Stuttgart/Wiesbaden/Lviv (Ukraine). Am Samstag vor einer Woche, am 28. September, endete in der Heeresakademie „Hetman Petro Sahajdatschny“ in Yavoriv im ukrainischen Lviv mit einem feierlichen Schlussappell die diesjährige multinationale Übung „Rapid Trident 2019“. Bei „Rapid Trident“ – auf Deutsch „Schneller Dreizack“ – handelt es sich um eine Übungsserie im Geiste der NATO-Initiative „Partnerschaft für den Frieden“ (Partnership for Peace, PfP), die die Ukraine seit 2006 alljährlich in enger Kooperation mit den USA und unter Einbindung weiterer Länder durchführt. Die Bundeswehr entsandt auch diesmal wieder Fachpersonal, allerdings nur für die Beobachtung des Manövers sowie für Leitungs- und Auswertefunktionen.
Initiator der Serie und mitverantwortlich für die Durchführung von „Rapid Trident 19“ ist das in Stuttgart-Vaihingen beheimatete US-Oberkommando in Europa (United States European Command, USEUCOM) beziehungsweise der dem Kommando unterstellte Großverband U.S. Army Europe/Seventh Army (USAREUR; Hauptquartier in Wiesbaden-Erbenheim). Der Übungsschwerpunkt lag diesmal auf einem intensiven Training ukrainischer Truppenteile. Damit sollte die voranschreitende Modernisierung der Streitkräfte der Ukraine und deren Anpassung an NATO-Standards unterstützt werden.
An der Übung in der Westukraine, die im Zeitraum 13. bis 28. September stattfand, beteiligten sich Soldaten und Sicherheitskräfte aus folgenden Ländern: Bulgarien, Dänemark, Deutschland, Georgien, Großbritannien, Italien, Kanada, Litauen, Moldawien, Polen, Rumänien, Türkei und USA.
Der Gastgeber Ukraine nahm am Manöver teil mit einer Gebirgssturmbrigade des Heeres und mit Angehörigen der trinationalen LITPOLUKR-Brigade (Litauisch-Polnisch-Ukrainische Brigade; offizielle Indienststellung des Verbandes war am 25. Januar 2016 im polnischen Lublin). Hinzu kamen auf ukrainischer Seite Einheiten der Nationalgarde und der Nationalpolizei plus Beamte des Grenzdienstes und anderer staatlicher Behörden.
Nach Angaben der U.S. Army Europe beteiligten sich insgesamt rund 3700 Männer und Frauen an „Rapid Trident 19“, darunter etwa 380 amerikanische Militärangehörige.
„Rapid Trident 19“ nutzte auch diesmal wieder für die verschiedenen Übungsteile den rund 390 Quadratkilometer umfassenden Truppenübungsplatz Yavoriv. Das Militärareal liegt knapp 60 Kilometer nordöstlich von Lviv, die polnische Grenze ist etwa 15 Kilometer entfernt.
Die österreichische Fachzeitschrift Truppendienst berichtete am 1. Oktober ausführlich über „die größte jährliche Truppenübung in Osteuropa“ (mit westlicher Beteiligung). In dem Beitrag heißt es unter anderem: „Die Übungen reichten von simulierten Offensiven in den ukrainischen Wäldern über Flussüberquerungen unter simuliertem Beschuss bis hin zu urbanen Szenarien, simulierten Geiselsituationen, der Inspektion von Wasseraufbereitungsanlagen, der Dekontamination von Militärfahrzeugen oder der medizinischer Ausbildung.“
Während der zwei Manöverwochen führten die US- und NATO-Kräfte vor allem intensive Simulationsgefechte mit den Ukrainern durch. Bei einem der schwierigsten Übungsteile gaben Soldaten der 101. US-Luftlandedivision ukrainischen Amphibienfahrzeugen bei der Überquerung eines „heftig umkämpften“ Flusses Feuerschutz.
Über einen weiteren Höhepunkt von „Rapid Trident 2019“ schreibt die Truppendienst-Redaktion: „Das Abschlussszenario bildete die erste gemeinsame Kampf-Demonstration der USA und der Ukraine, an der verschiedene Fahrzeuge und Kampfgruppen beteiligt waren. Im unwegsamen Gelände kamen dabei ukrainische Schützenpanzer vom Typ BMP-1 und hochmobile US-Mehrradfahrzeuge zum Einsatz, die den Ukrainern mit ihren M2- und M240B-Maschinengewehren erfolgreich Feuerdeckung gaben.“
Im September 2015 hatten die Wissenschaftlichen Dienste des Deutschen Bundestages Stellung bezogen „Zur Frage der Vereinbarkeit von Aktivitäten der NATO in der Ukraine mit den im Zwei-Plus-Vier-Vertrag gegenüber der Sowjetunion eingegangenen Verpflichtungen“. Werfen wir noch einmal einen Blick in das Schriftstück …
Die Verfasser der Analyse weisen ausdrücklich darauf hin, dass die Militärübungen „Rapid Trident“ – obwohl im Geiste des NATO-Programms „Partnership for Peace“ durchgeführt – keine NATO-Aktivitäten, sondern Übungen des Europäischen Heereskommandos der Vereinigten Staaten (USAREUR) sind. „Rapid Trident“ – so die Dienste – sei Bestandteil des gemeinsamen Ausbildungs- und Übungsprogramms (Joint Training and Exercise Program) des USAREUR. Zielsetzung dieses Programms sei die Stärkung der Interoperabilität der US-Streitkräfte mit denen von Verbündeten und Partnerstaaten.
