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Brüssel. Am gestrigen Mittwoch (16. Oktober) verabschiedete NATO-Generalsekretär Jens Stoltenberg im Hauptquartier der Allianz in Brüssel seine Stellvertreterin Rose Gottemoeller. Die US-Diplomatin hatte das Amt im Oktober 2016 von ihrem Landsmann Alexander Vershbow übernommen, nachdem sie fast fünf Jahre lang als Unterstaatssekretärin für Rüstungskontrolle und Internationale Sicherheit im US-Außenministerium tätig gewesen war. Gottemoeller ist die erste Frau in der 70-jährigen Geschichte der NATO, die das Amt des Stellvertretenden Generalsekretärs innehatte. Ihr Nachfolger ist nun der frühere rumänische Außenminister Mircea Geoană, der zuletzt als Präsident das nationale Aspen Institut in Bukarest geleitet hat.

An der Verabschiedung von Rose Gottemoeller durch NATO-Chef Stoltenberg nahmen auch die im Nordatlantikrat tätigen Botschafter aller Bündnisstaaten teil. Die Ständigen Vertreter würdigten die dreijährige Arbeit der Amerikanerin mit langanhaltendem Applaus. Vor allem hatte Gottemoeller die Politik der NATO gegenüber Russland entscheidend mitgestaltet und dabei ihr enormes Wissen über Moskau und die Rüstungskontrolle einbringen können. Ein weiterer Arbeitsschwerpunkt der Stellvertreterin war es, die Bemühungen der NATO-Staaten im Kampf gegen den Terrorismus zu koordinieren. Schließlich war Gottemoeller auch verantwortlich für den Umzug der rund 4000 Mitarbeiter der Organisation in das neue Hauptquartier der Allianz, einem der größten Architekturprojekte in Europa seit Jahren.

Stoltenberg bezeichnete die amerikanische Diplomatin als „ein Eckpfeiler unserer Stärke während der vergangenen drei Jahre“. Weiter sagte der Norweger: „Als Expertin für Rüstungskontrolle und Abrüstung hatte Rose Gottemoeller eine Schlüsselrolle bei der Stärkung der Verteidigung und Abschreckung der NATO, der Modernisierung unseres Bündnisses sowie bei der Stärkung des Profils von Frauen im Bereich ,Frieden und Sicherheit‘ übernommen. Wir werden sie alle vermissen.“

Fließend Russisch sprechende amerikanische Spitzendiplomatin

Durch die berufliche Vita Gottemoellers zieht sich wie der berühmte rote Faden eine Affinität zu Russland. Nach ihren Hochschulabschlüssen an der Georgetown University und an der George Washington University, beide in Washington D.C., lehrte sie beispielsweise an der Georgetown-Universität zunächst sowjetische Militärpolitik, bevor sie Anfang der 1990er-Jahre als „Direktorin für Russland, Ukraine und Eurasien“ in den Nationalen Sicherheitsrat im Weißen Haus (Regierung Clinton) berufen wurde. Dort begleitete sie die atomare Abrüstung Russlands, der Ukraine, Kasachstans und Weißrusslands nach dem Zerfall der Sowjetunion verantwortlich.

Die fließend Russisch sprechende Spitzendiplomatin, die in den Jahren 2006 bis 2008 auch die Moskauer Außenstelle der Carnegie-Stiftung für Internationalen Frieden geleitet hatte, war später in verschiedenen Abrüstungsgremien federführend vertreten. Dabei hat sie unter anderem den im Februar 2011 in Kraft getretenen „New START“-Vertrag mit Russland zur Reduzierung strategischer Waffen maßgeblich mit ausgehandelt.

Die Nominierung der damaligen Staatssekretärin für Waffenkontrolle und Internationale Sicherheit im US-Außenministerium für den Posten als Stellvertreterin des NATO-Generalsekretärs durch US-Präsident Barack Obama im März 2016 hatte übrigens auch für die ein oder andere massive Verstimmung gesorgt. So hatten die Republikaner der Diplomatin vorgeworfen, gegenüber Moskau eine „zu weiche Linie“ zu vertreten. Die Bundesregierung war von der Personalie „Gottemoeller“ ebenfalls nicht begeistert: wie der SPIEGEL und andere Medien damals berichteten, hätte Berlin Martin Erdmann, ein intimer Kenner des Bündnisses und zu jenem Zeitpunkt deutscher Botschafter in der Türkei, gerne an der Seite Stoltenbergs gesehen. Erdmann hatte zuvor bereits 15 Jahre in der NATO-Zentrale in Brüssel gearbeitet, unter anderem als Ständiger Vertreter Deutschlands.

