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Berlin. Die Bundeswehr soll in Zukunft auch die irakische Armee ausbilden und beraten. Die geschäftsführenden Minister Ursula von der Leyen (Verteidigung) und Sigmar Gabriel (Außen) haben sich nach langwierigen Verhandlungen Ende vergangener Woche auf die Rahmenbedingungen für einen veränderten Auslandseinsatz in Syrien und im Irak geeinigt. Das meldete das ARD-Hauptstadtstudio am heutigen Montag (5. März) in einer speziellen Presse-Information. Am kommenden Mittwoch will das Kabinett den 15-seitigen Mandatstext, der den ARD-Kollegen bereits vorliegt, beschließen.

Neben der weiteren Beteiligung am internationalen Kampf gegen die Terrorbewegung „Islamischer Staat“ (IS) soll nun künftig die Stärkung der irakischen Armee im Mittelpunkt der deutschen Mission stehen. Konkret nenne der Regierungsantrag „die Durchführung von spezialisierten Ausbildungslehrgängen (im Schwerpunkt „Ausbildung von Ausbildern“) und Maßnahmen des Fähigkeitsaufbaus für die regulären irakischen Streit- und Sicherheitskräfte mit Fokus auf die zentralirakischen Streitkräfte“, berichtet das ARD-Hauptstadtstudio. Besonderen Bedarf habe die irakische Regierung vor allem für den Bereich der Kampfmittelräumung angemeldet.

Die ARD erinnert zudem daran, dass Verteidigungsministerin von der Leyen bei ihrem Besuch im Irak Anfang Februar auch die Themen „Logistik“ und „Sanitätsdienst“ erörtert habe. Ferner sei geplant, dass die Bundeswehr beim Aufbau einer transparenten Führungsstruktur für die irakischen Sicherheitskräfte künftig eine beratende Rolle übernehmen werde.

Ausbildungsmission für die Peschmerga soll zum 30. Juni enden

Dies alles bedeute – so schreibt die ARD nach dem Studium des Kabinettspapiers – eine erhebliche Veränderung gegenüber der bisherigen Präsenz der Bundeswehr in der Region. Deutschland werde sich zwar auch weiter mit Tornado-Aufklärern und Luftbetankung an der Anti-IS-Koalition beteiligen. Die Ausbildungsmission für die kurdischen Peschmerga-Einheiten in der kurdischen Autonomieregion im Norden des Iraks wolle man jedoch bereits zum 30. Juni beenden.

Im neuen Mandat bleibe offen, in welchem Umfang sich die Bundeswehr auch zukünftig im kurdischen Norden engagieren werde. Auf der einen Seite sei in dem Antrag von einer „angemessenen Balance zwischen der irakischen Zentralregierung und – in Absprache mit der irakischen Zentralregierung – der Region Kurdistan-Irak“ die Rede. Schon im nächsten Satz heiße es dann aber: „Dabei stehen Maßnahmen zum Fähigkeitsaufbau in Zentralirak eindeutig im Vordergrund.“

Verzicht auf Fregatte im Mittelmeer und auch weniger Tornado-Aufklärer

Nach ARD-Angaben sieht das neue Mandat für den zukünftigen Einsatz in Syrien und im Irak eine Obergrenze von 800 Bundeswehrsoldaten vor. Die sei deutlich weniger als die Summe der bisherigen beiden Mandate von insgesamt 1350 Soldaten. Die Reduzierung ergebe sich allerdings vor allem aus dem Verzicht auf eine Fregatte im Mittelmeer, die nicht mehr benötigt werde. Auch die Zahl der Tornado-Maschinen wolle die Regierung verringern.

Aus dem Mandatstext gehe nicht hervor, wie viele deutsche Soldaten letztendlich in den Irak verlegen werden sollen. Die ARD merkt an, dass die Bundeswehr neben ihren Ausbildern auch Kräfte für den Eigenschutz und die medizinische Versorgung bereitstellen müsse. Die Kosten für den Einsatz werden laut ARD im Regierungsantrag „bis Ende Oktober mit 69,5 Millionen Euro“ angegeben.

Ungewöhnlich kurze Mandatslaufzeit von zunächst nur sieben Monaten

In einer Schlussanalyse des ARD-Hauptstadtstudios heißt es: „Angesichts der angespannten Sicherheitslage in Zentralirak dürfte der Aufbau einer neuen Präsenz in den ersten Monaten eher langsam erfolgen. Denn das Mandat ist zunächst bis zum 31. Oktober begrenzt. Diese ungewöhnlich kurze Laufzeit ist ein Zugeständnis an die SPD, die angesichts der vielen Risiken und Unwägbarkeiten des Einsatzes eine Art Notbremse für die Mission einbauen wollte. So gibt es im Mai Wahlen im Irak – und es ist keineswegs sicher, dass danach auch weiter der als gemäßigt geltende Premierminister Haidar al-Abadi das Land führen wird. Sollte stattdessen sein Vorgänger Nuri al-Maliki zurück an die Macht kommen, könnte das die ethnischen Konflikte im Irak so verstärken, dass der angestrebte Beitrag zur Stabilisierung des Landes durch die Bundeswehr kaum noch denkbar wäre. Mit der kurzen Laufzeit hat der Bundestag nun schon im Spätsommer die Möglichkeit, die politische Lage im Irak neu zu bewerten und das Mandat anzupassen.“

