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Berlin/Wilhelmshaven. Der Wehrbeauftragte des Deutschen Bundestags fürchtet, dass unserer Marine die einsatzfähigen Schiffe ausgehen. In einem Gespräch mit Bild am Sonntag (11. Februar) fordert Hans-Peter Bartels deshalb mit Nachdruck, jetzt auf weitere internationale Einsätze zu verzichten. Der Zeitung sagte er, es sollten keine neuen maritimen Missionen für die NATO, die Europäische Union oder die Vereinten Nationen mehr dazukommen. In einem Interview mit der Neuen Osnabrücker Zeitung hatte sich Bartels erst am Freitag (9. Februar) zu den Koalitionsvereinbarungen und den geplanten Ausgaben für die Bundeswehr geäußert.

Seine Warnung vor weiteren Auslandseinsätzen der deutschen Marine begründete der Wehrbeauftragte unter anderem mit dem Ersatzteilmangel, der zu längeren Werftaufenthalten führen würde. Selbst einfache Ersatzteile wie Einspritzpumpen oder Ölkühler für die Fregatten hätte die Marine nicht im Depot, so der SPD-Politiker kopfschüttelnd. Die Lieferzeiten betrügen bei diesen Teilen bis zu sechs Monate.

Ein weiteres Hindernis sei die Bürokratie. Bartels kritisierte in Bild am Sonntag (BamS): „Es gibt zu viele Zuständigkeiten auf der Ämterseite, Personalmangel und manchmal vielleicht auch Firmen, die sich gern so lange wie möglich an einem einmal erteilten Auftrag festhalten.“

Im Augenblick gestaltet sich die materielle Einsatzbereitschaft unserer Marine, speziell im Bereich der schwimmenden Waffensysteme, äußerst problematisch. Dazu eine kleine Bestandsaufnahme – fangen wir mit den Unterseebooten an …

Ruderanlage des letzten einsatztauglichen Bootes vor Norwegen beschädigt

Bis auf „U31“ sind derzeit alle anderen fünf deutschen Unterseeboote nicht einsatzbereit. „U31“ unternimmt – nach einem langen Werftaufenthalt von fast vier Jahren – momentan Probefahrten in der Ostsee und soll voraussichtlich Ende März der Teilstreitkraft wieder zur Verfügung stehen. Fehlende Ersatzteile sind der Hauptgrund für den Ausfall der übrigen Boote, die planmäßig gewartet und überholt werden müssen beziehungsweise in Reparatur sind (wie „U35“, das am 15. Oktober bei Manövern im Rahmen der Tiefwassererprobung im Kattegat vor dem norwegischen Kristiansand beschädigt wurde und nun bei ThyssenKrupp Marine Systems in Kiel im Dock liegt).

Die Marineführung schätzt, dass „aller Voraussicht nach“ ab November 2018 vier ihrer sechs Uboote für operative Aufgaben wieder verfügbar sein werden.

Ein anderes Beispiel für die missliche Materiallage der Teilstreitkraft ist die neue Fregatte „Baden-Württemberg“. Ihr Zulauf zieht sich hin. Wie das Presse- und Informationszentrum der Marine am 22. Dezember mitteilte, werde sich die Abnahme des Schiffes „aufgrund von fehlenden erfolgreich abgeschlossenen Funktionsnachweisen in See“ weiter verzögern. Der Auftragnehmer, die Arbeitsgemeinschaft der Werften ThyssenKrupp Marine Systems und Lürssen (ARGE F125), habe eine längere Liegezeit „für die Fehler- und Restpunktbehebung“ in Hamburg eingeplant. Diese Phase der Nacharbeiten hat am 19. Januar begonnen. Ende? Offen!

Monatelanger Ausfall aller drei Einsatzgruppenversorger

Wehrbeauftragter Bartels wies im Gespräch mit der BamS auch noch auf eine andere „Baustelle“ der Marine hin – die drei Einsatzgruppenversorger A1411 „Berlin“, A1412 „Frankfurt am Main“ und A1413 „Bonn“.

Im März vergangenen Jahres wurde die 2001 in Dienst gestellte „Berlin“, die in etwa die Hälfte ihrer Nutzungsdauer erreicht hat, zur Grundüberholung ins Schwimmdock der Hamburger Norderwerft (Lürssen-Werftengruppe) gebracht. Auch die „Bonn“, 2013 in Dienst gestellt und eines der jüngsten Schiffe der Flotte, trat im August 2017 in Hamburg zur „Planmäßigen Instandsetzung“ an und wird seitdem im Trockendock der benachbarten Werft Blohm+Voss überholt.

