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Wien/Osnabrück. Die Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE/Organization for Security and Co-operation in Europe, OSCE) macht sich große Sorgen um die aktuelle und künftige Sicherheitslage auf dem Kontinent. Der Generalsekretär der OSZE, der Schweizer Thomas Greminger, warnte vor allem vor einem sich ausbreitenden Nationalismus. „Der Trend zu sich verstärkenden Nationalismen läuft der Idee der kooperativen Problemlösung zuwider und schwächt so Europa von innen heraus“, sagte Greminger diese Woche im Interview mit der Neuen Osnabrücker Zeitung. „Wenn man sich nicht mehr wirklich für multilaterale Problemlösungen interessiert, dann hat eine Organisation und ihr Instrumentarium zur Förderung der kooperativen Sicherheit weniger Anziehungskraft – und das geht irgendwann auf Kosten von Sicherheit“, erklärte der Chef der OSZE.

Greminger, der sein Amt am 18. Juli 2017 angetreten hatte, hält die Gesamtsicherheitslage in Europa deshalb für „besorgniserregend, weil es ein polarisiertes Umfeld und eine Unberechenbarkeit der Akteure in einem Ausmaß gibt, wie wir sie seit Jahrzehnten nicht mehr hatten“. Es herrsche ein absolutes Vertrauensdefizit „zwischen den Schlüsselakteuren der euroatlantischen Sicherheit – also Russland und den USA – und auch anderen westlichen Staaten“. Die Beobachter der OSZE stellten immer mehr Beinahe-Zwischenfälle fest, sagte Greminger und appellierte: „Wir müssen die militärischen Risiken unbedingt wieder managen und zurückfahren.“

Die Gefahr einer Eskalation sieht der Generalsekretär vor allem im Konflikt zwischen der Ukraine und Russland. Es gebe derzeit einfach keinen politischen Willen für Frieden, so sein alarmierendes Fazit.

Die Gefahr eines Flächenbrandes ist allgegenwärtig

Der Diplomat hegt vielmehr die Befürchtung, dass es eine Kettenreaktion geben könnte. Greminger sprach im Interview mit der Neuen Osnabrücker Zeitung denn auch bildhaft von „verschiedenen Feuerstellen, wo Flammen züngeln und es dann irgendwann gewollt oder ungewollt zu einer Eskalation“ kommen könne. Angesichts der zahlreichen Brennpunkte „von der besetzten Krim, über die illegalen Wahlen in den beiden Rebellenrepubliken und der Situation entlang der Kontaktlinien im Donbass“ könnte so „aus einzelnen Feuerstellen ein Flächenbrand“ entstehen. So sei beispielsweise davon auszugehen, dass, wenn die Rebellenrepubliken im Osten der Ukraine militärisch unter Druck gerieten, es wieder Unterstützung aus Russland geben könnte.

Greminger sagte der Zeitung, er wünsche sich wieder politische Impulse von der Normandie-Vierergruppe Deutschland, Frankreich, Ukraine und Russland. „Aber davon sind wir leider im Moment meilenweit entfernt“, bedauerte er.

Neben dem Ukrainekonflikt, militärischen Risiken und der wieder drohenden nuklearen Rüstungsspirale sieht der OSZE-Generalsekretär eine ganze Reihe von weiteren Bedrohungen für Europa, angefangen vom Terrorismus über Menschen-, Waffen- und Drogenhandel bis hin zu Cyberangriffen.

Weltweit größte regionale Sicherheitsorganisation

Die OSZE geht auf die am 3. Juli 1973 in Helsinki eröffnete Konferenz über Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (KSZE) und die am 1. August 1975 von 35 Staaten – sieben Staaten des damaligen Warschauer Paktes, 15 NATO-Staaten sowie 13 neutrale Länder – unterzeichneten KSZE-Schlussakte von Helsinki zurück. Die Konferenz fungierte während des Kalten Krieges als wichtiges multilaterales Dialog- und Verhandlungsforum zwischen Ost und West.

1995 wurde aus der KSZE die OSZE. Die Umbenennung in Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa dokumentierte den Wandel von einem Konferenzformat hin zu einer ständigen Institution. Mit heute 57 Teilnehmerstaaten in Europa, Asien und Nordamerika ist die OSZE die weltweit größte regionale Sicherheitsorganisation (siehe auch hier).

Jedes Jahr führt den Vorsitz ein anderer Teilnehmerstaat in der OSZE, dessen Außenminister in dieser Zeit den amtierenden Vorsitz der Organisation stellt. An der Spitze des Sekretariats in Wien steht der vom Ministerrat für jeweils drei Jahre gewählte Generalsekretär, der den Vorsitz unmittelbar unterstützt.

Thomas Greminger war vor seiner Bestellung zum Generalsekretär der OSZE Stellvertretender Chef der Schweizer Direktion für Entwicklung und Zusammenarbeit. Er hatte an der Universität Zürich einen Doktorgrad in Geschichte erworben und ist Generalstabsoffizier der Schweizer Armee im Rang eines Oberstleutnants. Von ihm stammen mehrere Publikationen zur Militärgeschichte und zu den Themen „Konfliktmanagement“, „Friedenserhaltung“ sowie „Menschenrechte“.


Zu unserem Bildmaterial:
1. Zwei Beobachter der OSZE in der Ostukraine im August 2016.
(Foto: Evgeniy Maloletka/OSZE)

2. OSZE-Generalsekretär Thomas Greminger am 22. Juni 2018 bei einer Tagung der Europäischen Union zum Thema „Klima, Frieden und Sicherheit“.
(Foto: Europäischer Auswärtiger Dienst)

3. Übersicht über die Aufgabenbereiche der OSZE.
(Infografik © OSZE; Überarbeitung mediakompakt 12.18)


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