Berlin/Meppen. Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen hatte Aufklärung zugesagt, seit dem 24. Januar ist nun der ministerielle Abschlussbericht der Untersuchungen zum Moorbrand bei Meppen verfügbar. Auf 47 Seiten haben die Autoren zusammengetragen, was im Spätsommer vergangenen Jahres schieflief. „Die Ereignisse und Umstände, die zum Ausmaß des Moorbrandes auf dem Gelände der Wehrtechnischen Dienststelle 91 führten, sind vielschichtig und nicht einem singulären Grund zuzuschreiben“, heißt es in dem Bericht. Und: „Bei der umfassenden Aufarbeitung des Moorbrandes wurden […] Mängel identifiziert, die unter anderem materielle, personelle, organisatorische und Ausbildungsdefizite betreffen.“ Ehe wir uns mit dem Bericht des Wehrressorts näher befassen, noch einmal ein kurzer Rückblick auf die damaligen Ereignisse in Niedersachsen …
Die Wehrtechnische Dienststelle für Waffen und Munition 91 (WTD 91) der Bundeswehr in Meppen hatte in der Zeit vom 28. August bis zum 3. September 2018 zu Zwecken der Erprobung eine sogenannte „Schießkampagne“ durchgeführt, bei der von einem Kampfhubschrauber Tiger an mehreren Tagen 70mm-Raketen abgefeuert worden waren. Das Ministerium erklärte dazu: „Gegenstand dieser Erprobung war eine von der Bundeswehr beauftragte Hard- und Softwaremodifikation am Tiger, mit der unter anderem die Nutzung von 70mm-Raketen von den äußeren Waffenstationen des Hubschraubers ermöglicht werden sollte.“
Bei der „Schießkampagne“ im Emsland war nun am 3. September ein Brand entstanden. Dieser sollte sich an den Folgetagen bis auf eine Fläche von etwa 3000 mal 4000 Meter ausdehnen und erst am 10. Oktober endgültig gelöscht werden. In der Spitzenzeit der Brandbekämpfung waren rund 1700 Einsatzkräfte, davon etwa 500 der Bundeswehr, gleichzeitig vor Ort im Einsatz gewesen.
Wie aus dem Ministeriumsbericht hervorgeht, ist durch den Brand leider „Vegetation großflächig geschädigt“ worden. Erste gesicherte Einschätzungen der Regenerationsfähigkeit des Moores könnten jedoch frühestens im Verlauf der nächsten Vegetationsperiode getroffen werden, so die Prognose.
Zudem ermittele das Umweltbundesamt sowie das Johann Heinrich von Thünen-Institut (vollständige Bezeichnung: Bundesforschungsinstitut für Ländliche Räume, Wald und Fischerei) derzeit die Menge der beim Moorbrand freigesetzten Treibhausgase. Die während des Brandes durchgeführten Schadstoffmessungen hätten ergeben, dass „für Bevölkerung und Einsatzkräfte zu keinem Zeitpunkt eine akute Gesundheitsgefährdung“ bestanden habe, versichert der Bericht.
Die Kosten für die Brandbekämpfung und Schadenersatzzahlungen beziffert das Verteidigungsministerium (mit Stand 15. Januar) auf insgesamt 7,9 Millionen Euro. Darin enthalten sind die Kosten für Amtshilfe in Höhe von rund 1,412 Millionen Euro (Technisches Hilfswerk mit Amtshilfe im Wert von 1,344 Millionen Euro plus fünf weitere kleinere Ausgabeposten).
Die Bundeswehr regulierte außerdem bis jetzt Schäden, die von Privatpersonen und aus der Landwirtschaft gemeldet worden waren. Hier beträgt der Gesamtwert (enthalten ebenfalls in den bereits genannten 7,9 Millionen Euro Gesamtkosten) etwa 336.900 Euro. Wie das Ministerium in seinem Bericht anmerkt, „ist davon auszugehen, dass die Summe der […] zu
leistenden Schadenersatzzahlungen weiter ansteigen wird, vor allem mit Blick auf diejenigen landwirtschaftlichen Schäden, die aktuell noch begutachtet werden“.
292 Personen hätten bisher Schadenersatz-Anträge gestellt, weil Photovoltaikanlagen oder Fenster verschmutzt waren, oder wegen ausbleibender Buchungen bei Ferienwohnungen. Man habe noch nicht alle Anträge bearbeiten können. Hinzu kämen die Kosten für den öffentlich bestellten vereidigten Sachverständigen, der im Auftrag der Bundeswehr die Schäden der Landwirtschaft durch Begutachtung ermittele.
