menu +

Nachrichten



Berlin. Deutschland hat aus verteidigungsplanerischer Sicht „das gesamte Fähigkeitsspektrum der Bundeswehr gegenüber der NATO und der Europäischen Union angezeigt“. Dies ist eine der zentrale Aussagen der Bundesregierung in ihrer Antwort vom 30. Juli auf eine Kleine Anfrage der Bundestagsfraktion Bündnis 90/Die Grünen. Agnieszka Brugger, Katja Keul, Tobias Lindner und weitere Abgeordnete der Fraktion wollten unter anderem wissen, welche Zusagen auf Regierungsebene oder seitens der Bundeswehr gegenüber „Bündnissen, internationalen Organisationen und Partnerstaaten“ gemacht worden sind. Für die Bewertung der Strukturen und des Umfanges der Streitkräfte sei es „unerlässlich, einen Überblick über diese Zusagen zu erlangen“ und zu erfahren, „auf welchen Verhandlungs- und Planungsprozessen“ diese basierten, so die Fragesteller.

Die Abgeordneten von Bündnis 90/Die Grünen verweisen in der Vorbemerkung zu ihrer Kleinen Anfrage ausdrücklich auf die gesetzgeberischen Textquellen, die sich mit dem Thema „multinationale Orientierung der Bundeswehr“ befassen. So definiere unter anderem das „Weißbuch 2016“: „Auftrag der Bundeswehr ist es, im Rahmen eines gesamtstaatlichen Ansatzes […] gemeinsam mit Partnern und Verbündeten zur Abwehr sicherheitspolitischer Bedrohungen für unsere offene Gesellschaft und unsere freien und sicheren Welthandels- und Versorgungswege beizutragen, zur Verteidigung unserer Verbündeten und zum Schutz ihrer Staatsbürger beizutragen, Sicherheit und Stabilität im internationalen Rahmen zu fördern und europäische Integration, transatlantische Partnerschaft und multinationale Zusammenarbeit zu stärken.“

Dieser abstrakt formulierte Auftrag werde durch die Bundesregierung mit konkreten, politischen Zusagen an Bündnisse, internationale Organisationen und Partnerstaaten ausgestaltet, so begründen die Grünen ihre Anfrage.

Deutsche Beiträge für Verteidigung und Friedensmissionen

Wie steht es nun um die deutschen Zusagen an die internationale Gemeinschaft und an einzelne Partnerstaaten? Laut Bundesregierung wurden „von Deutschland im Rahmen der NATO-Verteidigungsplanung alle zugewiesenen quantitativen und qualitativen Planungsziele auf der Zeitachse bis 2032 akzeptiert“. Diese Planungsziele seien zugleich eine Soll-Vorgabe für die nationale Planung.

Gegenüber der Europäischen Union (EU) sei eine Anzeige von Kräften auf freiwilliger Basis erfolgt – es gebe dabei keine Planungsziele, schreibt die Regierung.

Für die Unterstützung der Vereinten Nationen (VN) seien die Bedingungen des „Peacekeeping Capabilities Readiness System“ (PCRS) von Bedeutung, heißt es in der Antwort weiter. Hier seien folgende Fähigkeiten der deutschen Streitkräfte gemeldet worden: Fähigkeiten in den Bereichen Land- und Lufttransport, sanitätsdienstliche Unterstützung, Pionierwesen, Führungsunterstützung, Sicherung und Feldjägerwesen, Marinekräfte, Militärbeobachter und Stabspersonal, zivil-militärische Zusammenarbeit, operative Kommunikation, Geoinformationswesen sowie Aufklärung einschließlich luftgestützter Aufklärung. Ergänzend sei „die Einmeldung von Ausbildungspersonal“ erfolgt.

