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Rostock/Hamburg. Durch die Nordsee und den Englischen Kanal, auch Ärmelkanal genannt, verlaufen immens wichtige Seewege. Europas größte Häfen liegen an der Nordsee: im niederländischen Rotterdam wurden im vergangenen Jahr rund 14,5 Millionen Zwanzig-Fuß-Standardcontainer umgeschlagen, im belgischen Antwerpen waren es 11 Millionen Container, in Hamburg 9 und in Bremerhaven 5,5 Millionen. Diese vier Handelsplätze des Kontinents sind von großer strategischer Bedeutung – im Frieden wie in Krise und Krieg. Die Expertenrunde der NATO, die sich mit diesem neuralgischen Seegebiet befasst, ist bis heute das Channel Committee – kurz CHANCOM. Dieses Konsultationsgremium der fünf Marinechefs aus Belgien, Deutschland, Frankreich, Großbritannien und den Niederlanden besteht seit mehr als 60 Jahren. Italien, Portugal und Spanien haben mittlerweile Beobachterstatus.

Der Vorsitz von CHANCOM wechselt jährlich. Dabei kommen die Mitglieder des Gremiums zum Meinungs- und Gedankenaustausch zusammen. Das letzte Treffen hatte im November 2018 in Antwerpen stattgefunden. Dort hatte Vizeadmiral Andreas Krause, der Inspekteur unserer Marine, den aktuellen CHANCOM-Vorsitz übernommen. Dieses Jahr sehen sich die Verbündeten an der Elbe – die Tagung findet am 6. und 7. November in Hamburg statt.

Landes- und Bündnisverteidigung wieder im Fokus der NATO-Staaten

Das NATO-Admiralsgremium für Nordsee und Englischen Kanal will sich nun neu aufstellen, denn die strategische Bedeutung dieser Region hat enorm zugenommen. Dazu Vizeadmiral Krause: „In weiser Voraussicht haben wir CHANCOM nach Ende des Kalten Krieges beibehalten.“ Heute erhalte CHANCOM wieder größeres Gewicht, so der Inspekteur weiter, denn Nordsee und Ärmelkanal hätten wegen der Rückbesinnung auf die Landes- und Bündnisverteidigung wieder an strategischem Gewicht gewonnen. Als Tor zur Ostsee!

Diese geostrategische Entwicklung hat mittlerweile die Nordflanke der NATO bis nach Polen und ins Baltikum verlängert. Hier liegt jetzt einer der Schwerpunkte der Verteidigung, der bis über den Atlantik zurückreicht. Über die Nordflanke der Allianz werden im Verteidigungsfall Truppen- und Materialtransporte auch durch die deutsche Marine eskortiert, um die alliierten Streitkräfte in Europa zu versorgen und zu verstärken.

Einmal eines der drei wichtigsten Hauptquartiere der Allianz gewesen

Den Seeweg zu Europas größten Häfen durch Nordsee und Kanal zu schützen, war in Zeiten das Kalten Krieges Aufgabe eines der drei wichtigsten Hauptquartiere der NATO, des Allied Command Channel. 1952 aufgestellt, umfasste sein Verantwortungsbereich die südliche Nordsee und den Ärmelkanal. Der Seeweg zwischen Frankreich und Großbritannien (und bis nach Antwerpen, Rotterdam und Bremerhaven) war immer schon die wesentliche Route für Verstärkung aus den USA für die westeuropäischen Verbündeten. Dieser Seeweg ist bis heute die schlagende Pulsader von Europas Handel mit der Welt.

Das Allied Command Channel lag in Northwood bei London. Eng verzahnt mit den britischen, französischen, belgischen, niederländischen und westdeutschen Seestreitkräften in der Region standen ihm Seefernaufklärer, Jagdbomber und Minenabwehrboote direkt zur Verfügung. Die damalige Bundesmarine stellte jedes Jahr eines ihrer Minensuchboote für den NATO-Marineverband Standing Naval Force Channel (STANAVFORCHAN) ab.

Deutsche Beteiligung am Ständigen Minenabwehrverband 1 der NATO

Nach dem Ende der Block-Konfrontation löste sich der Warschauer Pakt 1991 auf, und in der Folge auch das 1994 das Allied Command Channel der NATO. Was blieb, war das Beratungsgremium CHANCOM – und die enge Kooperation der verbündeten Flotten.

Nach der Auflösung des Hauptquartiers in Northwood entsandte die deutsche Marine auch weiterhin regelmäßig ein Minenjagdboot oder ein Versorgungsschiff zum Ständigen NATO-Minenabwehrverband 1 (Standing NATO Mine Countermeasures Group 1, SNMCMG 1), Nachfolger der STANAVFORCHAN des Kalten Krieges.

Vor der Straße von Dover lernen deutsche Minenjäger ihr Handwerk beim sogenannten „Mine countermeasures vessels Operational Sea Training“ (MOST) der belgischen und niederländischen Marine. Vor der englischen Kanalküste trainieren deutsche Fregatten, Korvetten und Einsatzgruppenversorger im „German Operational Sea Training“ der Royal Navy.


Zu unserem Bildmaterial:
1. Die Straße von Dover (roter Kreis in unserer Grafik), die Meerenge zwischen Großbritannien und Kontinentaleuropa, wird täglich von mehr als 400 Schiffen (symbolisiert durch einen Punkt) befahren.
(Bild: GLOBAÏA | Planetary Awareness through Science and Art;
Infografik © Christian Dewitz/mediakompakt 10.19)

2. Treffen des Channel Committee der NATO, kurz CHANCOM, im November 2018 in der belgischen Hafenstadt Antwerpen.
(Foto: Belgische Marine)

Kleines Beitragsbild: Nordsee und Englischer Kanal haben wegen der Rückbesinnung auf die Landes- und Bündnisverteidigung wieder an strategischer Bedeutung gewonnen. Das Satellitenfoto der US-Raumfahrtbehörde NASA vom 10. Dezember 2002 zeigt den Kanal mit seiner engsten Stelle, der Straße von Dover (auch Straße von Calais genannt). Die Straße von Dover ist mit 31 bis 40 Kilometer die schmalste Stelle des Ärmelkanals, der das Nordsee-Randmeer mit dem Mittelatlantik verbindet. Trotz häufigen Nebels und eines Tidenhubs von durchschnittlich sieben Metern ist es die die am meisten befahrene Meeresstraße der Welt.
(Foto: NASA/Wikipedia/Wikimedia Commons/Public Domain –
vollständiger Lizenztext: https://en.wikipedia.org/wiki/Public_domain)


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