Bereits während des Brandes habe die Bundeswehr – so erklärt das Ministerium – „mit einer umfassenden Aufbereitung und tiefgehenden Analyse der Geschehnisse“ begonnen. Ausgemacht worden seien letztendlich unter anderem Defizite in den Bereichen „Material“, „Organisation“, „Vorbereitung“ und „Ausbildung“ im Hinblick auf Großschadenereignisse, Vorschriftenlage und Meldewesen sowie bei der zivil-militärischen Zusammenarbeit.
Folgenreiche Fehleinschätzungen habe es schließlich „in Bezug auf Stärke und Richtung der wechselnden Winde und eine daraus resultierende ständig variierende Brandausbreitungsrichtung während des Brandgeschehens sowie der besonderen Charakteristika eines Moorbrandes“ gegeben.
Weitere Faktoren, die den verheerenden Verlauf des Meppener Moorbrandes begünstigt hätten, seien der „Ausfall und die Beschädigung von Feuerlöschgerät und nicht ausreichend vorhandenes Ersatzmaterial“ gewesen, so der ministerielle Bericht.
Heftig kritisiert werden von der Führung auch „Art, Umfang und Zeitpunkt der Kommunikation innerhalb der Bundeswehr sowie der externen Kommunikation“. Hier sei „dem Informationsbedürfnis der Öffentlichkeit sowie weiterer beteiligter Behörden und Institutionen nicht ausreichend Rechnung getragen“ worden.
Befasst man sich mit den „Bericht des Bundesministeriums der Verteidigung zum Moorbrand bei Meppen“ eingehender, dann tuen sich – trotz aller überzeugender Selbstkritik – immer noch so manche Fragen auf. Betrachten wir nur einen Punkt des Kapitels „Kommunikation“ näher.
Dort wird behauptet, dass das „haupt- und nebenamtliche Fachpersonal der Presse- und Öffentlichkeitsarbeit […] unter anderem auch in Krisenkommunikation geschult wird“. Schön wäre es, und wichtig wäre es. Aus eigener Anschauung muss der Autor dieses Beitrages, der zahllose Wehrübungstage in leitender Funktion in den Pressezentren von Luftwaffe und Heer verbracht hat, dem jedoch widersprechen. Von einer systematischen Schulung des Bundeswehr-Fachpersonals in Krisenkommunikation kann nicht die Rede sein. Im Gegenteil. Es sind nicht einmal die für den Fall der Fälle dringend angeratenen Pläne für Ausnahmesituationen („contingency plans“) oder Krisenpläne („emergency plans“) vorhanden. Die Themen „Krisenmanagement“ oder „Krisen- und Konfliktbewältigungskonzepte“ spielen im Alltag der Pressezentren der Teilstreitkräfte und Organisationsbereiche – wer will dies angesichts der tagtäglichen zahlreichen Projekte mit dünner Personaldecke auch anders erwarten – eine eher untergeordnete Rolle. Der Ausdruck „Nischenprodukt“ beschreibt den Stellenwert einer Krisenkommunikation in den Streitkräften wohl ganz gut. Vielleicht stellt sich die Situation ja im Presse- und Informationsstab des Verteidigungsministeriums völlig anders dar?
Verwunderlich wäre dann allerdings, dass sich die Presse- und Öffentlichkeitsarbeiter im Ministerium angesichts der bei Meppen anbahnenden Megakrise offensichtlich wegduckten. Der ministerielle Bericht jedenfalls dokumentiert: „Der Presse- und Informationsstab des Bundesministeriums der Verteidigung hat am 14. September 2018 die Federführung für die pressefachliche Betreuung an Presse- und Informationszentrum des Organisationsbereichs Infrastruktur, Umweltschutz und Dienstleistungen (PIZ IUD) übertragen.“
Im Kapitel „Folgerungen, Konsequenzen und weiteres Vorgehen“ rügt die Führung dies unausgesprochen und ordnet für künftige Ereignisse an: „Eine Einbindung des Presse- und Informationsstabes des Bundesministeriums der Verteidigung als koordinierendes Element der Informationsarbeit ist bei besonders außenwirksamen Ereignissen frühzeitig sicherzustellen. Anzeichen für ein besonders außenwirksames Ereignis sind: ungewöhnliche Anzahl medialer Präsenz, überregionale Medienvertreter, virale Meldungen in den sozialen Medien.“
Im Kontext dieser Kritik wird außerdem – man mag es kaum glauben – angekündigt, dass nun auch ein Krisenkommunikationsplan für die Bundeswehr erstellt werden soll. Aufgebaut werden soll dazu „auf den [im Rahmen des Moorbrandes bei Meppen] gemachten Erfahrungen durch die Presse- und Informationszentren des Bundesamtes für Ausrüstung, Informationstechnik und Nutzung der Bundeswehr (BAAINBw) und des Bundesamtes für Infrastruktur, Umweltschutz und Dienstleistungen der Bundeswehr (BAIUDBw) sowie in Anlehnung an den Leitfaden ,Krisenkommunikation‘ des Bundesinnenministeriums“.
