Brüssel/Lillehammer (Norwegen). In der Nacht vom 24. auf den 25. Oktober begann in Norwegen mit „Trident Juncture 18“ das größte Manöver der NATO nach Ende des Kalten Krieges (Kernübungszeitraum bis 7. November). Die Bundeswehr gehört mit rund 8000 Soldaten und mehr als 4000 Fahrzeugen zu den größten Truppenstellern dieser Übung, an der sich alle Bündnisstaaten sowie einige Partnerländer beteiligen. Mit „Trident Juncture“ werden mehrere Ziele verfolgt: Zum einen sollen die geplanten Hauptquartiere für die schnelle NATO-Eingreiftruppe – NATO Response Force, kurz NRF – ihre Zertifizierung erhalten, zum anderen soll die strategische Verlegung einer Kampftruppenbrigade trainiert und schließlich die Interoperabilität zwischen den teilnehmenden Kräften getestet und verbessert werden. Parallel zu „Trident Juncture“ findet in der Ostsee das multinationale Marinemanöver „Northern Coasts 18“ statt, bei dem die Allianz mit weiteren Partnern übt, wie sie Seewege um Skandinavien freihalten kann.
Als größtes Manöver der Allianz nach der Auflösung des östlichen Militärbündnisses „Warschauer Pakt“ galt bisher „Strong Resolve 02“. Diese NATO-Übung fand damals vom 25. Februar bis 15. März 2002 in Polen und Norwegen statt, und zwar im Rahmen der NATO-Initiative „Partnerschaft für den Frieden“ (PfP). Insgesamt 40.000 Soldaten aus 26 Nationen nahmen daran teil.
Wesentlich größer war teilweise sogar die REFORGER-Manöverreihe der NATO (REFORGER: Return of Forces to Germany/Rückkehr von Streitkräften nach Deutschland). Die Manöver fanden von 1969 bis 1993 statt. Ziele von REFORGER waren damals im Rahmen der NATO-Strategie „Flexible Response“ die Überprüfung und Verbesserung der geplanten Abläufe, das Training der beteiligten Truppen sowie eine Demonstration der Entschlossenheit gegenüber dem potenziellen Gegner, dem Warschauer Pakt. Das Material mehrerer Großverbände der US-Armee war in Deutschland eingelagert. An REFORGER waren bis zu 125.000 Soldaten (Übung „Certain Challenge“ 1988) beteiligt.
Aber auch „Trident Juncture 18“ hat seine Dimensionen. Dazu gleich – zunächst noch zu Abläufen des Großmanövers. Die beteiligten Kräfte üben in drei verschiedenen Phasen. Die eigentliche Übung zu Lande, zu Wasser und in der Luft (live field exercise, LIVEX) findet im Zeitraum 25. Oktober bis 7. November statt. Davor (August, September und Oktober bis LIVEX-Beginn) sowie danach (ab 8. November bis einschließlich Dezember) war die Bereitstellungs- beziehungsweise ist die Rücktransportphase. Im Zeitraum 14. bis 23. November findet außerdem noch eine Gefechtsstandübung (command post exercise, CPX) statt.
Wie der norwegische Generalmajor Odd Egil Pedersen am 23. Oktober mitteilte, nehmen an „Trident Juncture 18“ neben allen NATO-Staaten auch fünf Partner des Bündnisses teil: Schweden und Finnland sowie Georgien, die Ukraine und Jordanien. Pedersen, der am 8. August 2016 das Kommando über die NATO-Abteilung „Militärpartnerschaften“ übernommen hatte, gab diese Informationen der staatlichen ukrainischen Nachrichtenagentur UKRINFORM.
Dass Schweden und Finnland an der Übung teilnehmen, signalisiert einen zunehmenden Schulterschluss mit der NATO – wenn nicht auf dem Dokument, so doch in der Praxis. Die frühere strikte schwedische und finnische Politik der sicherheitspolitischen Blockfreiheit scheint inzwischen obsolet.
In der ersten Runde von „Trident Juncture“ sollen die von Deutschland, Italien und Großbritannien gebildeten „südlichen Kräfte“ einen Angriff „nördlicher Kräfte“ abwehren. Diese bestehen unter anderem aus Truppen Norwegens, Kanadas und der USA. Für die zweite Runde sieht das Szenario dann einen Gegenangriff des „Südens“ auf den „Norden“ vor.
Interessante Zahlen über das Großmanöver liefert uns ein neunseitiges Papier der norwegischen Streitkräfte. Insgesamt beteiligen sich an „Trident Juncture 18“ rund 50.000 Soldaten. Das Datenblatt listet auf: 20.000 Mann Landstreitkräfte, 24.000 Marinesoldaten (einschließlich der U.S. Marines), 3500 Mann Luftwaffenpersonal, 1000 Logistiker sowie 1300 Spezialisten aus den verschiedenen NATO-Kommandobereichen.
