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Eckernförde/Berlin. „Überall, wo sich die Brandung an der Küste schäumend bricht, tuen deutsche Landungsboote für die Freiheit ihre Pflicht“ – ja, das Lied der Landungsboote gibt es noch immer. Mit ein wenig Recherche kann man es im Internet finden. Und hören. Das Lied gibt es noch, die dazu gehörenden Boote aber so gut wie nicht mehr. Von den 1965 bis 1967 in Hamburg bei den Howaldtswerken gebauten 22 Landungsbooten der „Barbe“-Klasse (Typ 520) waren am Schluss nur noch die „Lachs“ und „Schlei“ übrig. Die „Schlei“ wurde am 21. Oktober vergangenen Jahres im Marinestützpunkt Eckernförde feierlich außer Dienst gestellt. Mittlerweile ist das vorletzte Mehrzwecklandungsboot der deutschen Marine bei der Gebr. Friedrich Schiffswerft in Kiel-Friedrichsort komplett abgewrackt. Wie aber steht es nun um eine Nachfolgebeschaffung? Dies interessiert auch den FDP-Bundestagsabgeordneten Christian Sauter, der bei der Bundesregierung nachfragte.

„Lachs“ (L762) und „Schlei“ (L765) waren lange Zeit die einzigen amphibischen Fahrzeuge unserer Marine. Beide Boote waren fast ständig im Einsatz, um die Soldaten des Seebataillons und andere Spezialkräfte zu unterstützen. Nun besitzt die Teilstreitkraft nur noch ein Landungsboot, die „Lachs“, die mit ihren 52 Dienstjahren nach dem Segelschulschiff „Gorch Fock“ das zweitälteste Schiff der Marine ist.

Amphibische Fähigkeiten sind auch beim deutschen Heer nur noch eingeschränkt zu finden. Eine Anfrage des bundeswehr-journal beim Amt für Heeresentwicklung in Köln ergab, dass die größte Teilstreitkraft inzwischen über keine Festrumpfboote – bekannt auch als Sturmboote – mehr verfügt. Eingesetzt werden nur noch Schlauchboote und Faltboote.

Von den Schlauchbooten gibt es sechs verschiedene Typen für zwei bis maximal zehn Soldaten. Die Zwei-Mann-Faltboote werden in erster Linie von der Heeresaufklärungstruppe und von Spezialkräften genutzt – zur Erkundung und zur Infiltration, der Annäherung an den Gegner vom Wasser her.

Unterschiedliche Fähigkeiten für verschiedenste Aufgaben

Nun aber zur Anfrage von Christian Sauter. Der Bundestagsabgeordnete der FDP, der in den Jahren 1999 bis 2000 seinen Wehrdienst beim Panzerartilleriebataillon 215 in Augustdorf (am 30. Juni 2015 außer Dienst gestellt) leistete und Mitglied im Reservistenverband ist, wollte wissen: „Beabsichtigt die Bundesregierung die Beschaffung neuer Sturm- oder Landungsboote für die Bundeswehr, und wenn ja, welchen zeitlichen Ablauf sieht die Bundesregierung für das Beschaffungsvorhaben vor?“

Am 5. September antwortete der Parlamentarische Staatssekretär bei der Bundesministerin der Verteidigung Thomas Silberhorn: „Die Bundeswehr plant derzeit keine sogenannten ,Sturm- oder Landungsboote‘ aus. Gleichwohl befindet sich aktuell und für die kommenden Jahre, beginnend ab dem Jahr 2019 bis etwa 2025, eine Anzahl unterschiedlicher kleinerer Boote in der Projektplanung. Diese sind für die Spezialisierten Kräfte der Marine sowie für die Spezialkräfte der Bundeswehr mit unterschiedlichen (Einzel-)Fähigkeiten für verschiedenste Aufgaben vorgesehen.“

Deutsche Marine will amphibische Fähigkeiten zurückgewinnen

Bei der Marine gibt es den Wunsch zur Anschaffung neuartiger Einsatz- und Kampfbooten für amphibische Manöver schon länger. Mit der Unterzeichnung einer Absichtserklärung zur schrittweisen Integration des Seebataillons unserer Marine in die Niederländische Marine am 4. Februar 2016 erreichte nicht nur die militärische Zusammenarbeit der beiden Länder eine weitere Stufe. Von der binationalen Kooperation berührt waren von da an auch die Planungen hinsichtlich neuer Boote.

