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Berlin/Ramstein/Münster. Die Ramstein Air Base, ein Militärflugplatz der U.S. Air Force südöstlich von Ramstein-Miesenbach und rund zehn Kilometer westlich von Kaiserslautern gelegen, ist die personell größte Einrichtung der US-Luftwaffe außerhalb der Vereinigten Staaten. Die Amerikaner nutzen den Stützpunkt hauptsächlich als europäische Drehscheibe für Fracht- und Truppentransporte sowie als Ziel von Evakuierungsflügen (in der Nähe von Kaiserslautern befindet sich das Landstuhl Regional Medical Center). Seit 2011 steuert die Flugleitzentrale auf dem Stützpunkt Ramstein auch Kampfdrohnen-Angriffe der U.S. Air Force vor allem in Afrika. Dies berichtete Ende Mai 2013 die Süddeutsche Zeitung unter Berufung auf gemeinsame Recherchen mit der ARD-Sendung „Panorama“. Nach einem Urteil des Oberverwaltungsgerichts Münster zur Drohnen-Thematik vom 19. März dieses Jahres ist nun die Bundesregierung im Hinblick auf die von Ramstein aus gesteuerten Drohnenaktivitäten der Amerikaner in einer Mitverantwortung.

Nach den Erkenntnissen von ARD und Süddeutsche aus dem Jahr 2013 hält der Drohnen-Pilot in den USA über eine spezielle Satellitenanlage, die offenbar inzwischen dauerhaft installiert worden ist, Kontakt zur Kampfdrohne am afrikanischen Einsatzort und lenkt sie in den Zielbereich. In der Flugleitzentrale, die im Oktober 2011 unter der Bezeichnung „Air and Space Operations Center“ (AOC) eröffnet worden ist, sollen den Recherchen zufolge „bis zu 650 Mitarbeiter den afrikanischen Luftraum überwachen, Drohnen- und Satellitenbilder auswerten und Einsätze planen“. Die Verantwortung für alle militärischen Operationen in Afrika liege – so damals das US-Militär gegenüber ARD und Süddeutsche – beim United States Africa Command (AFRICOM) in Stuttgart.

Im Beitrag „US-Streitkräfte steuern Drohnen von Deutschland aus“ zitierte das Autorenteam der Süddeutschen Zeitung – Christian Fuchs, John Goetz und Hans Leyendecker – am 30. Mai 2013 auch den deutschen Völkerrechtler Thilo Marauhn. Seiner Meinung nach „wirft die offenkundige Einbettung Deutschlands in ein geheimes Drohnenprogramm juristische Fragen auf“. Marauhn sagte damals den Autoren: „Die Tötung eines Tatverdächtigen mithilfe einer bewaffneten Drohne außerhalb eines bewaffneten Konflikts“ könne, wenn die Bundesregierung davon wisse und nicht protestiere, die „Beteiligung an einem völkerrechtlichen Delikt sein“.

Fuchs, Goetz und Leyendecker fragten 2013 auch bei der Bundesregierung nach. Diese versicherte damals, sie habe „keine Erkenntnisse“, dass Drohnenangriffe von US-Streitkräften in Deutschland geplant oder durchgeführt würden. „Auch aus verfassungsrechtlicher Sicht“ gelte der Grundsatz, „dass von deutschem Staatsgebiet aus keine völkerrechtswidrigen militärischen Einsätze ausgehen dürfen“. Auch hierfür habe „die Bundesregierung keine Anhaltspunkte“.

Durch geeignete Maßnahmen den bestehenden Zweifeln nachgehen

Mittlerweile ist die Bundesregierung schlauer. Dazu beigetragen haben sicherlich auch die Klagen dreier jemenitischer Staatsbürger. Diese machten – zunächst in den USA und später dann in Deutschland – geltend, bei einem Drohnenangriff im Jahr 2012 in der Provinz Hadramaut nahe Angehörige verloren zu haben. Eine gegen die USA gerichtete Klage wurde im Februar 2016 von einem Gericht in Columbia abgewiesen. Wegen der wesentlichen Bedeutung der in Deutschland gelegenen Air Base Ramstein für fortdauernde amerikanische Drohneneinsätze auch in ihrer Heimat verklagten die Jemeniten schließlich die Bundesrepublik darauf, eine Nutzung der Air Base für derartige Einsätze durch geeignete Maßnahmen zu unterbinden.