Verschiedene Formate der Zusammenarbeit mit einzelnen Partnerländern

Zur Frage, welche Zusagen die Bundesregierung im Rahmen von bi- oder multilateralen Regierungsvereinbarungen getroffen habe, nimmt die Regierung wie folgt Stellung: „Im Rahmen der vertrauensvollen und umfassenden deutschen Zusammenarbeit mit Partnern wurden Bereiche identifiziert, welche durch eine gemeinsame multinationale Fähigkeitsentwicklung einen Mehrwert für die beteiligten Nationen erwarten lassen. Hierzu nutzen die Nationen verschiedene Formate der Zusammenarbeit.“

Abgesehen von den Zusagen aus den im Teil II des Bundesgesetzblattes veröffentlichten Regierungsabkommen und dem bisher noch nicht veröffentlichten „Abkommen zwischen der Regierung der Bundesrepublik Deutschland und der Regierung der Französischen Republik über die Modalitäten für die Finanzierung der baulichen Anlagen und der Beschaffung von Ausbildungsmitteln im Rahmen der deutsch-französischen Zusammenarbeit im Bereich des taktischen Lufttransports“ (vom 10. April 2017) wurden laut Regierung vorerst keine weiteren Regierungsabkommen abgeschlossen.

Auswärtiges Amt koordiniert die internationale Personalpolitik der Ressorts

In ihrer Kleinen Anfrage erkundigten sich die Parlamentarier von Bündnis 90/Die Grünen auch nach personalpolitischen Aspekten der internationalen Zusammenarbeit. So wollten sie wissen, „inwiefern deutsches Personal in den jeweiligen Organisationen, die die […] Planungsprozesse begleiten beziehungsweise vor- und nachbereiten, vertreten [sind]“ – vor allem in Schlüsselpositionen.

Auf diese Frage hin erklärte die Bundesregierung: „Bei der im Auswärtigen Amt angesiedelten Koordinatorin für internationale Personalpolitik laufen die personalpolitischen Überlegungen zusammen und werden mit den Ressorts koordiniert. Deutschland ist auf Schlüsselpositionen sowohl in der NATO als auch in der EU vertreten.“ Dabei handele es sich sowohl um Quota-Dienstposten (Anm.: Dienstposten, die dauerhaft an Deutschland gebunden sind und turnusgemäß besetzt werden), als auch um Dienstposten, auf die nach einer Verwendungsdauer eines Kandidaten einer Nation neu geboten werden könne und die für alle Bündnismitglieder ausgeschrieben würden.

Auch hochrangige deutsche Militärs in Schlüsselpositionen

Auf der oberen Führungsebene des internationalen Stabes der NATO in Brüssel stellt Deutschland derzeit noch bis September 2018 mit einem General den Beigeordneten Generalsekretär/Assistant Secretary General for Defence Policy and Planning (dies ist Generalleutnant Heinrich Brauß, der die Position in Brüssel seit dem 4. Oktober 2013 innehat; Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen verabschiedete den Heeresoffizier bereits am 18. Juli mit einem Großen Zapfenstreich in Berlin aus dem aktiven Dienst bei der Bundeswehr).

Auf der internationalen militärstrategischen Ebene gibt es momentan ebenfalls zwei hochrangige deutsche Bundeswehroffiziere. Im belgischen Mons im Supreme Headquarters Allied Powers Europe (SHAPE) ist dies General Markus Kneip, seit dem 12. Juli 2017 dort Chef des Stabes/Chief of Staff. In Norfolk im US-Bundesstaat Virginia übernahm Admiral Manfred Nielson am 24. März 2016 den Posten des Stellvertreters/Deputy Supreme Allied Commander Transformation.

Bei der EU verfügt Deutschland über den Dienstposten des Director Concepts & Capabilities im Militärstab der EU (Brigadegeneral Heinz Krieb, seit dem 1. August 2014). Daneben ist Deutschland auf der Führungsebene der Europäischen Verteidigungsagentur/European Defence Agency mit dem Director Capability, Armament and Technology vertreten (Oberst Martin Konertz, seit dem 1. April 2017).

