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Berlin/Stetten am kalten Markt. Am 1. Januar 2016 hat die Bundeswehr mit der Einführung einer Arbeitszeitverordnung für ihre Soldaten eine Richtlinie der Europäischen Union in nationales Recht umgesetzt und den Weg freigemacht für zeitgemäße Arbeitszeitmodelle im Grundbetrieb der Streitkräfte. Die Verordnung dient vor allem dem Gesundheitsschutz und der Sicherheit des Militärpersonals in den Teilstreitkräften und Organisationsbereichen. Die Soldatenarbeitszeitverordnung – kurz SAZV – nimmt zur Sicherung der Einsatzbereitschaft der Bundeswehr bestimmte Tätigkeiten vom Geltungsbereich aus.

Im Regelfall dürfen Soldaten seit Einführung der SAZV nur noch 41 Stunden pro Woche arbeiten. Außerhalb vom täglichen Grundbetrieb ist die Verordnung nicht anwendbar bei:
Einsätzen und einsatzgleichen Verpflichtungen;
Amtshilfe bei Naturkatastrophen oder besonders schweren Unglücksfällen und im Rahmen dringender Eilhilfe, humanitärer Hilfsdienste und Hilfeleistungen;
mehrtägigen Seefahrten;
Alarmierungen und Zusammenziehungen sowie Ausbildungen zur Vorbereitung von Einsätzen und einsatzgleichen Verpflichtungen und Fällen von Amtshilfe sowie
Übungs- und Ausbildungsvorhaben, bei denen Einsatzbedingungen simuliert werden.

Mehrarbeit muss mit Freizeit ausgeglichen werden, nicht mehr mit Geld. Vor Umsetzung der neuen Regelungen waren bei der Bundeswehr im Schnitt 48,2 Arbeitsstunden geleistet worden, bei Heer und Marine sogar mehr als 50 Stunden.

Bereits rund zwei Monate nach Einführung der SAZV hatte die Bundestagsfraktion von Bündnis 90/Die Grünen bei der Bundesregierung eine Kleine Anfrage zur Neuregelung der Arbeitszeit bei der Truppe gestellt. Dabei hatten sich die Abgeordneten unter anderem für die Entwicklung der technischen Geräte und der Software zur Arbeitszeiterfassung bei der Bundeswehr interessiert.

Alles begann mit einer Übergangslösung aus IT-Eigenmitteln

Wie der Antwort der Bundesregierung vom 24. März 2016 zu entnehmen ist, war zum damaligen Zeit eine Ausschreibung für die Entwicklung technischer Geräte und von Software zur Arbeitszeiterfassung noch nicht erfolgt. Die Arbeitszeiterfassung in Dienststellen, die nach Dienstplan arbeiteten, erfolgte zu Beginn des Jahres 2016 laut Regierung „zunächst mit einer mit Eigenmitteln bereitgestellten Übergangslösung“.

Zum 1. Januar 2016 verfügten nach Regierungsauskunft etwa 30 Prozent der Bundeswehr-Dienststellen bereits über eine automatisierte Zeiterfassung. Dies waren Dienststellen, die grundsätzlich personalratsfähig waren und bei denen Soldaten an Dienstvereinbarungen von Beamten beteiligt waren.

Als begleitende Maßnahme zur Einführung der SAZV wurde zum 1. Januar 2016 für die restlichen rund 70 Prozent der Dienststellen zunächst eine auf den in der Bundeswehr vorhandenen Rechnern nutzbare IT-Unterstützung für die automatisierte Arbeitszeiterfassung in einer ersten Ausbaustufe mit Minimalumfang bereitgestellt. Diese Übergangslösung war durch eine bundeswehreigene Programmiereinrichtung, das Systemzentrum 25 der Luftwaffe (Erndtebrück), erstellt worden und wurde damals in etwa 2000 militärischen Dienststellen genutzt.

Heute bucht die Bundeswehr ihre Arbeitszeiten vorwiegend mit Systemen des süddeutschen Unternehmens Primion Technology GmbH. Das Unternehmen, das seinen Firmensitz in Stetten am kalten Markt hat, ist eine einhundertprozentige Tochter der spanischen Azkoyen-Gruppe.