Am 17. Oktober vergangenen Jahres äußerte sich das Presse- und Informationszentrum der Teilstreitkraft zu aktuellen und künftigen Beschaffungsprojekten. Unter dem Punkt „Landungsboote“ heißt es: „Bereits im Vorfeld der Kooperation mit der Königlich-Niederländischen Marine zum Zurückgewinnen der amphibischen Fähigkeiten der Deutschen Marine [hat] das Seebataillon [damit begonnen], die Landungsboote wieder operativ einzusetzen. Die damalige Überlegung war es, das Wissen um den operativen Einsatz von Landungsbooten in der Marine zu erhalten, um gegebenenfalls zu einem späteren Zeitpunkt die Beschaffung von Landungsbooten in die Bundeswehrplanung aufzunehmen. Die weitere Entwicklung war dann jedoch eine andere, weil sich die Kooperation zwischen der Deutschen Marine und der Niederländischen Marine äußerst positiv gestaltete.“ Im Seebataillon sind die Marineschutzkräfte, die Minentaucher und Boarding-Soldaten zusammengefasst.

65 Luftkissenfahrzeuge für rund 20 Millionen Euro

Da wir uns heute aufgrund einer Abgeordnetenanfrage etwas Näher mit dem Thema „Landungs- und Sturmboote bei der Bundeswehr“ befassen, wollen wir abschließend auch ein längst vergessenes Heeresprojekt in Erinnerung rufen. Ein Projekt, das mit einer massiven Rüge des Bundesrechnungshofes im November 2012 sein Ende fand.

Die Bundeswehr beabsichtigte seit dem Jahr 2000, für ihre Landstreitkräfte amphibische Luftkissenfahrzeuge zu kaufen. Sie wollte damit veraltete Sturmboote zur Gewässerüberquerung ersetzen. Mit den neuen Luftkissenfahrzeugen sollten Gruppen von zehn Personen mit Ausrüstung schnell agieren und Gewässer überqueren können, der flexible Einsatz und Transport dieser Luftkissenfahrzeuge sollte per Hubschrauber möglich sein – so die Wünsche der Heeresführung und die Vorstellungen der Projektverantwortlichen. Beschafft werden sollten am Ende insgesamt 65 Luftkissenfahrzeuge für rund 20 Millionen Euro.

Ein australischer Hersteller und ein deutscher Importeur

Ab Mitte 2010 prüfte der Bundesrechnungshof bereits das Beschaffungsvorhaben. Die Kontrollbehörde stellte fest, dass sich erste konzeptionelle Arbeiten an dem Projekt bereits über fünf Jahre hinwegzogen. Die Bundeswehr hatte im Jahr 2006 ein erstes Luftkissenfahrzeug zur Erprobung beschafft, das jedoch die Anforderungen nicht erfüllte. Ein weiteres im Jahr 2007 gekauftes Luftkissenfahrzeug war ebenfalls ungeeignet für den militärischen Einsatz. Kosten bis dahin: mehr als 1,1 Millionen Euro für den Ankauf und die Erprobung der beiden Typen.

Im Jahr 2009 beschloss die Bundeswehr dann, ein drittes Luftkissenfahrzeug für Erprobungszwecke zu kaufen. Die ursprünglichen Anforderungen hatte sie bis dahin bereits schrittweise reduziert. So sollten beispielsweise nur noch vier Personen mit Ausrüstung in dem Boot Platz finden. Auf die Transportmöglichkeit mit Hubschraubern sollte ganz verzichtet werden.

Die Auswahlentscheidung führte die Bundeswehr zu einem australischen Hersteller, der die technisch noch anzupassenden Luftkissenfahrzeuge herstellen wollte. Auftragnehmer sollte ein in Deutschland ansässiger Gebrauchtwagenhändler sein, der im Bootshandel bis dahin völlig unerfahren war. Er sollte die Luftkissenfahrzeuge importieren, der Bundeswehr bereitstellen und für die logistische Unterstützung in Deutschland zuständig sein.

