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Berlin. Das Thema „Afghanistaneinsatz der Bundeswehr“ rückt wieder in den Fokus der Öffentlichkeit. Am morgigen Mittwoch (7. März) will das geschäftsführende Bundeskabinett seinen Bericht zur Lage im Einsatzland beschließen. Am Donnerstag kommender Woche (15. März) wird das Parlament über eine Verlängerung des Mandats für eine Beteiligung der Bundeswehr an der „Resolute Support Mission“ in Afghanistan beraten. Der dazu von der Bundesregierung vorgelegte Antrag soll im Anschluss an die dreiviertelstündige Debatte zur federführenden Beratung an den Auswärtigen Ausschuss überwiesen werden. Das derzeitige Mandat für den NATO-geführten Einsatz „Resolute Support“ läuft am 31. März aus.

An der „Resolute Support Mission“ (RSM) beteiligt sich Deutschland momentan mit 963 Bundeswehrangehörigen, darunter 69 Frauen. 75 deutsche Reservisten gehören derzeit ebenfalls zum Kontingent in Afghanistan. Die aktuelle Mandatsobergrenze beträgt 980 Soldaten.

Wie die Deutsche Presse-Agentur am letzten Wochenende berichtete, sollen künftig bis zu 1300 Bundeswehrsoldaten zu RSM abkommandiert werden können. Hauptgrund für die Truppenaufstockung ist vor allem die Ausbreitung der radikal-islamischen Taliban und der Terrormiliz „Islamischer Staat“ (IS) in Afghanistan. Die NATO will deshalb auch ihre Truppen am Hindukusch von derzeit rund 13.000 auf etwa 16.000 Mann steigern.

Eine Rückkehr zu Kampfeinsätzen, die die NATO bis Ende Dezember 2015 durchgeführt hatte, bleibt ausgeschlossen. Im Rahmen der RS-Mission dürfen NATO-Soldaten afghanische Sicherheitskräfte lediglich trainieren, ihnen assistieren und sie beraten.

Bericht zeichnet ein düsteres Bild von der Lage am Hindukusch

Die Bundesregierung stellt sich offenbar auf ein langfristiges Engagement in Afghanistan ein. Wie das ARD-Hauptstadtstudio am heutigen Dienstag (6. März) meldete, zeichnet die Regierung dabei ein düsteres Bild von der Lage im Land. Die ARD-Kollegen, die vorab Einblick in den aktuellen Perspektivbericht zum deutschen Engagement am Hindukusch erhielten, berichteten vorab über wichtige Passagen aus dem Regierungsdokument.

So sei die Lage in Afghanistan nach Bewertung der Bundesregierung „geprägt durch unzureichende Effektivität der staatlichen Verwaltung und Sicherheitskräfte, verstärkte Angriffe der Taliban sowie von IS-Gruppen, Korruption, Armut und Arbeitslosigkeit, Flucht und Migration.“

Dass sich zwischen der afghanischen Armee und den Taliban zuletzt ein „strategisches Patt“ gebildet habe, wertet die Regierung laut ARD „bereits als Fortschritt“. Die staatlichen Sicherheitskräfte hätten sich dafür aus den ländlichen Regionen zurückgezogen und konzentrierten sich auf den Schutz der Bevölkerungszentren. Sie hätten nun „die überwiegende Kontrolle über 60 Prozent des Territoriums mit etwa zwei Dritteln der Bevölkerung“, zitiert die ARD aus dem Perspektivbericht.

Auch im Verantwortungsbereich der Bundeswehr im Norden des Landes habe sich die Bedrohungslage verschärft. Weil der Schutz der Ausbilder nicht mehr gewährleistet werden könne, sei die Bundeswehr derzeit gerade einmal in der Lage, die Hälfte der vereinbarten Ausbildungsverpflichtungen zu erfüllen. Dies sei auch die eigentliche Begründung für die angestrebte Aufstockung des Mandats von 980 auf 1300 Soldaten.

