Berlin. Die gute Nachricht kam am heutigen Samstagnachmittag (17. August) aus Berlin in Form einer gemeinsamen Presseerklärung: Ab dem 1. Januar 2020 können aktive Soldaten (und ja – natürlich auch Soldatinnen) in Uniform alle Züge der Deutschen Bahn im Fern- und Regionalverkehr für dienstliche und private Fahrten kostenfrei nutzen. Darauf haben sich nun das Verteidigungsministerium, das Bundesverkehrsministerium, das Bundesinnenministerium und die Deutsche Bahn geeinigt. Die Bahn wird für den Deal jährlich einen Pauschalbetrag erhalten, der regelmäßig evaluiert werden soll.
Angestoßen worden war die Initiative „Gratis-Tickets für Bundeswehrsoldaten“ von der CSU (wir berichteten). Dazu hatten in den vergangenen Monaten auf Einladung von Alexander Dobrindt, Vorsitzender der CSU-Landesgruppe im Deutschen Bundestag, mehrere Gespräche mit den Verteidigungsministerinnen Ursula von der Leyen und Annegret Kramp-Karrenbauer stattgefunden. Daran beteiligt waren auch Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer, Bundesinnenminister Horst Seehofer und der Vorstandsvorsitzende der Deutschen Bahn AG, Richard Lutz.
Es hatte außerdem in Berlin etliche Treffen von Vertretern der beteiligten Ressorts und der Bahn auf Expertenebene gegeben, um Details rund um das Buchungsverfahren für die Bundeswehrangehörigen auszuhandeln.
Die Verhandlungen vor allem zwischen dem Verteidigungsministerium und der Deutschen Bahn hatten Anfang des Jahres begonnen. Im Sommer gerieten die Gespräche ins Stocken. Vor wenigen Tagen, am 11. August, berichteten Matthias Gebauer und Gerald Traufetter für SPIEGEL ONLINE darüber, dass das Projekt auf der Kippe stehen könnte. Die Bahn versuche, strenge Limitierungen durchzusetzen. Die beiden SPIEGEL-Redakteure hatten herausgefunden: „Hauptknackpunkt sind die Buchungskonditionen für die Bundeswehr. So will die Bahn Soldaten nur in nicht besonders ausgelasteten Zügen transportieren, für die sie normalen Kunden die stark rabattierten Sparpreis-Tickets anbietet. Außerdem müsste ein eigenes Bundeswehr-Buchungssystem programmiert werden, was Jahre dauern und noch mal 26 Millionen Euro kosten würde.“
Große Differenzen zwischen Bahn und Verteidigungsministerium auch bei den Vorstellungen hinsichtlich der Kosten für die Freifahrten. Während das Ministerium laut SPIEGEL wohl von einem Jahresbudget in Höhe von knapp 20 Millionen Euro ausging, soll die Bahn für geschätzte 400.000 bis 800.000 Soldaten-Tickets jährlich rund 38 Millionen Euro hochgerechnet haben.
Die Deutsche Bahn schreckte das Wehrressort schließlich auch noch mit dem Hinweis, die Soldaten könnten nach einer Einigung nur Fernverkehrszüge wie den ICE nutzen, jedoch keine Regionalverbindungen. Diese Züge – die sogenannten „roten Züge“ – würden oft durch private Dienstleister oder von regionalen Tarifverbünden bedient, die das Projekt aber grundsätzlich ablehnten.
