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Mainz/Berlin. In Deutschland sind in den vergangenen zehn Jahren Hunderte Flugzeugteile ziviler und militärischer Maschinen vom Himmel gefallen. Das teilte die Bundesregierung auf Anfrage von Bündnis 90/Die Grünen mit – das neun Seiten starke Papier liegt dem bundeswehr-journal vor. Bislang hat es am Boden keine Unfälle mit schweren oder tödlichen Verletzungen gegeben. In der Regierungsantwort findet sich auch die Auskunft: „An den Zwischenfällen mit Verlust von Luftfahrzeugteilen bei der Bundeswehr hat das Luftfahrzeug Eurofighter mit 100 Fällen den zahlenmäßig höchsten Anteil.“

Sein Fall hatte zur Anfrage an die Bundesregierung geführt: Thomas Weyer aus Mainz-Hechtsheim hatte am 6. Juni einen etwa eineinhalb Meter langen und etwa zwei Kilogramm schweren Gegenstand in seinem Garten gefunden. Die Bundesstelle für Flugunfalluntersuchung bestätigte ihm später, dass es sich bei dem Teil um die Gummidichtung eines Luftfahrzeugs handele. Im Hessischen Rundfunk sagte der Mainzer: „Es war mir klar, wenn so ein Teil einen trifft, kommt es mindestens zu schwersten Verletzungen, wenn nicht sogar zum Tod.“ Auch in diesem Fall ging alles gut.

Die grünen Bundestagsabgeordneten Dieter Janecek, Tabea Rösner und Daniela Wagner wollten nach diesem Vorfall mehr über „Störungen und Unfälle durch herabstürzende Luftfahrzeugteile“ wissen und wandten sich mit einer Kleinen Anfrage, die insgesamt 25 Einzelpunkte umfasste, an die Bundesregierung. Für die Regierung antwortete am 27. Juli das Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur. Die Wahlkreise von Rösner (Mainz) und Wagner (Darmstadt) liegen übrigens in Einflugschneisen des Frankfurter Flughafens.

Von der Landeklappe über Triebwerksverkleidung bis hin zu Schrauben

Das Luftfahrt-Bundesamt in Braunschweig, die Bundesoberbehörde für die Aufgaben der zivilen Luftfahrt in Deutschland, hat seit dem Jahr 2008 bis zum Juli dieses Jahres insgesamt 57 Fälle herabgestürzter Luftfahrzeugteile registriert. Im Bereich der militärischen Luftfahrt gab es für diesen Zeitraum 351 Zwischenfälle. Jeder Verlust von Luftfahrzeugteilen an militärischen Maschinen wird von der Bundeswehr erfasst, hier waren die Zahlen zuletzt deutlich rückläufig. Alles in allem gab es seit 2008 bis zum Stichtag 27. Juli 2018 demnach 408 Fälle, in denen Teile von Luftfahrzeugen aus großer Höhe auf die Erde gestürzt waren.

Die Art der verlorenen Teile umfasst laut Bundesregierung „ein breites Spektrum“, darunter Abdeckungen, Teile von Landeklappen, Teile der Triebwerksverkleidung, eine kleinere Frachtraumklappe, Reifenteile oder Schrauben. In der militärischen Luftfahrt kam es nur in wenigen Fällen zum Verlust von relativ großen Teilen, in einem Fall von zwei Außentreibstofftanks mit einer unbekannten Menge an Restkraftstoff. In einem anderen Fall verlor ein deutsches Militärflugzeug im Flug Übungsmunition (Übungsmunition mit Rauchkartusche, 38 Gramm netto Explosivstoffmasse).

An den Verlusten von Bundeswehr-Luftfahrzeugteilen hat der Eurofighter mit 100 Zwischenfällen den zahlenmäßig höchsten Anteil. Im Regierungsbericht heißt es dazu: „Hierbei handelt es sich überwiegend um Kleinteile, von denen der Verlust einer Abdeckklappe – Durchmesser rund 35 mm, Gewicht etwa 20 g – in 24 Fällen als signifikant zu bezeichnen ist.“ Weitere statistische Auffälligkeiten hätten sich bei den Bundeswehr-Mustern Airbus A340 (im Jahr 2014) und Airbus A319 (in 2015/2016) ergeben. Hier seien Inspektionskappen – Abdeckkappe „Flap-Track-Fairing“, Durchmesser rund 60 mm, Gewicht unter 100 g – während des Fluges verloren gegangen. Durch entsprechende technische Nachbesserungen habe man dies aber abstellen können, erklärt der Bericht.

Rund 3,2 Millionen kontrollierte Instrumentenflüge im deutschen Luftraum

Der Bundesregierung sind – so schreibt sie in ihrer Antwort an die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen – „weder Fälle bekannt, bei denen seit dem Jahr 2008 durch herabgestürzte Flugzeugteile Siedlungsgebiete betroffen waren, noch Fälle, die Unfälle mit schweren oder tödlichen Verletzungen zur Folge hatten“.

Betrachtet man den Gesamtflugverkehr im deutschen Luftraum, dann ist die Bewertung von Luftfahrtexperten im Hinblick auf herabstürzendes Material nachvollziehbar: Sie halten die Fälle für insgesamt „verschwindend gering“.

In der Tat verzeichnet beispielsweise die Deutsche Flugsicherung in ihrem aktuellen Mobilitätsbericht für das vergangene Jahr mit 3,212 Millionen kontrollierten Instrumentenflügen (IFR) im deutschen Luftraum einen neuen Rekord. Der Anteil reiner Überflüge ohne Start und Landung in Deutschland liegt bei 38,6 Prozent. Für den europäischen Luftverkehr spielt der deutsche Luftraum, bedingt durch seine zentrale Lage, eine wichtige Rolle. Die Europäische Organisation zur Sicherung der Luftfahrt EUROCONTROL prognostiziert bis zum Jahr 2024 einen weiteren Zuwachs auf rund 3,73 Millionen IFR-Flüge im deutschen Luftraum.

Die Grünen geben allerdings zu bedenken, dass „mit der Zahl der Flugbewegungen über dem Bundesgebiet zugleich die Wahrscheinlichkeit von Ereignissen [steigt], bei denen sich Teile von Luftfahrzeugen lösen und herabstürzen“. Da Deutschland zudem eine hohe Besiedlungsdichte aufweise, könnten Personenschäden, die durch herabstürzende Luftfahrzeugteile verursacht würden, gerade in Ballungszentren mit Flughäfen wie dem Rhein-Main-Gebiet nicht ausgeschlossen werden, argumentieren die Politiker. „Aufgrund der hohen Beschleunigung im freien Fall kann jedes herabstürzende Luftfahrzeugteil tödliche oder schwere Verletzungen bei Personen verursachen.“


Das Hintergrundbild unserer Infografik vom 10. Mai 1998 zeigt eine Tornado-Maschine des Aufklärungsgeschwaders 51 „Immelmann“, jetzt Taktisches Luftwaffengeschwader 51 „Immelmann“.
(Foto: Presse- und Informationszentrum Luftwaffe)

Kleines Beitragsbild: Symbolfoto „Flugzeugwartung“.
(Bild: amk)


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