Rahmenbedingungen für ziviles Engagement haben sich deutlich verschlechtert

Wie instabil die Lage in Afghanistan mittlerweile ist, wird auch an der Beurteilung der Bundesregierung im Hinblick auf die zivile Komponente der Afghanistanhilfe deutlich. Die Rahmenbedingungen für das zivile Engagement Deutschlands – so das ARD-Hauptstadtstudio – hätten sich in den letzten Jahren deutlich verschlechtert: „Kampfhandlungen, Anschläge und Entführungsgefahr erlauben Investitionen und Beratungsleistungen nur noch unter strengen Sicherheitsvorkehrungen.“

Die Bundesregierung fordere angesichts der schwierigen Entwicklung in Afghanistan „einen langen Atem“ und warne eindringlich vor einer Abzugsdebatte. Im Perspektivbericht heißt es: „Der Aufbau funktionsfähiger Sicherheitskräfte, die Stärkung rechtsstaatlicher Institutionen sowie die gesellschaftliche Überwindung eines jahrzehntelangen Konflikts sind Generationenaufgaben, die strategische Geduld erfordern.“ Ein vorzeitiger Abbruch des militärischen oder zivilen Engagements „könnte eine Kettenreaktion mit unkalkulierbaren Folgen für die innere wie regionale Stabilität auslösen“.

Über Berater und die Beschützer der Berater

Näheres über die deutsche Beteiligung an RSM wollte vor Kurzem die Bundestagsabgeordnete Agnieszka Brugger (Bündnis 90/Die Grünen) in Erfahrung bringen. In ihrer Schriftlichen Frage an die Bundesregierung erkundigte sie sich: „Wie viele der deutschen Soldaten der NATO-geführten Mission ,Resolute Support‘ wurden in den letzten zwölf Monaten de facto zur direkten Ausbildung und Beratung afghanischer Sicherheitskräfte eingesetzt, und wie viele Soldaten wurden im Rahmen der aktuellen Mandatsobergrenze für deren Schutz bereitgestellt?“

Ralf Brauksiepe, Parlamentarischer Staatssekretär bei der Bundesministerin der Verteidigung, antwortete am 15. Februar: „Im Train, Advise, Assist Command (TAAC) North werden neben den ausschließlich für die Beratung eingesetzten Kräften auch Kräfte in Nebenfunktion zur Beratung eingesetzt. Hier sind beispielhaft der deutsche Kommandeur des TAAC North zu nennen, wenn er Gespräche (Key Leader Engagements) mit Führungspersonal der Afghan National Defense and Security Forces durchführt, und ebenso das multinationale Personal des Stabes TAAC North in dessen fachlicher Tätigkeit auf der entsprechenden Ebene. Darüber hinaus wurden und werden gesonderte Ausbildungen durchgeführt, für die Personal aus dem Stab des TAAC North oder zusätzlich temporär in das Einsatzgebiet verlegte Kräfte eingesetzt werden (beispielsweise ,Joint Fire Support Training‘ sowie ,Kampf in schwierigem Gelände‘).“

Zahl der „Guardian Angels“ wurde inzwischen verdoppelt

Auf Weisung des Hauptquartiers Resolute Support (RS) habe man seit April 2017 „wegen der erhöhten Bedrohungslage“ das in Afghanistan erforderliche Schutzkonzept angepasst, so Brauksiepe weiter. Dadurch seien nun deutlich mehr Schutzkräfte bei Ausbildungs- oder Beratungsaufgaben erforderlich. So sei beispielsweise die Zahl der für jeden Beratenden durchgängig erforderlichen persönlichen Schutzkräfte (sogenannte „Guardian Angels“) verdoppelt worden. Für Bewegungen des Ausbildungs- und Beratungspersonals sei die Zahl des erforderlichen Schutzpersonals – wie auch die Zahl der mindestens erforderlichen Kraftfahrzeuge – um 50 Prozent erhöht worden.