Nach dem Bericht des SPIEGEL äußerten sowohl Regierungsvertreter als auch Oppositionspolitiker großes Unverständnis über den sich zunehmend verhärtenden Streit zwischen Bahn und Bundeswehr. Oberstleutnant André Wüstner, Bundesvorsitzender des Deutschen Bundeswehr-Verbandes, pochte auf eine unbürokratische Lösung für die geplanten Freifahrten. „Der Soldat muss frei wählen können, wie und wann er reist“, forderte er und warnte: „In der Bundeswehr gibt es einige, die Sorge haben, dass die Verwaltung daraus wieder ein neues Bürokratiemonster macht.“
Auch die Medien befassten sich mit dem Vorhaben, das Verteidigungsministerin Kramp-Karrenbauer gleich nach ihrem Amtsantritt zur Chefsache erklärt hatte. In Erinnerung dabei wird sicherlich der moralische Appell des Straubinger Tagblatts vom 12. August bleiben, in dem es hieß: „Nein, liebe Bahn, so geht das nicht. Früher war es doch auch möglich, dass das Heer der Wehrdienstleistenden mit seinem Truppenausweis gratis mitfahren durfte. Ohne eigenes Buchungssystem. Mit gutem Willen muss es möglich sein, eine pragmatische Lösung zu finden und auch private Dienstleister und regionale Tarifverbünde ins Boot zu holen. Verkehrsminister Andreas Scheuer sollte seiner Kabinettskollegin Schützenhilfe geben. Denn scheitert das Projekt, werden Soldaten das abermals als Ohrfeige empfinden: Ihr Leben am Hindukusch und in Mali riskieren, Sandsäcke schleppen und Waldbrände bekämpfen dürfen sie, doch sonst sollen sie möglichst unsichtbar sein. Das ist nicht fair.“
Ähnlich wird zu diesem Zeitpunkt vermutlich auch Angela Merkel gedacht haben. Am 12. August erklärte jedenfalls Regierungssprecher Steffen Seibert in der Berliner Regierungspressekonferenz: „Ich will […] sagen, dass die Bundeskanzlerin diese Initiative, Soldatinnen und Soldaten in Uniform kostenlos Bahn fahren zu lassen, ausdrücklich begrüßt und unterstützt. Das sind Menschen, die tagtäglich einen Dienst für uns alle leisten, und mit dieser kostenlosen Bahnfahrt gibt es eine Möglichkeit – es sollte nicht die einzige sein –, Anerkennung und Dankbarkeit dafür zu zeigen.“
Nun denn – die Weichen sind gestellt, die Signale stehen auf Grün! Ab dem 1. Januar 2020 können aktive Soldaten in Uniform alle Fernzüge der Deutschen Bahn AG sowie alle regionalen Verkehrsmittel der Tochter DB Regio AG für dienstliche und private Fahrten kostenfrei nutzen. Die Vereinbarung gilt in allen Zügen der Deutschen Bahn in der zweiten Wagenklasse. Ein Übergang in die erste Wagenklasse und eine Sitzplatzreservierung können kostenpflichtig hinzugebucht werden.
Die Bundeswehrangehörigen können über ein eigenes Buchungsportal ihre gewünschten Zugverbindungen frei wählen und mit einer digitalen Zugangsberechtigung ein Ticket lösen.
Die Fahrtberechtigung besteht für aktive Soldaten in Uniform in Verbindung mit dem Truppenausweis, einem seitens der Bundeswehr ausgegebenen Legitimationsdokument sowie der kostenlos gebuchten Fahrkarte.
Die Deutsche Bahn erhält von der Bundeswehr eine pauschale Vergütung. Regelmäßig wird eine Evaluierung des Pauschalbetrages erfolgen. Über die Pauschalvergütung sagte Ministerin Kramp-Karrenbauer am heutigen Samstag anlässlich des „Tages der offenen Tür“ im Verteidigungsministerium in Berlin, man gehe „von einem Betrag aus, der voraussichtlich vier Millionen Euro über dem bisherigen Pauschalbetrag liegen wird“.