„Luftkissenfahrzeuge grundsätzlich weder geeignet noch notwendig“

Die Bundeswehr schloss mit diesem Händler im Mai 2010 einen Vertrag über den Kauf eines über 300.000 Euro teuren Prototyps. Die Lieferung war für November 2010 vereinbart. Das System sollte nach der Übernahme ein Jahr lang erprobt und danach über einen Serienkauf für einen zweistelligen Millionenbetrag entschieden werden.

Als das Luftkissenfahrzeug bis Mitte des Jahres 2012 noch immer nicht funktionsfähig war und deshalb auch nicht der Bundeswehr übergeben werden konnte, folgte das Projekt-Aus. Nach einer erfolglosen Probefahrt beschloss die Bundeswehr im Juli 2012, das Fahrzeug nicht mehr abzunehmen. Sie trat – wohl auch auf Druck des Bundesrechnungshofes – vom Vertrag zurück.

In seinen „Bemerkungen 2012 zur Haushalts- und Wirtschaftsführung des Bundes“ schrieb damals die Bonner Behörde: „Der Bundesrechnungshof sieht sich durch den Abbruch des Projekts in seiner Auffassung bestätigt, dass die Luftkissenfahrzeuge grundsätzlich weder geeignet noch notwendig sind. Er hatte der Bundeswehr wiederholt empfohlen, auf eine Beschaffung zu verzichten. Die in den letzten zwölf Jahren gesammelten Erfahrungen sollten Grund genug sein, endgültig auf den Erwerb von Luftkissenfahrzeugen zu verzichten. Einen vierten Anlauf zu unternehmen, ein Luftkissenfahrzeug zu kaufen, oder gar ein solches entwickeln zu lassen, hält der Bundesrechnungshof für nicht vertretbar.“

Die wirklich schmerzhafte Ohrfeige für die Verantwortlichen folgte am Schluss. Der Bundesrechnungshof kritisierte, in diesem Projekt exemplarische Schwachstellen von Rüstungsprojekten erkannt zu haben. Das Urteil der Rechnungsprüfer: „Mit einem sachgerechten Vorhabencontrolling sollte die Bundeswehr frühzeitig und regelmäßig die Realisierbarkeit und Erfolgsaussichten der Rüstungsprojekte bewerten und den Projektverlauf zielorientiert steuern. So hätte sie die Risiken dieses Projekts früher erkennen können.“ Das kommt einem heute – sechs Jahre später – immer noch ziemlich bekannt vor …


Zu unserem Bildmaterial:
1. Mehrzwecklandungsboot „Schlei“ am 15. Mai 2006 bei einer Übung mit eingeschifften Minentauchern.
(Foto: Maik Herrmann/Bundeswehr)

2. Historische Aufnahme aus dem Jahr 1966 mit den Landungsbooten „Flunder“ (L760), „Lachs“ (L762) und „Stör“ (L766) am Strand.
(Bild: Friedhelm Lang/Wikipedia/unter Lizenz CC0 Creative Commons = gemeinfrei, kein Bildnachweis erforderlich)

3. Übung „Feldberg“ auf dem Truppenübungsplatz Bergen am 4. Dezember 2016: Soldaten der Leichten Spähgruppe der Deutsch-Französischen Brigade beginnen nach der Flussüberquerung mit dem Schlauchboot ihre Zielsuche.
(Foto: Sebastian Wilke/Bundeswehr)

4. Prototyp eines Luftkissenfahrzeugs für die Bundeswehr. Das seit dem Jahr 2000 betriebene Projekt wurde 2012 – auch auf Druck des Bundesrechnungshofes – eingestellt. Ursprünglich wollte die Bundeswehr 65 Luftkissenfahrzeuge für rund 20 Millionen Euro beschaffen.
(Foto: F.I.T. Fahrzeug-Ingenieurtechnik GmbH)

Kleines Beitragsbild: Die Landungsboote „Lachs“ (L762) und „Schlei“ (L765) am 18. November 2008 im Marinestützpunkt Eckernförde.
(Foto: Detlef Struckhof/Bundeswehr)


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