knapp 11.000 US-Staatsbürger und fast ebenso viele Sicherheitsleute aus anderen Ländern.“

Wie viele westliche Söldner am Hindukusch ihrem Job insgesamt nachgehen, lässt sich nur schwer verifizieren. Genaue Angaben werden mit Hinweis auf die nationale Sicherheit abgelehnt. Warum sollte es da der Bundestagsabgeordneten Canan Bayram (Bündnis 90/Die Grünen) anders ergehen?

Larifari-Antwort aus dem Auswärtigen Amt

Die Rechtsanwältin wollte wissen, „wie viele Deutsche beziehungsweise Personen aus Deutschland – vor allem ehemalige Soldaten der Bundeswehr –nach Kenntnis der Bundesregierung jenseits des vom Deutschen Bundestag beschlossenen Militärmandats derzeit in Afghanistan für dortige Armee, Milizen oder auswärtige private Sicherheitsunternehmen tätig“ sind. Die Politikerin bezog sich bei ihrer Frage ausdrücklich auf das Zahlenmaterial, das Musch-Borowska genannt hatte.

Bayram fragte die Bundesregierung zudem, ob im Falle einer US-Truppenreduzierung in Afghanistan und einer Zunahme der Aktivitäten von privaten Sicherheitsunternehmen im Land damit gerechnet werden müsse, dass „dann für den Dienst in solchen [privaten] ,militärähnlichen Einrichtungen‘ in gemäß § 109 h StGB strafbarer Weise noch mehr ehemalige Soldaten und andere Personen auch in Deutschland angeworben“ werden könnten.

Am 7. Februar antwortete Walter J. Lindner, Staatssekretär des Auswärtigen Amtes: „Der Bundesregierung liegen keine Erkenntnisse darüber vor, wie viele Deutsche oder Personen aus Deutschland – ehemalige Soldaten der Bundeswehr eingeschlossen – jenseits des vom Deutschen Bundestags beschlossenen Mandats derzeit in Afghanistan für die dortige Armee, Milizen oder auswärtige Sicherheitsunternehmen tätig sind.“ Eine Larifari-Antwort …

Globalisierter Markt für das Söldner-Wesen

Im November vergangenen Jahres erschien im Onlineauftritt des Deutschlandfunks auch eine Arbeit von Nana Brink, die das „Voranschreiten der Privatisierung des Krieges“ zum Gegenstand hatte. Die Korrespondentin und heutige Moderatorin der Anstalt Deutschlandradio, die am Zentrum für Informationsarbeit der Bundeswehr in Strausberg auch das Medientraining für Generalstabsoffiziere der Bundeswehr begleitet, schreibt in ihrem Beitrag „Söldner in den USA“: „In der Hochphase der Konflikte im Irak und in Afghanistan beschäftigen die Amerikaner dort bis zu 260.000 Zivilisten und private Sicherheitskräfte.“ Und: „Das Söldner-Wesen hat sich in den letzten zehn Jahren komplett geändert. […] Heute ist der Markt globalisiert und in allen Kriegsgebieten präsent.“

Als eines der weltweit größten Sicherheits- und Militärunternehmen gilt die Constellis Holdings, zu der auch Academi (vormals Blackwater) gehört. Ein weiterer Gigant im Söldner-Business ist die US-Firma DynCorp International. Dazu Brink: „In 70 Jahren hat DynCorp International einen mächtigen Sicherheitsapparat aufgebaut. Inklusive schwer bewaffneter, mobiler Einsatzkräfte, wie sie sonst nur in Armeen zu finden sind. Die Zahl ihrer Mitarbeiter ist schwer zu schätzen. Auf Nachfrage nennt die Firma rund 15.000 Angestellte, nicht eingerechnet die ,freelancer‘ – Spezialisten, die man ,bei Bedarf‘ einkauft. In der Regel sind das Ex-Militärs. Allein in Afghanistan hat DynCorp International nach eigenen Angaben in den letzten neun Jahren einen Umsatz von 6,7 Milliarden Dollar erzielt. Zu über 90 Prozent steht ein Auftraggeber in den Büchern von DynCorp: Das Verteidigungsministerium der Vereinigten Staaten.“

Rund 5,5 Milliarden US-Dollar für eine Privatarmee

Beide Autoren, Nana Brink und Bernd Musch-Borowska, befassen sich in ihren Beiträgen auch mit Erik Prince, einem ehemaligen Angehörigen der United States Navy Seals. Prince hatte 1997 gemeinsam mit Geschäftspartnern das Sicherheitsunternehmen Blackwater gegründet.

Seit Monaten versucht Prince, vor allem politische Entscheidungsträger in den USA davon zu überzeugen, dass der unpopuläre Militäreinsatz in Afghanistan durch eine private Söldner-Truppe übernommen werden könnte. In einem Interview mit Stephen Sackur im September vergangenen Jahres in der Sendung BBC HARDtalk erklärte Prince: „Damit könnte man den Krieg beenden und die konventionellen Truppen nach Hause holen. Damit würde man viel Geld sparen und den Verlust vieler Soldaten vermeiden. Vorbild könnte die frühere East-India-Company sein, die auch einen Sicherheitsapparat hatte, bestehend aus lokalen Soldaten und ausländischen Unterstützern, die aber langfristig in Afghanistan bleiben. Denn das Problem heute ist der Mangel an Kontinuität. Wir würden Veteranen der US-Spezialkräfte einsetzen, die schon dort waren und die Gegend kennen. Wir würden sie dafür bezahlen, dass sie dauerhaft bei ihrer Einheit, an einem bestimmten Ort bleiben. 90 Tage im Einsatz, 30 Tage zuhause und dann wieder zurück und das über Jahre. Dann hat man Kontinuität.“

Den Plänen von Eric Prince zufolge würden rund 6000 private Sicherheitsleute ausreichen, um die Aufgabe effektiv zu erfüllen, darunter 2000 „Special Forces“. Die „Mentoren“, wie er sie nennt, wären jedoch fest eingebettet in die afghanischen Streitkräfte, sodass das Oberkommando bei der Regierung in Kabul bliebe.

Die Kosten für eine solche Privatarmee bezifferte Prince auf rund 5,5 Milliarden US-Dollar. Davon 3,5 Milliarden für allgemeines Personal, Ausrüstung und Unterkunft und zwei Milliarden für die Spezialkräfte. Wie hatte Thomas Speckmann doch die privaten Kriegswirtschaftler genannt: Schmarotzer des Krieges!


Zu unserer Bildsequenz:
1. Symbolfoto „Blackwater-Ausbilder“.
(Bild: amk)

2. und 3. Der Blackwater-Gründer Erik Prince am 18. September 2018 im Studio der BBC mit dem Journalisten Stephen Sackur (links).
(Videostandbilder: Quelle BBC-Sendung BBC HARDtalk)

Kleines Beitragsbild: Ein Team des damaligen US-Sicherheitsunternehmens Blackwater im Mai 2015 in Afghanistan.
(Bild: David Doyle/Wikipedia/unter Lizenz CC BY-SA 4.0 – vollständiger Lizenztext:
https://creativecommons.org/licenses/by-sa/4.0/)


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