Unmittelbar nach der Einigung mit der Deutschen Bahn hatte Kramp-Karrenbauer geäußert: „Unsere Soldatinnen und Soldaten stehen jeden Tag weltweit mit Leib und Leben für unser Land ein. Ob hier zu Hause wenn sie bei Bränden, Schneechaos oder Überflutungen unterstützen oder in hochgefährlichen Einsätzen [im Ausland]. Sie verdienen unseren Respekt und unseren Dank. Dass sie hier zu Hause ab dem 1. Januar 2020 in Uniform kostenlos mit der Deutsche Bahn werden fahren können, ist ein handfester Ausdruck dessen. Das haben unsere Frauen und Männer verdient!“
Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer sprach nach dem Durchbruch von einem „Herzensanliegen“. Mit den kostenlosen Bahnfahrten erkenne die Bundesregierung die besondere Leistung „unserer Truppe für unser Land“ an.
Der Vorsitzende der CSU-Landesgruppe im Bundestag, Alexander Dobrindt, sprach davon, dass die Uniformträger der Bundeswehr in die Mitte der Gesellschaft gehörten. Die kostenlosen Bahnfahrten seien zum einen „eine wichtige Wertschätzung für unsere Truppe“, zum anderen ein starker Beitrag „für die Sichtbarkeit unserer Soldatinnen und Soldaten.“
Bahn-Vorstandsvorsitzender Richard Lutz erklärte: Mit der Einigung „bekommen Soldaten in Uniform eine größere Sichtbarkeit in der Öffentlichkeit“. Er betonte, dass die Bahn stets an einem Verhandlungserfolg interessiert gewesen sei. Jedoch hätte man in den letzten Wochen „einige logistische und technische Details“ klären „und aus dem Weg räumen“ müssen.
Der ausgehandelte Deal betrifft zunächst nur die Züge der Deutschen Bahn im Fernverkehr sowie das regionale Verkehrsnetz (Schiene und Bus), auf der die DB Regio AG für den Personennahverkehr der Deutschen Bahn in Deutschland zuständig ist.
Die Einigung gilt (momentan) nicht für private Bahnbetreiber. Sie kritisieren die ausgehandelten Konditionen heftig. Christian Schreyer, Präsident von mofair, dem 2005 in Berlin gegründeten Verband der Wettbewerbsbahnen im Schienenpersonenverkehr, fordert: „Es gibt nur eine sinnvolle Lösung – Züge aller Bahnen müssen für die Bundeswehrangehörigen freigeben werden, und dafür muss ein angemessener Ausgleich bezahlt werden, der fair auf alle Bahnunternehmen im Personenverkehr aufgeteilt wird.“ Nur so werde der Wettbewerb im Eisenbahnbereich nicht weiter verzerrt.
Der Präsident des Interessenverbandes schlägt vor, das Angebot für alle Eisenbahnen des Personenverkehrs zu öffnen. „Die Ausgleichsmittel sollten über die gemeinsamen Gremien der Eisenbahnen – TBNE (Anm.: Tarifverband der Bundeseigenen und Nichtbundeseigenen Eisenbahnen in Deutschland) beziehungsweise künftig die Deutschland-Tarif GmbH – verteilt werden“, so Schreyer. Ähnliche Modelle gebe es bereits, etwa bei der kostenfreien Beförderung von Schwerbehinderten und deren Begleitpersonen oder im Schülerverkehr. Sie könnten grundsätzlich auf die Beförderung von Soldaten angewendet werden. „Dies ist wettbewerblich unbedenklich“, argumentierte der Präsident von mofair. Er gab abschließend zu bedenken, dass viele Bundeswehrstandorte in Regionen angesiedelt seien, die nur von Wettbewerbsbahnen bedient würden.
Zum Bildmaterial unseres Beitrages:
Das Symbolbild aus dem Jahr 2014 zeigt einen ICE im Berliner Hauptbahnhof, in den Seitenscheiben spiegeln sich Reisende.
(Foto: Oliver Lang/Deutsche Bahn AG)
Kleines Beitragsbild: ICE im Sommer 2019 auf der Fahrt von Berlin nach Wien, hier bei der Einfahrt in den Bahnhof Berlin Südkreuz.
(Foto: Volker Emersleben/Deutsche Bahn AG)