Der Staatssekretär musste allerdings einräumen: „Eine entsprechend erforderliche Anpassung dieses Umfangs an Schutzpersonal konnte bislang – auch seitens unserer Partnernationen in der Nordregion – nicht realisiert werden. Aufgrund der begrenzten Zahl der verfügbaren Schutzkräfte konnten Beratungseinsätze nicht wie geplant durchgeführt werden.“

Grundsätzlich ist Deutschland als Rahmennation in der Pflicht

Brauksiepe wies auch darauf hin, dass das deutsche Einsatzkontingent seit Januar dieses Jahres die Führung über das neu aufgestellte Beraterteam an der Command and Staff Academy der afghanischen Armee in Kabul übernommen hat.

Er erklärte dazu: „So macht der Einsatz von Beratenden und Ausbildenden außerhalb des Camps Marmal für die entsprechenden Schutzkräfte des TAAC North nahezu eine Verdoppelung der bisher verfügbaren Schutzkräfte erforderlich. Dies führt auch zu einem erhöhten Bedarf an für die Einsatzunterstützung erforderlichem Personal. Soweit keine Partnernation diese Kräfte bereitstellt, ist grundsätzlich Deutschland als Rahmennation in der Pflicht.“

Grüne fordern „ehrliche Debatte über realistische Ziele der Afghanistanmission“

Lassen wir zum Schluss noch einmal Agnieszka Brugger zu Wort kommen. Die Stellvertretende Fraktionsvorsitzende und Verteidigungsexpertin der Grünen beklagt die geplante Ausweitung des deutschen Einsatzes am Hindukusch: „Auch im 17. Jahr des Afghanistaneinsatzes kann das Verteidigungsministerium noch immer nicht ansatzweise darstellen, welche Ziele mit diesem Militäreinsatz überhaupt noch realistisch erreicht werden sollen. Die Bundesregierung verweigert sich einer dringend notwendigen unabhängigen Auswertung des deutschen Engagements, während sie das Truppenkontingent in Afghanistan einfach weiter aufstockt.“

Brugger fordert mit Nachdruck „endlich eine ehrliche Debatte über realistische Ziele dieses Einsatzes und Kriterien für eine Exit-Strategie“. Leere Durchhalteparolen seien gerade bei einem so schwierigen Mandat völlig verantwortungslos, warnt sie.

Linke wollen Ende aller Auslandseinsätze und Rückkehr zur Landesverteidigung

Noch extremer denkt Matthias Höhn von den Linken. Der sicherheitspolitische Sprecher seiner Fraktion verlangt „angesichts des schlechten Zustandes der Bundeswehr“ das Ende aller Auslandseinsätze. In einem Gespräch mit der Neuen Osnabrücker Zeitung (Ausgabe vom 21. Februar) sagte Höhn: „Der Verteidigungshaushalt ist seit 2014 um gut 20 Prozent auf fast 40 Milliarden Euro gestiegen. Deshalb fühlt sich in Deutschland aber niemand sicherer und auch die Situation der Bundeswehr ist dadurch nicht besser geworden.“ Der Zustand der Truppe sei unter Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen desolat.

Höhn sprach sich dafür aus, die Auslandseinsätze zu beenden. „Die Bundeswehr muss sich wieder auf ihren im Grundgesetz verankerten Auftrag besinnen: die Landesverteidigung. Derzeit ist die Bundeswehr in 13 Auslandseinsätzen aktiv, darunter seit 17 Jahren in Afghanistan.“ Afghanistan stehe exemplarisch für das Scheitern von Auslandseinsätzen der Bundeswehr, meinte der Bundestagsabgeordnete der Linken.


Unser Bild zeigt Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen bei ihrem Truppenbesuch in Afghanistan am 19. Dezember 2017. Im Camp Marmal in Mazar-e Sharif sprach sie mit Bundeswehrangehörigen aller Dienstgrade über die Mission „Resolute Support“.
(Foto: Jane Schmidt/Bundeswehr)


Kommentare

  1. Nagel-Ludwig | 10. März 2018 um 23:46 Uhr

    Die Bundeswehr und die Streitkräfte der USA müssen weiterhin den Menschen in Afghanistan helfen, wieder zurück in ein lebenswertes Leben zu finden. Helfen gegen die Menschen, die im eigenen Land keinen Respekt vor dem Leben haben!

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