Am 19. März 2019 nun entschied das Oberverwaltungsgericht Münster, Deutschland müsse sich „durch geeignete Maßnahmen“ vergewissern und nachforschen, ob Amerika bei seinen Drohneneinsätzen im Jemen unter Nutzung seines Militärstützpunktes im pfälzischen Ramstein das Völkerrecht wahre. Die bisherige Annahme der Bundesregierung, so der Vorsitzende Richter Wolf Sarnighausen, es bestünden keine Anhaltspunkte für Verstöße der USA bei ihren Aktivitäten in Deutschland gegen deutsches Recht oder Völkerrecht, beruhe auf einer unzureichenden Tatsachenermittlung und sei rechtlich letztlich nicht tragfähig. Die Bundesregierung sei deshalb verpflichtet, durch ihr geeignet erscheinende Maßnahmen den bestehenden Zweifeln nachzugehen.

Sarnighausen führte zudem aus, es gebe „offenkundige tatsächliche Anhaltspunkte“ dafür, dass die USA unter Verwendung technischer Einrichtungen aus der Air Base Ramstein bewaffnete Drohneneinsätze im Jemen durchführten, die „zumindest teilweise gegen Völkerrecht verstoßen“.

Zwar scheiterten die Kläger mit ihrer zentralen Forderung, die Bundesrepublik müsse den Vereinigten Staaten die Nutzung Ramsteins für Drohneneinsätze untersagen. Sollten sich bei aktiven Nachforschungen jedoch Rechtsverletzungen zeigen, müsse die Bundesregierung gegenüber den Amerikanern auf die Einhaltung des Völkerrechts „hinwirken“, so das Urteil.

Das Oberverwaltungsgericht Münster ließ „angesichts der großen Bedeutung und auch der politischen Dimension des Falles“ Revision beim Bundesverwaltungsgericht zu.

Den intensiven Dialog mit den USA zu Fragen des Drohneneinsatzes fortsetzen

Wie nun steht es um die praktische Umsetzung der Münsteraner Entscheidung? Die Parlamentarier Christine Buchholz, Heike Hänsel, Kathrin Vogler und weitere Abgeordnete der Bundestagsfraktion Die Linke wandten sich einige Zeit nach dem Urteil mit elf Fragen zum Themenkomplex „Verantwortung der Bundesregierung für die Einhaltung des Völkerrechts im
US-amerikanischen Drohnenkrieg im Jemen“ an das Auswärtige Amt.

Das Auswärtige Amt antwortete am 23. Mai namens der Bundesregierung. Aus dem Schreiben auf die Kleine Anfrage der Linken geht hervor, dass die Regierung „den intensiven Dialog mit den USA zu Fragen des Drohneneinsatzes und der Rolle des Luftwaffenstützpunkts Ramstein fortsetzt“. Weiter heißt es – sibyllinisch: „Die Bundesregierung bringt im Rahmen des Dialogs mit den USA regelmäßig die Forderung zum Ausdruck, dass sich die US-Streitkräfte in Deutschland gemäß ihrer Verpflichtungen aus dem NATO-Truppenstatut, insbesondere Artikel II, verhalten und in Deutschland geltendes Recht, einschließlich des relevanten Völkerrechts, achten. Die US-Seite bestätigt regelmäßig, sich der Erfüllung dieser Forderung verpflichtet zu sehen.“

Die Regierung verwies in ihrer Antwort auch darauf, dass das Urteil des Oberverwaltungsgerichts Münster noch nicht rechtskräftig sei und man hiergegen am 7. Mai Revision an das Bundesverwaltungsgericht eingelegt habe.


Die Nachtaufnahme vom 6. Juni 2008 zeigt unter anderem zwei Boeing C-17 Globemaster auf dem Rollfeld der Air Base Ramstein.
(Foto: Kenny Holston/U.S. Air Force)

Kleines Beitragsbild: Die Air Base Ramstein aus der Ferne, aufgenommen am 12. Mai 2019.
(Foto: Beowulf Tomek/Wikipedia/Wikimedia Commons/unter Lizenz CC BY-SA 4.0 –
vollständiger Lizenztext: https://creativecommons.org/licenses/by-sa/4.0/)


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