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Tel Aviv (Israel)/Berlin. Verleitet der Wehrdienst Militärangehörige zum Rauchen? Ein israelisches Forscherteam um Dr. Laura Rosen von der School of Public Health der Universität von Tel Aviv meint: ja! In der Fachzeitschrift „Nicotin & Tobacco Research“ berichteten die Forscher, dass ihren Untersuchungen zufolge die Zahl der Raucher während der Wehrdienstzeit um rund 40 Prozent angestiegen sei (um 40,3 Prozent bei den Männern und um 32,4 Prozent bei den Frauen). Dies habe eine Langzeitstudie mit etwa 30.000 israelischen Soldaten im Zeitraum von 1987 bis 2011 ergeben. Erhebungen über den Anteil der Raucher in der Bundeswehr und den Grad ihrer Abhängigkeit sind auch schon bei uns durchgeführt worden.

Das israelische Forscherteam fand heraus, dass von denjenigen, die vor der Einberufung noch nie geraucht hatten, rund 18 Prozent beim Militär erstmals zur Zigarette gegriffen haben. Von denen, die das Rauchen zuvor schon aufgegeben hatten, nahmen es 56 Prozent während des Wehrdienstes wieder auf. Allerdings wurde auch ermittelt, dass zwölf Prozent der Raucher ihre Sucht während des Wehrdienstes besiegen und das Rauchen beenden konnten.

Die Wissenschaftler fordern nun vom israelischen Militär effektive Maßnahmen gegen den Tabakkonsum. Dazu müssten ihrer Ansicht nach die Durchsetzung von Rauchverboten in öffentlichen Bereichen sowie ein Lieferstopp für kostenlose oder billigere Zigaretten gehören.

Rauchen seit 2007 in allen Gebäuden der Bundeswehr verboten

Das Thema „Zigarettenabhängigkeit bei Soldaten“ ist aus wehrmedizinischer Sicht lange Zeit auch bei der Bundeswehr vernachlässigt worden. Zwar hat der Dienstherr inzwischen mit seinem „Erlass zum Schutz der nichtrauchenden Personen vor Passivrauchen im Geschäftsbereich des Bundesministeriums der Verteidigung“ vom 15. August 2007 das Bundesnichtraucherschutzgesetz umgesetzt (damit ist das Rauchen in allen Bundeswehr-Gebäuden – also auch Unterkunftsgebäuden – untersagt; im Kasernenbereich können aber Raucherinseln eingerichtet werden). Studien belegen jedoch, dass die Zahl der rauchenden Bundeswehrangehörigen immer noch sehr hoch ist.

Experten verweisen auf mittlerweile gesicherte Erkenntnisse zu den Langzeitschäden des Rauchens und warnen, so wie die Autoren des Beitrages „Zigarettenabhängigkeit bei Soldaten der Bundeswehr“ (erschienen in der Wehrmedizinischen Monatsschrift 2/2015): „Das Tabakrauchen ist das größte vermeidbare Gesundheitsrisiko unserer Zeit. Die dadurch verursachten zahlreichen Erkrankungen sind jährlich global für den Tod von über sechs Millionen Menschen verantwortlich. Der Konsum tötet statistisch beinahe jeden zweiten Abhängigen, die Hälfte dieser vorzeitigen Todesfälle tritt bereits im mittleren Lebensalter ein. […] Chronisches Rauchen hat nicht nur negative Folgen auf die körperliche Gesundheit, es reduziert auch nachhaltig die seelische Belastungsfähigkeit.“

Unmittelbar negative Auswirkungen auf die Einsatzfähigkeit

Der Beitrag der Wehrmedizinischen Monatsschrift zitiert unter anderem eine Querschnittsstudie von Dr. