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Berlin/Bonn/Rostock. Vier Jahre und sieben Monate nach Auflösung des Marinemusikkorps Nordsee soll Wilhelmshaven wieder ein vollwertiges Ensemble bekommen. Dies hat nun der Haushaltsausschuss des Deutschen Bundestages beschlossen. Der Inspekteur der Marine, Vizeadmiral Andreas Krause, begrüßt diese Entscheidung ausdrücklich. Bereits 2019 könnten am Marinestandort wieder rund 30 Bundeswehrmusiker spielen, wie NDR 1 Niedersachsen am 18. Oktober berichtete. Der Hörfunksender zitierte dabei die Bundestagsabgeordnete Siemtje Möller. Die Übungsräume gebe es am Standort noch, die Musiker selbst seien noch in der Gegend, so die SPD-Politikerin. Möller hatte sich gemeinsam mit anderen Parlamentariern – so besonders mit Ingo Gädechens, Obmann der CDU/CSU-Bundestagsfraktion im Verteidigungsausschuss – für die Rückkehr des Musikkorps eingesetzt, das besonders bei offiziellen Anlässen eine wichtige Rolle spielte und wieder spielen soll.

Das Marinemusikkorps Nordsee war am 21. März 2014 im Zuge der 2011 beschlossenen Neuausrichtung der Bundeswehr aufgelöst worden. In Folge der damaligen Stationierungsentscheidungen waren außerdem neben dem Militärmusikstandort Wilhelmshaven noch Neubiberg (Standort des Luftwaffenmusikkorps 1), Karlsruhe (Luftwaffenmusikkorps 2), Berlin (Luftwaffenmusikkorps 4) sowie zum ersten Halbjahr 2016 der Militärmusikstandort Erfurt (Wehrbereichsmusikkorps III) geschlossen worden.

Einsatzplanung der Musikkorps erfolgt heute nach dem Regionalprinzip

Das Zentrum Militärmusik der Bundeswehr in Bonn, die musikfachlich und truppendienstlich vorgesetzte Dienststelle aller Musikeinheiten unserer Streitkräfte, führt heute 14 Klangkörper des Militärmusikdienstes. Die Einsatzplanung für diese nach der Bundeswehr-Neuausrichtung verbleibenden regionalen Musikkorps sah und sieht vor, dass „grundsätzlich das Musikkorps eingesetzt werden [soll], dass dem jeweiligen Einsatzort am nächsten liegt. Die […] zentralisierte Musikeinsatzplanung und -steuerung […] trägt der hohen Fachbezogenheit des Musikdienstes Rechnung und ermöglicht eine Optimierung der gesamten Betriebsführung.“ Und weiter argumentieren die Planer: „Die Reduzierung der Musikkorps trägt dem zu erwartenden Bedarf der Truppe an Militärmusik bei weniger Verbänden sowie den bestehenden Aufgaben im Bereich der Öffentlichkeitsarbeit auch künftig angemessen Rechnung.“ Soweit die Theorie …

Die feierliche Außerdienststellung des Marinemusikkorps Nordsee fand am Vormittag des 21. März 2014 in der in der Admiral-Zimmermann-Kaserne in Wilhelmshaven-Sengwarden statt. Die Musiker wurden größtenteils zu anderen Musikkorps der Bundeswehr versetzt oder beendeten ihre Dienstzeit. Das Marinemusikkorps Nordsee war am 1. Juni 1956 in Dienst gestellt worden und zuletzt in der Ebkeriege-Kaserne in Wilhelmshaven stationiert.

Musik vom Band einfach kein angemessener Ersatz

Im Dezember 2011, nach Bekanntwerden der Bundeswehr-Stationierungsentscheidungen, hatte die SPD-Bundestagsabgeordnete Karin Evers-Meyer auf die unmittelbaren Folgen der Auflösung des Marinemusikkorps Nordsee aufmerksam gemacht. Mit dem Musikkorps werde eine Reihe von Musiklehrern, Dirigenten und Chorleitern nicht nur die Stadt Wilhelmshaven, sondern auch die Landkreise Friesland und Wittmund verlassen – ein herber Verlust für das Kulturleben in der Region.

Auch andere Parlamentarier kämpften weiter für die Musiker in der Hoffnung, die Grundsatzentscheidung des Ministeriums doch noch irgendwie beeinflussen zu können. So wies beispielsweise der CDU-Bundestagsabgeordnete Hans-Werner Kammer immer wieder darauf hin, dass die Auflösung des Musikkorps Nordsee der Region seiner Meinung nach schwer schaden könnte. Das gute Verhältnis zwischen Bevölkerung und Bundeswehr sei ein wichtiges Merkmal dieser Region, hieß es beispielsweise im Dezember 2013 in einer Presseerklärung des Politikers.