Generalsekretär Stoltenbergs Argumentation für Rose Gottemoeller als seine Stellvertreterin: sie bringe langjährige Erfahrungen in der internationalen Sicherheitspolitik mit und sei eine Russland-Expertin – darüber hinaus sei es ein Meilenstein für die NATO, dass erstmals eine Frau den Posten des Stellvertreters des Generalsekretärs besetze. Aber das alles ist inzwischen ja erfolgreiche Bündnis-Geschichte.

Erstmals Vize-Generalsekretär aus einem Land des früheren Ostblocks

Ein neues Kapitel mitgestalten soll nun Gottemoellers Nachfolger Mircea Geoană. Der Rumäne ist der erste Stellvertretende Generalsekretär der Allianz, der aus einem osteuropäischen NATO-Mitgliedsland kommt.

Mircea Geoană wurde am 14. Juli 1958 in Bukarest geboren. Sein Vater war beim Militär. Von 1972 an besuchte Geoană in der rumänischen Hauptstadt Bukarest das Lyzeum Sf. Sava und anschließend das Polytechnische Institut. Ab 1987 folgte ein Jurastudium an der Universität Bukarest, später dann an der École Nationale d’Administration (Nationale Hochschule für Verwaltung) in Paris. 1992 schloss Geoană seine Studien an der Akademie für Ökonomie in Bukarest mit dem internationalen Doktorgrad des Ph.D. ab und absolvierte 1996 noch ein Programm der Weltbank an der Harvard Business School.

1990, kurz nach dem Sturz des kommunistischen Ceaușescu-Regimes, trat Mircea Geoană in den Auswärtigen Dienst seines Landes ein. Er avancierte zum Direktor der „Abteilung für europäische Angelegenheiten“ und wurde Sprecher des Ministeriums. In dieser Eigenschaft war er Vorsitzender der rumänischen Delegation für die Konferenz über Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (KSZE).

Im Jahr 1996 wurde Geoană als jüngster Botschafter Rumäniens in die USA entsandt und war dort bis 2000 tätig. Im Dezember 2000 wurde der Rumäne Außenminister seines Landes und führte in dieser Funktion 2001 den Vorsitz der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (Organisation for Security and Co-operation in Europe, OSCE).

In den Jahre 2004 bis 2014 engagierte sich der neue Stellvertreter des NATO-Generalsekretärs in seiner Heimat vor allem politisch in der Sozialdemokratischen Partei Rumäniens (Partidul Social Democrat, PSD). Im März 2015 gründete Geoană schließlich seine eigene Soziale Partei Rumäniens (Partidul Social Românesc, PSRO), mit der er an den Kommunalwahlen 2016 teilnahm. Die PSRO erhielt dabei mehr als 99.000 Stimmen (1,2 Prozent Stimmanteil) und belegt damit am Ende den neunten Platz unter den zur Wahl angetretenen Parteien und Bündnissen. Im Dezember 2017 fassten die PSRO von Mircea Geoană bei einem Delegiertenkongress dann den Beschluss zur Auflösung der Partidul Social Românesc.


Zu unserer Bildsequenz:
1. Am 16. Oktober 2019 verabschiedete NATO-Generalsekretär Jens Stoltenberg im Hauptquartier der Allianz im Kreise aller NATO-Botschafter des Nordatlantikrates Rose Gottemoeller. Die US-Diplomatin war seit Oktober 2016 Stellvertreterin Stoltenbergs.
(Foto: NATO)

2. Langanhaltender Beifall für die scheidende Stellvertreterin des NATO-Generalsekretärs. Die Aufnahme zeigt Rose Gottemoeller (Bildmitte) mit ihrem Ehemann Raymond Arnaudo, einem pensionierten Diplomaten.
(Foto: NATO)

3. Rose Gottemoeller mit ihrem Nachfolger, dem Rumänen Mircea Geoană.
(Foto: NATO)

Kleines Beitragsbild: Rose Gottemoeller und Jens Stoltenberg am letzten Arbeitstag der Amerikanerin in Brüssel.
(Foto: NATO)


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