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Berlin/Kiel. Das jahrelange Schrumpfen ist vorbei! Wenn auch noch in der Planung, so wird die deutsche Marine über die nächsten zehn Jahre doch jedes Jahr mindestens ein schwimmendes oder fliegendes Waffensystem für die Flotte erhalten. Ein ganz besonderes Beschaffungsprojekt dabei ist sicher das Mehrzweckkampfschiff 180 (MKS 180). Der Inspekteur der Marine, Vizeadmiral Andreas Krause, sagte über das MKS 180 vor Kurzem in einem Interview: „[Es ist] ein Schiff, das mit einem einzigartigen Fähigkeitsspektrum ausgestattet sein wird, das es so in der Marine bis dato nicht gibt.“

Beschafft werden sollen zunächst vier MKS 180. Im Januar äußerte sich die Bundesregierung zu den Kosten. Thomas Silberhorn, Parlamentarischer Staatssekretär bei der Bundesministerin der Verteidigung, teilte in einer Antwort auf eine Kleine Anfrage der Bundestagsfraktion der Linken mit: „Die Beschaffung von vier Mehrzweckkampfschiffen 180 ist im Bundeshaushalt mit insgesamt 5270 Millionen Euro berücksichtigt.“ Im Haushalt 2018 waren die Gesamtkosten laut Verteidigungsministerium für die vier Schiffe noch mit 4232 Millionen Euro (4,2 Milliarden Euro) ausgewiesen worden.

Um den Großauftrag der Bundeswehr bemühen sich – nachdem bereits andere Mitbewerber aus dem Bieterwettbewerb ausgeschieden sind – jetzt nur noch die German Naval Yards Kiel (GNYK) in Kooperation mit ThyssenKrupp Marine Systems (TKMS) als Unterauftragnehmer sowie das niederländische Unternehmen Damen Shipyards Group in Partnerschaft mit Blohm+Voss.

Jörg Herwig, seit April 2018 GNYK-Geschäftsführer, befasst sich in seinem heutigen Gastbeitrag für das bundeswehr-journal mit dem zentralen Beschaffungsvorhaben der Bundeswehr „MKS 180“ und äußert sich dabei auch zur industriepolitischen Bedeutung dieses Leuchtturmprojekts.


Jörg Herwig, German Naval Yards Kiel GmbH: Die Ukrainekrise war bereits ein Vorbote – mit dem Konflikt zwischen den USA und Russland um den INF-Vertrag steht Europa womöglich am Beginn eines neuen Kalten Krieges. Die Zeit, in der wir uns hierzulande im „ewigen“ Frieden wähnten, ist längst vorbei. Die weltweit angespannte Sicherheitslage zwingt die Europäische Union zu einer schnellen sicherheitspolitischen Kehrtwende.

Denn die EU ist zweifellos auch ein Sicherheitsbündnis: Deutschland kommt neben Frankreich und Großbritannien, gerade auch nach einem Brexit, eine Schlüsselrolle zu. Die Armeen in Europa erweisen sich gegenwärtig jedoch als nicht schlagkräftig genug, um den sicherheitspolitischen Herausforderungen gerecht zu werden.

Beispiel „Bundeswehr“: Heer, Luftwaffe und Marine fehlt es an Gerät und Personal, um den Verpflichtungen der Landes- und Bündnisverteidigung nachzukommen. Die Lage ist ernst, denn zur vollen Einsatzbereitschaft unserer Streitkräfte fehlt viel, wie der Wehrbeauftragte jüngst festgestellt hat. Dabei wäre die Bundesregierung derzeit in der Lage, viele Beschaffungsprojekte zu finanzieren. Und Deutschland könnte mit gutem Beispiel in Europa vorangehen.

Im aktuellen „Weißbuch“ hat das Verteidigungsministerium der deutschen Marine eine besondere Rolle zuerkannt. Dazu gehören verschiedene Aufgaben der Landes- und Bündnisverteidigung, aber auch die Sicherung der Handelswege etwa bei Fällen der Piraterie. Schließlich werden etwa 90 Prozent des Welthandels über den Schiffsverkehr abgewickelt. Mit anderen Worten: Deutschland hat eine Verantwortung auch auf den Meeren. Und hier rückt ein zentrales Beschaffungsprojekt der Bundeswehr in den Blickpunkt.

Der Trend bei Rüstungsvorhaben geht klar auf die Beschaffung von militärischen Gesamtsystemen. Und ein solches ist das Mehrzweckkampfschiff 180 (MKS 180). Dieses Schiff wird in der Lage sein, sowohl Ziele in der Luft als auch über und unter Wasser zu bekämpfen. Auch bei Landeinsätzen sollen es, wenn möglich, Unterstützung leisten. Ganz konkret soll das MKS 180 etwa gegen die potenzielle Bedrohung durch ausländische Ubootflotten und Luftwaffen vorgehen können.

Unsere Marine braucht ein solches Schiff aufgrund der aktuellen Sicherheitslage dringender denn je. Sie muss mit den europäischen Partnern sowie den NATO-Mitgliedsstaaten auf Augenhöhe zusammenarbeiten können.

Aber auch für die deutschen Unternehmen hat dieses Projekt immense Bedeutung: Denn an der Vergabe der MKS 180 entscheidet sich nicht weniger als die Frage, ob die deutsche Marineindustrie langfristig Technologieführer im Überwasserschiffbau bleiben kann. Der große Erneuerungsbedarf der Marine bietet die einmalige Chance, die hiesige Industrie technologisch weiterzuentwickeln.


Hintergrund                           

Jörg Herwig, geboren 1967 in Kiel, ist seit April 2018 Geschäftsführer und CEO der German Naval Yards Kiel GmbH. Nach Studium der Luft- und Raumfahrttechnik begann er seine berufliche Karriere 1993 bei den Nordseewerken in Emden, bis zum Jahr 2010 ein Tochterunternehmen des Essener ThyssenKrupp-Konzerns im Konzernbereich ThyssenKrupp Marine Systems (TKMS).
Bei TKMS war Herwig bis 1998 als verantwortlicher Ingenieur für Über- und Unterwasser-Marineprojekte tätig. Von 1998 bis 2004 war er verantwortlicher Projekt-Manager in der Angebots- und Abwicklungsphase des Programms „Korvette K130“ für die deutsche Marine. Von 2004 bis 2005 war er Campaign-Manager für das Uboot-Programm der portugiesischen Marine. 2007 wurde er Direktor für den Vertrieb und Key Account für den deutschen Auftraggeber.
Von 2013 bis April 2018 gehörte Jörg Herwig der erweiterten TKMS-Geschäftsführung an und zeichnete verantwortlich für alle Projekte im Marine-Überwasserschiffbau.


Das Porträtbild zeigt den Autor unseres Gastbeitrages und Geschäftsführer des Unternehmens German Naval Yards Kiel, Jörg Herwig.
(Foto: GNYK)

Kleines Beitragsbild: Symboldarstellung „Zeitungen“ aus dem Bildangebot von Pixabay.
(Foto: kalhh/freie kommerzielle Nutzung, kein Bildnachweis erforderlich; grafische Bearbeitung mediakompakt)


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