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Hamburg. Der ehemalige Hamburger Innensenator Michael Neumann hat offenbar seinen Doktortitel verloren. Die Helmut-Schmidt-Universität/Universität der Bundeswehr Hamburg, an der Neumann im Jahr 2017 zum Doktor der Politikwissenschaften promoviert worden war, soll dem SPD-Politiker den Titel aberkannt. Das will das Politikmagazin „Panorama 3“ des Norddeutschen Rundfunks (NDR) eigenen Angaben vom heutigen Donnerstag (6. Juni) zufolge „aus internen Kreisen“ erfahren haben. Eine offizielle Bestätigung für die Aberkennung war von der Bundeswehr-Universität laut NDR nicht zu erhalten. Die Hochschule bleibe bei ihrer Position, „keine Stellungnahme abzugeben“, so ein Sprecher auf Anfrage.

Bereits im Juli vergangenen Jahres hatte „Panorama 3“ enthüllt, dass Neumann seine Doktorarbeit in Teilen abgeschrieben und Quellen seines Textes falsch angegeben haben könnte. In dem öffentlich zugänglichen PDF-Dokument der Promotionsarbeit lässt sich etwa nachvollziehen, dass er einige Passagen aus dem Internet – etwa dem Onlinelexikon Wikipedia – kopiert hat, ohne die Quellen zu kennzeichnen.

Juraprofessor Gerhard Dannemann von der Berliner Humboldt-Universität, Mitgründer der Plattform vroniplag.de, hatte damals auf Anfrage von „Panorama 3“ die Arbeit Neumanns geprüft und Dutzende Plagiate festgestellt. Der Service „VroniPlag“ ist auf das Aufspüren von Plagiaten in angeblich wissenschaftlichen Arbeiten spezialisiert. Bei dem Verfasser scheine es sich um jemanden zu handeln, „der sich gern bei fremden Texten bedient“, meinte Dannemann zu der untersuchten Doktorarbeit des SPD-Politikers.

„VroniPlag“ hatte schon Manipulationen in den Dissertationen von Karl-Theodor zu Guttenberg (CSU), Silvana Koch-Mehrin (FDP), Annette Schavan (CDU) oder Matthias Christoph Pröfrock (CDU) nachgewiesen.

Umfänglich aus zwei anderen Doktorarbeiten abgeschrieben?

Ähnliche Erkenntnisse hat nun offenbar ein Prüfungsausschuss der Helmut-Schmidt-Universität gewonnen. Wie der NDR berichtet, sollen die Befunde der hauseigenen Prüfer sogar deutlich über die ursprünglichen Verdachtsmomente hinausgehen. Demnach soll Neumann umfänglich aus zwei anderen Doktorarbeiten abgeschrieben haben, ohne seine Quellen anzugeben.

Nach den NDR-Recherchen hatte der damalige Präsident der Bundeswehr-Universität nach Aufkommen der ersten Verdachtsmomente der eigentlich zuständigen sozialwissenschaftlichen Fakultät den Fall entzogen und das Gremium zur Überprüfung wissenschaftlichen Fehlverhaltens unter der Leitung der Juraprofessorin Margarete Schuler-Harms mit der Prüfung betraut. Dieses Gremium war auch nach Monaten zu keiner Entscheidung gelangt.

Schließlich scheint sich dann doch – so der NDR weiter – wieder die zuständige Fakultät für Wirtschafts- und Sozialwissenschaften mit Neumanns Arbeit befasst zu haben. Dort sei man nun offenbar zu dem Ergebnis gekommen, dass der Doktortitel abzuerkennen sei.

Wissenschaftlicher Mitarbeiter im Range eines Bundesbeamten

Michael Neumann war von 2011 bis 2016 Hamburger Senator für Inneres und Sport. Damit war er unter anderem oberster Dienstherr von Polizei und Verfassungsschutz.

Nach seinem überraschenden Rücktritt am 18. Januar 2016 strebte Neumann, der auch den militärischen Rang eines Oberstleutnants der Reserve hat und 2016 mit dem Ehrenkreuz der Bundeswehr in Gold ausgezeichnet worden war, eine Karriere an der Helmut-Schmidt-Universität/Universität der Bundeswehr Hamburg an. Er legte eine 274-seitige politikwissenschaftliche Doktorarbeit mit dem Titel „Länderneugliederung im deutschen Föderalismus am Beispiel des Nordstaates“ vor und wurde im Juni 2017 zum „Dr. rer. pol.“ promoviert.

Der NDR beklagt: „Obwohl Neumann als Plagiator aufgeflogen ist, beschäftigt ihn die Bundeswehr-Universität weiterhin als wissenschaftlichen Mitarbeiter im Range eines Bundesbeamten.“ Dazu zitiert der Sender auch aus einer Antwort des Bundesministeriums der Verteidigung auf eine Anfrage der Parlamentarierin Christine Buchholz (Die Linke).

Die Bundestagsabgeordnete hatte unter wissen wollen: „Trifft es nach Kenntnis der Bundesregierung zu, dass Dr. Michael Neumann von der Helmut-Schmidt-Universität/Universität der Bundeswehr Hamburg einen Forschungsauftrag in den USA erhalten hat, den die Universität auch nach Bekanntwerden der Plagiatsvorwürfe (am 20. Juli 2018) nicht zurückgezogen hat, und welche Kenntnis hat die Bundesregierung in dem Zusammenhang über den Sachstand des anhängigen Prüf- beziehungsweise Promotionsaberkennungsverfahrens an der Helmut-Schmidt-Universität/Universität der Bundeswehr Hamburg?“

Am 28. Februar dieses Jahres nun hatte der Parlamentarische Staatssekretär bei der Bundesministerin der Verteidigung Peter Tauber geantwortet: „Doktor Neumann wurde im Januar 2019 mit der Bearbeitung eines Forschungsprojektes beauftragt. Das Forschungsprojekt ist auf einen diplomierten Politikwissenschaftler zugeschnitten, eine Promotion ist nicht zwingend erforderlich. Zu etwaigen Prüfverfahren in Promotionsangelegenheiten können aufgrund der Hochschulautonomie und darüber hinaus aus Gründen des Schutzes von Persönlichkeitsrechten keine weiteren Angaben gemacht werden.“


Zu unserem Bildmaterial:
1. Der damalige Hamburger Innensenator Michael Neumann bei seinem Rücktritt am 18. Januar 2016 – Statement vor Pressevertretern.
(Videostandbild: Beitrag von abendblatt.tv im Videoportal YouTube)

2. Juraprofessor Gerhard Dannemann von der Berliner Humboldt-Universität im Gespräch mit dem NDR über die Doktorarbeit Neumanns.
(Videostandbild: NDR-Beitrag)

Kleines Beitragsbild: Deckblatt der 274-seitigen Doktorarbeit Neumanns.
(Videostandbild: NDR-Beitrag)


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