Auf die Diskrepanz zwischen Zielvorstellungen der Planer und Wirklichkeit des Truppenalltags machte schließlich zuletzt immer wieder die Sozialdemokratin Siemtje Möller aufmerksam. Es sei wirklich bedauerlich, dass inzwischen vermehrt Schiffe in Wilhelmshaven ohne die passende musikalische Begleitung ein- und auslaufen müssten. Musik vom Band sei kein adäquater Ersatz, kritisierte Möller im Juli dieses Jahres. Und erst am 18. Oktober beklagte sie gegenüber Radio Jade: „Heute muss zu entsprechenden Anlässen ein Musikkorps eines anderen Standortes anreisen. Dies hatte bereits in der Vergangenheit wiederholt für Unmut bei allen Beteiligten gesorgt. Allein im Jahr 2017 konnten am Standort Wilhelmshaven acht angefragte Musikeinsätze nicht durchgeführt werden.“

Eine große Entlastung für das Marinemusikkorps Kiel

Der Marineinspekteur äußerte sich nach Bekanntwerden der politischen Entscheidung in Berlin erfreut. Vizeadmiral Andreas Krause: „Ich bin sehr dankbar für diese Entscheidung. Das Auslaufen unserer Schiffe zu Einsätzen – besonders aber ihre glückliche Rückkehr – wird für die Frauen und Männer der Marine durch Musik zu einem sehr emotionalen Moment. Das macht Gänsehaut.“ Der Empfang im Heimathafen mit Musik sei ein starkes Signal der Wertschätzung für das Engagement und die Professionalität der Besatzungen, betonte Krause. Ein zweites Marinemusikkorps sorge zudem für eine große Entlastung des bestehenden Marinemusikkorps in Kiel.

Der CDU-Verteidigungsexperte Ingo Gädechens – Mitglied für seine Fraktion im Haushalts- und Verteidigungsausschuss des Bundestages – kommentiert die getroffene Entscheidung zur Aufstellung eines zweiten Marinemusikkorps in Wilhelmshaven wie folgt: „Die Entscheidung bedeutet eine große Entlastung für das bestehende Marinemusikkorps in Kiel. Denn zu einer anständigen Verabschiedung oder Begrüßung einer seegehenden Einheit gehört traditionell ein musikalischer Gruß. Dies war in den vergangenen vier Jahren aus Kapazitätsgründen nicht immer möglich. Mit einem zweiten Marinemusikkorps erhält die Marine nun das so dringend notwendige zweite Aushängeschild.“ Darüber hinaus, so Gädechens, habe jedes Musikkops eine positive öffentliche Wirkung für unsere Streitkräfte.

Viele Gespräche im Vorfeld der Ausschussentscheidung geführt

Der Bundestagsabgeordnete würdigte die gute Zusammenarbeit mit seiner SPD-Kollegin Siemtje Möller und erinnerte an die Hürden, die es zu überwinden galt. „Das Marinemusikkorps Nordsee war im Zuge der Bundeswehrreform im Jahr 2014 aufgelöst worden. Diese Entscheidung war aber nicht praktikabel. Denn nun musste das verbliebene Marinemusikkorps in Kiel dessen Aufgaben mitübernehmen und zwischen den Standorten pendeln.“ Viele Gespräche seien im Vorfeld der nun gefällten Entscheidung notwendig gewesen, verriet Gädechens. Besonders intensiv habe seinerzeit der ehemalige CDU-Bundestagsabgeordnete Hans-Werner Kammer für das zweite Marinemusikkorps geworben. Es sei ganz sicher auch sein Verdienst, dass man heute über eine Wiederaufstellung der Einheit sprechen könne.

Auch der Christdemokrat rechnet wie SPD-Politikerin Möller mit einer zügigen Aufstellung: „Das Personal ist grundsätzlich noch verfügbar, wenn auch in anderer Verwendung. Daher könnte das Marinemusikkorps schon bald wieder seinen Dienst aufnehmen“. Allerdings ist es unwahrscheinlich, dass auch der alte Name „Marinemusikkorps Nordsee“ wieder „aufersteht“ – nach derzeit geltender Systematik der Bundeswehr müsste die neue Einheit „Marinemusikkorps Wilhelmshaven“ heißen.


Zu unseren beiden Aufnahmen:
1. Das Marinemusikkorps Nordsee spielte auch am 9. Oktober 2012 in Rostock beim Aufstellungsappell des Marinekommandos.
(Foto: Björn Wilke/Bundeswehr)

2. Gruppenbild des Marinemusikkorps Nordsee am 13. September 2007 vor dem Tour-Bus.
(Foto: Harald Matle/Bundeswehr)


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