Dieser neue Plan soll am Ende als „Grundlage für die Krisenkommunikation“ allen Presse- und Informationszentren der Streitkräfte und Organisationsbereiche der Bundeswehr zur Verfügung gestellt werden. Eine lange überfällige Maßnahme!
Lösen wir zum Schluss den Blick von Details und kehren zurück „zum großen Ganzen“. Aus seiner Analyse hat das Verteidigungsministerium für die Truppe konkrete Maßnahmen abgeleitet. Sie reichen von der Verbesserung der materiellen Ausstattung der WTD 91 und der Bundeswehrfeuerwehr Meppen (einschließlich der Fähigkeiten zur Brandaufklärung mit Drohnen) über zusätzliche Maßnahmen des vorbeugenden und abwehrenden Brandschutzes bis hin zur Überarbeitung von Alarm- und Notfallplänen.
Darüber hinaus sollen das Meldewesen und (wie bereits thematisiert) die Krisenkommunikation „angepasst“ werden. Zudem sollen übergeordnete Regelungen und Konzepte, insbesondere hinsichtlich Schadstoffmessverfahren und der Anforderung von Unterstützungskräften, überarbeitet werden. Durch regelmäßige Notfallübungen und Veränderungen in der Aus- und Fortbildung sollen außerdem „Reaktionsfähigkeit und Handlungssicherheit“ erhöht werden.
Die Wiederaufnahme des Schieß- und Sprengbetriebes bei der WTD 91 soll kontrolliert in fünf Phasen erfolgen. Der genaue Zeitplan hängt nach Auskunft des Ministeriums „vor allem von der Gewährleistung der erforderlichen Maßnahmen des vorbeugenden Brandschutzes“ ab. In der bereits laufenden ersten Phase – seit dem 26. November vergangenen Jahres – würden ausschließlich Labortätigkeiten durchgeführt, heißt es. Zwischen der Bundeswehr und den Umweltbehörden verschiedener Ebenen würden zudem momentan „konkrete Schritte zur Erfassung und Beseitigung der entstandenen Umweltschäden“ abgestimmt.
Heftig Kritik am Abschlussbericht aus dem Hause von der Leyen kommt von der Opposition. Katja Keul, Verteidigungsexpertin der Bundestagsfraktion Bündnis 90/Die Grünen, sagte der Neuen Osnabrücker Zeitung (NOZ), der Bericht lasse „die Frage offen, was eigentlich genau zwischen dem 4. und dem 9. September geschehen ist und weshalb der Brand bis zum 21. September dann gänzlich außer Kontrolle geriet“.
Die Politikerin warnte darüber hinaus: „Dass die Bundeswehr bereits jetzt den Schieß- und Sprengbetrieb wieder aufnimmt, bevor überhaupt alle Umstände des eskalierten Moorbrandes umfassend aufgeklärt wurden, halte ich für unverantwortlich.“
Es sei außerdem „völlig unverständlich, dass bis heute keine Dekontaminierung des Geländes – also eine Sanierung der Altlasten – in Angriff genommen wird, wie es für jeden Eigentümer oder Verursacher in der Bundesrepublik Pflicht ist“. Keul fügte im Gespräch mit der NOZ hinzu: „Es ist bis heute nicht einmal ein Kataster der Munitionsreste erstellt worden, obwohl dies bereits 2008 in Auftrag gegeben wurde.“ Munitionsrückstände seien einer der Hauptgründe nicht nur für die Entstehung von Bränden, sondern vor allem auch für die Schwierigkeit der Löschung dieser Brände.
Unsere Luftbildaufnahme vom September 2018 zeigt die schlimmen Auswirkungen des Moorbrandes auf dem Gelände der Wehrtechnischen Dienststelle 91 im niedersächsischen Meppen. Die WTD 91 ist mit einer Fläche von rund 200 Quadratkilometern der größte instrumentierte Schießplatz Westeuropas.
(Foto: Bundeswehr)
Kleines Beitragsbild: Die Aufnahme vom 18. September 2018 dokumentiert ebenfalls das Ausmaß des Moorbrandes auf dem Bundeswehr-Schießplatz der WTD 91. Der Fotograf erklärt dazu: „Der Torfbrand erzeugte starke Emissionen von penetrant riechendem Qualm, der selbst im fast 80 Kilometer entfernten Sandkrug für Sichtbehinderungen und ungewöhnliche Sonnenuntergänge sorgte.“
(Foto: Jacek Ruzyczka/Wikipedia/unter Lizenz CC BY-SA 4.0 – vollständiger Lizenztext:
https://creativecommons.org/licenses/by-sa/4.0/)