Eingesetzt werden rund 10.000 Rad- und Kettenfahrzeuge, 250 Flugzeuge und 65 Schiffe. An „Northern Coasts“ und damit „Trident Juncture“ beteiligt sich auch der Trägerverband um den amerikanischen Flugzeugträger USS „Harry S. Truman“, der zunächst den Polarkreis erreichte. Vor Norwegen wird der Verband später im Verbund Luft-, See- und Unterwasseroperationen durchführen.
Erstaunliche Größenordnungen dokumentiert die Aufstellung der Norweger auch für den Logistikteil von „Trident Juncture“. So wurden mehr als 50 Feldlager errichtet, von denen 20 jeweils mehr als 500 Menschen aufnehmen können (im größten Camp sind 5500 Soldaten untergebracht). Im Bereich des norwegischen Manövergebietes wurden mehr als 35.000 Betten organisiert. Die Verantwortlichen schätzen, dass über den gesamten Übungszeitraum (mit Hin- und Rücktransport der Truppen) etwa 1,8 Millionen Mahlzeiten sowie 4,6 Millionen Flaschen Wasser bereitgestellt werden müssen. Während der Übung fallen geschätzt 660 Tonnen Wäsche für die Reinigung an. Nach Auskunft der Streitkräfte Norwegens und der NATO wurden im Hinblick auf „Trident Juncture 18“ mit der heimischen Wirtschaft Unterstützungsverträge im Wert von insgesamt rund 159 Millionen Euro geschlossen.
Und noch eine beeindruckende Zahl für die Freunde der Statistik: Die norwegischen Planer haben errechnet, dass alle teilnehmenden Fahrzeuge und Anhänger – eng hintereinander aufgereiht – eine Gesamtlänge von 92 Kilometern ergeben würden. Dies würde fast 34 Mal der Länge der Golden Gate Bridge von San Francisco entsprechen.
In einem Beitrag für die sozialdemokratische Parteizeitung Vorwärts schrieb jetzt Fritz Felgentreu, Sprecher der Arbeitsgruppe „Sicherheits- und Verteidigungspolitik“ der SPD-Bundestagsfraktion: „Durch die aufwändige Verlegung von Menschen und Gerät wird diese Großübung sicherlich eine der in letzter Zeit teuersten werden. Das Bundesministerium der Verteidigung hat die Kosten mit 90 Millionen Euro beziffert, allein für Deutschland. Doch dieses Geld ist gut angelegt. Denn die Bündnisverteidigung – das Herz der NATO – bleibt eine leere Hülle, wenn Einsätze von großen Verbänden aus allen Mitgliedsländern der Allianz nicht auch ab und zu geübt werden.“
Zu unserer Bildsequenz:
1. Schon vor Beginn von „Trident Juncture 18“ fanden in weiten Teilen des norwegischen Manövergebietes Vorübungen statt. So trainierten beispielsweise am 24. Oktober 2018 niederländische Truppenteile mit ihren Schützenpanzern des Typs CV90 den Übergang über den Fluss Rena. Bedient wurde dabei das amphibischen Brücken- und Fährsystem M3 der Bundeswehr von Soldaten 2. Kompanie des multinationalen Pionierbataillons VJTF (Very High Readiness Joint Task Force).
(Foto: Marco Dorow/Bundeswehr)
2. Vorübung am 23. Oktober 2018 auch nahe der Gemeinde Rena. Angehörige des zur Panzerlehrbrigade 9 gehörenden Panzerlehrbataillons 93 trafen sich hier mit Spezialisten der 12. Kampfhubschrauber-Brigade der U.S. Army (stationiert in Ansbach) zur Einweisung in das Fluggerät. Das Panzerlehrbataillon 93 stellt den Kern des Deutschen Gefechtsverbandes VJTF (L) 2019 und so auch während der multinationalen NATO-Übung in Norwegen.
(Foto: NATO)
3. Generalmajor Odd Egil Pedersen lieferte der Presse im Vorfeld von „Trident Juncture 18“ weitere Details zu den teilnehmenden Nationen. Die Aufnahme zeigt den Norweger bei einem früheren Auslandseinsatz in Afghanistan.
(Foto: Lars Magne Hovtun/Norwegische Streitkräfte)
4. Unsere Infografik nennt Einzelheiten zur NATO-Großübung „Trident Juncture 18“ in Norwegen.
(Foto: Marco Dorow/Bundeswehr; Infografik © Christian Dewitz/mediakompakt 10.18)
Kleines Beitragsbild: Bundeswehrsoldaten üben am 24. Oktober 2018 mit ihrem amphibischen Brücken- und Fährsystem M3 das Übersetzen über den Fluss Rena. Die Spezialisten gehören zur 2. Kompanie des multinationalen Pionierbataillons VJTF (Very High Readiness Joint Task Force). Mit dem M3-System der Bundeswehr konnten an diesem Abend schließlich polnische Kampfpanzer des Typs Leopard 2 das Gewässer überqueren. Diese Aufnahme wurde auch als Hintergrundbild für unsere Infografik verwendet.
(Foto: Marco Dorow/Bundeswehr)