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Berlin/Wilhelmshaven/Koblenz. Die Affäre um das Segelschulschiff „Gorch Fock“ der deutschen Marine weitet sich aus. Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen will offenbar das für die Schiffssanierung zuständige Marinearsenal in Wilhelmshaven auflösen. Das berichtete am vergangenen Donnerstag (28. März) unter anderem das ARD-Hauptstadtstudio. Aus den internen Unterlagen, die der ARD vorlägen, werde deutlich: die Koordinierung und das Management von Instandhaltungsaufgaben soll aus dem Marinearsenal abgezogen und in das Bundesamt für Ausrüstung, Informationstechnik und Nutzung der Bundeswehr (BAAINBw) nach Koblenz verlagert werden.

Beim Marinearsenal in Wilhelmshaven arbeiten derzeit knapp 1200 Personen. Außenstellen gibt es in Kiel, Rostock und Wolgast. Die Einrichtung hilft bei der Instandsetzung von Schiffen der deutschen Marine und plant beispielsweise Werftaufenthalte. Techniker der Bundeswehr-Dienststelle nehmen zudem Arbeiten vor Ort vor.

Auch bei der Instandsetzung der „Gorch Fock“, deren Kosten mittlerweile förmlich explodiert sind, war das Marinearsenal eingebunden. Ursprünglich waren für das Projekt rund zehn Millionen Euro eingeplant, dann wurde auf 75 Millionen Euro erhöht, inzwischen wird mit 135 Millionen Euro für die Sanierung der Dreimastbark gerechnet.

Nach Informationen des RedaktionsNetzwerks Deutschland (RND) der Madsack-Mediengruppe sollen von der Neuordnung rund 300 Management-Stellen in Wilhelmshaven betroffen sein.

Vorlagen an die Ministerin führten nicht alle Alternativen auf

Am 22. März hatte der Bundesrechnungshof seinen Abschlussbericht „Gorch Fock“ an den Deutschen Bundestag und die beiden Ministerien für Verteidigung und Finanzen übermittelt. In dem mehr als 50 Seiten starken Papier verweist die Behörde auf etliche Umstände, die zu dem immensen Kostenanstieg geführt hätten. So wird kritisiert, dass Reparaturarbeiten, die in der Vergangenheit an dem Schulschiff durchgeführt worden seien, nur „ungenügend dokumentiert“ worden sind. Damit habe die für die Planung einer neuen Instandsetzung notwendige Basis gefehlt, rügt der Bundesrechnungshof. Zudem habe die Bundeswehr bereits mit den Arbeiten an der „Gorch Fock“ begonnen, ehe überhaupt alle bestehenden Mängel an dem Schiff erfasst wurden.

Der Bundesrechnungshof äußert in seinem Abschlussbericht auch deutliche Kritik am Marinearsenal. Die Einrichtung war beteiligt an der Erstellung einer sogenannten Leitungsvorlage für Verteidigungsministerin von der Leyen. Die Rechnungsprüfer monieren, dass die Ministerin nach einem Baustopp für die „Gorch Fock“ zwar zwei Mal Vorlagen erhielt, um eine Entscheidung über die weitere Reparatur treffen zu können, beide Male seien ihr dabei jedoch „nicht alle Alternativen“ genannt worden.

SPD und Bundeswehr-Verband fordern Stärkung des Marinearsenals

Zu dem Vorhaben, nun das Wilhelmshavener Marineamt aufzulösen, sagte die SPD-Bundestagsabgeordnete Siemtje Möller: „Es wäre eine Art gerupftes Marinearsenal oder ein Rumpf-Marinearsenal, das zu einer reinen Reparaturwerkstatt verkommen wäre. Das ist aus Wilhelmshavener Sicht überhaupt nicht akzeptabel und auch nicht zielführend.“ Zielführend wäre eine Dezentralisierung, sagt Möller gegenüber der ARD, also eine Verlagerung der Instandsetzungseinheiten zu den Schiffen. Denn weil sich das Beschaffungsamt BAAINBw in Koblenz befinde, hätten verantwortliche Personen weite Wege an die Küste zu den Schiffen. Möller, die Mitglied des Verteidigungsausschusses des Bundestags ist, fordert eine Stärkung des Marinearsenals – also auch mehr Stellen.

Warum das Verteidigungsministerium plant, Planung und Management zum Beschaffungsamt zu verlegen, ist auch dem Deutschen Bundeswehr-Verband (DBwV) unklar. Das nütze niemandem, sagt Marko Thiele, Vorsitzender Marine im Bundesvorstand der Interessenvertretung. Der DBwV fordert ebenfalls eine Stärkung des Marinearsenals. Thiele sagte der ARD: „Wir haben jetzt schon die absurde Situation, dass Minensucher aus Kiel oder Korvetten aus Rostock ,mal so eben‘ für eine kleine Instandsetzung nach Wilhelmshaven fahren dürfen.“

Derzeit sitzt – so berichtet es das ARD-Hauptstadtstudio – eine Fachgruppe an der Überarbeitung der Vorschrift „Instandhaltung von Marineprodukten“. Im April soll es konkrete Ergebnisse geben.


Unser Luftbild zeigt Wilhelmshaven mit dem Arsenalhafen. Die Aufnahme wurde am 28. Mai 2012 gemacht.
(Foto: Martina Nolte /Wikipedia/unter Lizenz CC BY-SA 3.0 de – vollständiger Lizenztext:
https://creativecommons.org/licenses/by-sa/3.0/de/deed.en)

Kleines Beitragsbild: Heckansicht des Segelschulschiffs „Gorch Fock“.
(Foto: nr)


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