Die ARD-Analyse geht schließlich auch auf die Spannungen zwischen der kurdischen Regionalregierung in Erbil und der Zentralregierung in Bagdad ein. Die Autoren erinnern daran: „Seit dem umstrittenen Unabhängigkeitsreferendum in Irak-Kurdistan gibt es eine Art Wirtschaftsblockade des Nordens – im Raum Kirkuk kam es im Oktober sogar zu bewaffneten Auseinandersetzungen zwischen kurdischen und zentralirakischen Streitkräften. Dabei definiert das Mandat der Bundesregierung die Peschmerga ausdrücklich als Teil der ,regulären irakischen Streit- und Sicherheitskräfte‘. Das sind sie formal auch. Allerdings bekommen die kurdischen Kämpfer schon seit Jahren keinen Sold mehr von der Zentralregierung. Bei ihrem Irak-Besuch Anfang Februar hatte Verteidigungsministerin von der Leyen davon gesprochen, die Bundeswehr könne eine ,Brückenfunktion‘ zwischen Bagdad und Erbil einnehmen.“

Parlamentarische Abstimmung über den Antrag möglicherweise erst nach Ostern

Geht es nach der Bundesregierung, soll das Parlament bereits nächste Woche über das neue Mandat beraten und es eine weitere Woche später beschließen. Es könnte dann zum 1. April umgesetzt werden.

Gegen ein solches Eilverfahren dürfte es nach Ansicht der ARD allerdings massive Widerstände geben – nicht nur bei der Opposition, sondern auch aus den Reihen der SPD-Fraktion. Da der Mandatstext in wesentlichen Punkten äußert vage bleibe, werde es in den zuständigen Ausschüssen wohl noch viele kritische Fragen geben. Die ARD hält es für möglich, dass es erst nach den Osterferien zu einer Abstimmung im Parlament kommen wird.

Opposition bezeichnet den Mandatstext der Regierung als „unpräzise“

Die Bundestagsfraktion von Bündnis 90/Die Grünen lehnt die Pläne der alten und neuen Bundesregierung zur Ausweitung des Bundeswehreinsatzes auf den Zentralirak ab. Es sei zwar richtig, dem Irak zu helfen, sagte der außenpolitische Fraktionssprecher Omid Nouripour heute der Frankfurter Rundschau. „Dieses Mandat ist aber so unpräzise, dass unklar ist, wie das gelingen soll und wie die parlamentarische Kontrolle möglich ist.“

Tobias Pflüger von den Linken kritisierte, dass aus der Kabinettsvorlage nicht hervorgehe, wie viele deutsche Soldatinnen und Soldaten in den Irak letztendlich verlegt werden sollen.

Redaktioneller NACHBRENNER

Der Stellvertretende Vorsitzende der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, Johann David Wadephul, warb am heutigen Dienstag (6. März) mit einer Presseerklärung vehement für die neue Auslandsmission der Bundeswehr. Wadephul: „Die CDU/CSU-Bundestagsfraktion unterstützt das stärkere Engagement Deutschlands zur Stabilisierung des Irak. Eine weitere Befriedung des Nahen und Mittleren Ostens liegt im besonderen deutschen und europäischen Sicherheitsinteresse, da mit ihr auch Flucht und Vertreibung unterbunden werden.“

Der Irak sei der Schlüsselstaat für die Befriedung der gesamten Region, argumentiert der CDU-Politiker. Für eine solche Befriedung bestehe jetzt eine realistische Chance. Deshalb sei es richtig, dass Deutschland nach der erfolgreichen Ausbildungsunterstützung für kurdische Peschmerga und irakische Sicherheitskräfte nun seinen Bundeswehr-Beitrag fortentwickele, um das Land weiter zu stabilisieren und die moderaten Kräfte zu unterstützen.

Mit den vorgesehenen Maßnahmen werde Deutschland einen konkreten Beitrag leisten, um die Rückkehr von Binnenvertriebenen und Flüchtlingen zu ermöglichen. Damit würden auch die Voraussetzungen für den dringend notwendigen Wiederaufbau geschaffen.

Wadephul räumte allerdings ein, dass es für die neue Mission „ein langfristiges Engagement und einen langen Atem“ brauche. „Meiner Fraktion ist bewusst, dass dieser Irakeinsatz gefährlicher sein kann als der bisherige. Zugleich sind wir überzeugt, dass die Bundesregierung alles tut, um die Gefahren für unsere Soldaten so weit wie möglich zu begrenzen. Deutschland nimmt diese größere Verantwortung in der Region des Nahen und Mittleren Ostens im eigenen Sicherheitsinteresse wahr.“

Verteidigungsministerin von der Leyen will sich übrigens am morgigen Mittwoch (7. März) ab 7:05 Uhr im ARD-Morgenmagazin zum Thema „Bundeswehr im Irak“ äußern.


Zu unserem Bildmaterial:
1. Ein Bundeswehrsoldat trainiert am 8. November 2017 mit kurdischen Kräften die Erstversorgung Verwundeter.
(Foto: Tracy McKithern/U.S. Army)

2. 18. Januar 2018 – ein Spezialist der Bundeswehr schult in Erbil kurdische Sicherheitskräfte im Fähigkeitsprofil „ABC-Abwehr“.
(Foto: Anthony Zendejas IV/U.S. Army)

Kleines Beitragsbild: Unser Symbolbild mit dem Ärmelemblem wurde am 26. Januar 2017 im Nordirak in der Ausbildungseinrichtung Bnaslawa nahe Erbil gemacht. An diesem Tag übten dort Ausbilder der Bundeswehr mit kurdischen Kämpfern unter anderem die Durchsuchung von verdächtigen Personen.
(Foto: Josephine Carlson/U.S. Army)


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