Als schließlich die „Frankfurt am Main“ am Abend des 16. März 2017 beim Einlaufen in die Seeschleuse in Wilhelmshaven mit der Schleusenmauer kollidierte, einen Schaden am Heck erlitt und ab Juni dann bei der Werft German Naval Yard in Kiel repariert werden musste, war unsere Marine im Frühjahr und Sommer über Monate ohne Versorger der Klasse 702 (der Einsatzgruppenversorger „Frankfurt am Mai“ wurde von German Naval Yards am 4. September wieder an das Trossgeschwader in Wilhelmshaven abgeliefert).

Nach einem internen Instandsetzungsbericht der deutschen Marine, aus dem die BamS zitiert, wird die Werftliegezeit für die „Berlin“ nun doch deutlich länger dauern. Gleiches soll auch für den Einsatzgruppenversorger „Bonn“ gelten.

25 Jahre lang ein Schrumpfkurs für die deutschen Streitkräfte

Sozialdemokrat Bartels hatte sich auch unmittelbar nach Ende der Koalitionsverhandlungen zu den dort getroffenen Vereinbarungen geäußert und von der neuen Bundesregierung mehr Geld für die Truppe gefordert. Die veranschlagten 250 Millionen Euro extra pro Jahr für die Bundeswehr seien nicht genug, so der Wehrbeauftragte in seinem Freitagsinterview mit der Neuen Osnabrücker Zeitung (NOZ). „Das reicht natürlich nicht“, kritisierte Bartels. Aus der Bundeswehr selbst waren zuletzt Forderungen zu hören, die um eine „Summe von 9 bis 15 Milliarden Euro für die nächsten vier Jahre“ kreisten.

Der Anwalt der Soldaten begrüßte, dass Union und SPD die Trendwenden bei Personal und Material fortsetzen wollen. Er erinnerte daran, dass die Bundeswehr sich 25 Jahre auf Schrumpfkurs befunden habe und erst 2016 die Wende eingeleitet worden sei.

Nun soll es attraktivere Bedingungen für das Personal – unter anderem mehr Pendlerunterkünfte – und eine bessere Ausbildung geben. Aber, so kritisierte Bartels: „All dies Richtige drängt auf zwei zentrale Forderungen: mehr Geld und mehr Tempo. Beides ist im Vertrag erwähnt, lässt die Lösungen aber noch offen.“ Das Bundeswehr-Paket müsse jetzt voll ausfinanziert und rasch umgesetzt werden.

Das NATO-Ziel, zwei Prozent des Bruttoinlandsproduktes für Verteidigung auszugeben, wird im Koalitionsvertrag nicht explizit genannt. Nach Einschätzung des Wehrbeauftragten ist dieses Ziel auch nicht mehr angedacht. „Niemand in Berlin plant eine große Zwei-Prozent-Bundeswehr“, sagte Bartels der NOZ. Er nannte als Größenordnung stattdessen etwa 1,5 Prozent unserer Wirtschaftsleistung (Deutschland liegt trotz steigender Verteidigungsausgaben derzeit nur bei 1,2 Prozent).

Einsatzbereitschaft der Bundeswehr generell nicht zufriedenstellend

Dass die Einsatzbereitschaft der Bundeswehr insgesamt mehr als zu wünschen übrig lässt, räumt auch das Bundesministerium der Verteidigung ein. Die Einsatzbereitschaft sei generell nicht zufriedenstellend, sagte Oberst Holger Neumann am heutigen Montag (12. Februar) anlässlich der Bundespressekonferenz in Berlin. Neumann ist Stellvertreter von Sprecher Jens Flosdorff und Leiter des Bereichs „Presse“ im Presse-und Informationsstab des BMVg.

Wie Neumann weiter ausführte, habe man zwar vor dem Hintergrund veränderter sicherheitspolitischer Rahmenbedingungen bei Finanzen und Material Trendwenden eingeleitet. Damit diese die gewünschte Wirkung entfalten könnten, seien allerdings „Nachhaltigkeit und Zeit“ nötig. Insgesamt sei dies keine Entwicklung, die innerhalb von Monaten abgeschlossen werden könne, dafür brauche es vielmehr Jahre.


Unser Bild vom 23. März 2013 zeigt den Einsatzgruppenversorger A1413 „Bonn“ in seinem Heimatstützpunkt Wilhelmshaven.
(Foto: Sophie Fiebeler/Presse- und Informationszentrum Marine)

Kleines Beitragsbild: Der Einsatzgruppenversorger „Bonn“ an der Instandsetzungspier in Wilhelmshaven; die Aufnahme stammt vom 9. September 2013.
(Foto: Sophie Fiebeler/Presse- und Informationszentrum Marine)


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