Moderne Hardware und maßgeschneiderte Software

Primion liefert der Bundeswehr zur Erfassung und Kontrolle der regulären Arbeitszeit von 41 Stunden pro Woche die Software und die Hardware. Im aktuellen Projekt wurden gerade 103 Standorte ausgerüstet. Mittlerweile läuft die Arbeitszeiterfassung mit Primion in insgesamt 150 Standorten. Nach Auskunft des Unternehmens, das Hard- und Software für die Zugangskontrolle und Zeiterfassung sowie Systeme für umfassendes Gefahrenmanagement entwickelt, produziert und installiert, beläuft sich das „gesamte Projektvolumen aktuell auf derzeit rund 2,5 Millionen Euro“.

Vor Einführung der minutengenauen Arbeitszeiterfassung infolge der neuen Verordnung vom 1. Januar 2016 mussten intern immer wieder zentrale Fragen zum Umgang mit Mehrarbeit, zu angehäuften Überstunden oder zu möglichen Gleitzeitregelungen gestellt und beantwortet werden. Und es musste auch definiert werden, wann bestehende Regelung keine Gültigkeit mehr besaßen – etwa bei Übungen, Auslandseinsätzen, Einsätzen im Rahmen der Amts- und Katastrophenhilfe oder gar im Rahmen der Landesverteidigung.

Übertragung der Daten an das bundeswehreigene Personalwirtschaftssystem

Heute erfassen die Soldaten im Grundbetrieb ihre Arbeitszeit entweder an einem Zeiterfassungsterminal mittels codiertem Ausweis (dem elektronischer Dienst- und Truppenausweis, eDTA) oder direkt an ihrem PC in der Software „prime WebTime“.

In der Applikation mussten zunächst die besonderen Gegebenheiten der SAZV berücksichtigt und individuell eingerichtet werden – beispielsweise die Verlängerung der Datenaufbewahrungsfrist, die Anpassung der Verrechnung von speziellen Fehlzeiten, spezifische Rechenregeln für die Unterscheidung von Gleitzeit und Mehrarbeit oder auch die Anpassung der Pausenregelung bei Dienst zu wechselnden Zeiten.

Wenn nun die wöchentlich definierte Arbeitszeit von 41 Stunden überschritten wird, erhält ein zuvor festgelegter Personenkreis automatisch per E-Mail eine entsprechende Benachrichtigung. Dasselbe gilt, wenn die Ruhezeiten verletzt werden. Bereits bei der Buchung wird außerdem automatisch geprüft, ob die Ruhezeit seit der letzten „Gehen-Buchung“ am Vortag eingehalten wurde.

Die Auswertung der so erfassten Daten wird automatisch an das bundeswehreigene Personalwirtschaftssystem übertragen. Die Soldaten können ihre so erfassten Daten jederzeit selbst einsehen.

Codierter Ausweis gilt für Zeiterfassung und auch Zutrittskontrolle

Neben den Systemen für die Zeiterfassung hat Primion auch Komponenten für die Zutrittskontrolle installiert, um Gebäude und Geländebereiche vor unberechtigtem Zugang zu schützen.

Für die Zutrittskontroll-Leser und Tür-Zylinder werden in der Software „prime WebAccess“ Zutrittsrechte für zuvor definierte Personen oder Personenkreise vergeben. Manipulationsversuche werden umgehend gemeldet, verlorene Ausweise können jederzeit gesperrt sowie neue Ausweise vergeben werden.

Offline Tür-Zylinder dienen der Zutrittskontrolle in einzelne Räume, die vom Sicherheitslevel eher niedriger eingestuft wurden. Die Zutrittskontroll-Leser werden in der Regel für Bereiche installiert, die ein hohes Sicherheitslevel haben oder wenn es gilt, große Areale abzusichern, für die strengere Vorschriften gelten. Auch hier werden die Buchungen im System dokumentiert und können für Auswertungen jederzeit aufgerufen werden.

Die codierten Ausweise (eDTA) der Bundeswehrangehörigen werden sowohl für die Zeiterfassung als auch für die Zutrittskontrolle genutzt.


Das Symbolbild „Zeiterfassung mit Primion“ wurde am 30. Juni 2016 in einer Bundeswehrdienststelle in Berlin gemacht.
(Foto: Jonas Weber/Bundeswehr)


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