Ressortübergreifende Planungsberatungen in sechs Arbeitsgruppen

Abschließend wollten die Bundestagsabgeordneten der Grünen wissen, welche Stelle innerhalb der Regierung für die Koordination des deutschen Vorgehens im internationalen Umfeld verantwortlich zeichnet. Dazu aus der Regierungsantwort: „Das Einbringen der deutschen verteidigungspolitischen Interessen erfolgt im Rahmen der Ressortzuständigkeit durch die fachlich zuständigen Ministerien. Weisungsgeber an die deutschen Vertretungen in NATO, EU und bei den Vereinten Nationen ist – nach Ressortabstimmung – das Auswärtige Amt.“

Weiter erfahren wir dazu: „Die Erörterungen im Rahmen des NDPP/CDM (siehe unter RANDNOTIZ) erfolgen mit Vertretern der NATO beziehungsweise der EU in einem ressortübergreifenden Prozess in sechs Arbeitsgruppen – Land, Maritime, Aerospace, Special Operation Forces, Joint Enabling sowie Stabilisation & Reconstruction.“


Randnotiz                                  

NDPP: Die Grundlage für die Verteidigungsplanung der NATO und damit auch für die Zuweisung von Planungszielen bildet der NATO Defence Planning Process (NDPP). Dieser ist ein vierjähriger, zyklischer Prozess in fünf Schritten. Zweck ist die Ausrichtung der nationalen Fähigkeitsentwicklungen der einzelnen Alliierten auf ein gemeinsames politisches Ziel, den NATO Level of Ambition. Für die nationalen Planungen zur Fähigkeitsentwicklung und Prioritätensetzung liefert der NDPP die multinationale Referenz.

CDM: Im Rahmen der EU werden unter Nutzung des Capability Development Mechanism (CDM) Fähigkeitsbedarfe ermittelt, die einen Einfluss auf die Erstellung der EU Capability Development Priorities haben. Diese Prioritäten werden von der Europäischen Verteidigungsagentur – in enger Abstimmung mit den Mitgliedsstaaten – genutzt, um die europäische Fähigkeitsentwicklung zusammenhängender zu gestalten. EU-Planungsziele und verpflichtende Vorgaben zur nationalen Fähigkeitsentwicklung erfolgen seitens der Gemeinschaft nicht.


Zu unserem Bildangebot:
1. Die Bundesregierung hat sich im „Weißbuch 2016“ dazu verpflichtet, „Sicherheit und Stabilität im internationalen Rahmen zu fördern und europäische Integration, transatlantische Partnerschaft und multinationale Zusammenarbeit zu stärken“. Die Aufnahme vom 11. Juli 2018 zeigt Bundeskanzlerin Angela Merkel, Außenminister Heiko Maas und Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen (von rechts) in Brüssel beim NATO-Gipfel. Die zweitägige Veranstaltung in der belgischen Hauptstadt war das 29. formelle Treffen der Staats- und Regierungschefs der Nordatlantikpakt-Organisation.
(Foto: NATO)

2. Ein weiterer hochrangiger deutscher Vertreter auf internationalem militärischem Parkett: Generalleutnant Hans-Werner Wiermann, seit dem 21. August 2015 Deutscher Militärischer Vertreter im Militärausschuss der NATO und der Europäischen Union. Die Aufnahme vom 29. Juni 2018 zeigt ihn bei einer Sitzung des Militärausschusses des Bündnisses.
(Foto: NATO)

Kleines Beitragsbild: Symbolfoto „Atlantisches Bündnis“ – Aufnahme vom 11. Juli 2018, dem Tag der feierlichen Eröffnung des NATO-Gipfeltreffens 2018 in Brüssel.
(Foto: NATO)


Kommentieren

Bitte beantworten Sie die Frage. Dies ist ein Schutz der Seite vor ungewollten Spam-Beiträgen. Vielen Dank *

OBEN