Die Analyse beschreibt „Rapid Trident“ außerdem als Vorbereitung aller „Teilnehmer darauf, erfolgreich in einem gemeinsamen, multinationalen Umfeld Friedenseinsätze durchzuführen“ und erinnert daran, dass die ukrainischen Streitkräfte seit geraumer Zeit bereits in internationale Missionen eingebunden sind.
Die Experten kommen zu dem Ergebnis: „Die Maßnahmen der NATO zur Unterstützung der ukrainischen Streitkräfte beim Aufbau militärischer Fähigkeiten dürften unter Berücksichtigung des Umfangs und Art der beteiligten Kräfte sowie der jeweiligen Zielsetzung der Maßnahmen – selbst aus Sicht der Russischen Föderation (als Rechtsnachfolger der Sowjetunion) – weder ihre Sicherheitsinteressen berühren noch in irgendeiner Art und Weise eine Androhung von Gewalt darstellen. Denn die Maßnahmen der NATO zur Unterstützung der ukrainischen Streitkräfte, zu denen keine Waffenlieferungen zählen, sollen ausschließlich die Interoperabilität der ukrainischen Streitkräfte und nicht ihre Angriffsfähigkeit erhöhen.“
Das abschließende Urteil im September 2015 lautete: „[Es lässt] sich feststellen, dass sich die Aktivitäten der NATO in der Ukraine mit den im Zwei-plus-Vier-Vertrag niedergelegten Grundsätzen zum Umgang der Vertragspartner miteinander vereinbaren lassen. Obwohl selbst kein Vertragspartner des Zwei-plus-Vier-Vertrags, bewegt sich die NATO mit ihren Maßnahmen im Rahmen der im Zwei-plus-Vier-Vertrag hervorgehobenen Leitprinzipien der Helsinki-Schlussakte. Auch ist ihr eine vorsätzliche grobe Verletzung der Sicherheitsinteressen der Russischen Föderation nicht zu unterstellen.“
Geht es bei „Rapid Trident“ auch noch um etwas anderes? Die Militärzeitung Stars and Stripes sprach in Yavoriv mit Oberstleutnant Jeffrey Corella, Stellvertretender Kommandeur der 115. Regionalen Unterstützungsgruppe der Landstreitkräfte-Komponente der Kalifornischen Nationalgarde, der California Army National Guard (sie hatte ebenfalls Personal für das Manöver in der Ukraine gestellt).
Bei „Rapid Trident“ gehe es auch darum, so der Offizier, „voneinander zu lernen und schließlich auch Freundschaften und Beziehungen aufzubauen“. Vor allem aber sei man darum bemüht, den ukrainischen Streitkräften dabei zu helfen, westliche Militärstandards zu erreichen und NATO-Richtlinien zu folgen. Nationalgardist Corella brachte es schließlich im Gespräch mit Stars and Stripes auf den Punkt: „Vielleicht kann das Land so in Zukunft Mitglied der NATO werden.“ Moskau wird mit dieser Antwort keinesfalls einverstanden sein (siehe auch hier).
Zu unserem Bildmaterial:
1. Ukrainische Spezialkräfte üben das Erstürmen und die Sicherung eines Gebäudekomplexes. Die Aufnahme entstand am 20. September 2019 auf dem Gelände des Truppenübungsplatzes von Yavoriv.
(Foto: Joanna Gaona Gomez/5th Mobile Public Affairs Detachment/U.S. Army)
2. Rettung Verletzter während eines Anti-Terror-Einsatzes durch ukrainische Sicherheitskräfte. Auch dieses Szenario vom 18. September 2019 war Teil des Gesamtdrehbuchs von „Rapid Trident 19“.
(Foto: Lynn Chui/2nd Brigade Combat Team/101st Airborne Division/U.S. Army)
3. Soldat des ukrainischen Heeres am 20. September 2019 kurz vor der Besetzung eines Hauses gemeinsam mit anderen Kräften.
(Foto: Joanna Gaona Gomez/5th Mobile Public Affairs Detachment/U.S. Army)
4. Militärgelände von Yavoriv, 19. September 2019 – zwei Bundeswehroffiziere beobachten das Übungsgeschehen bei „Rapid Trident“.
(Foto: Caleb Minor/5th Mobile Public Affairs Detachment/U.S. Army)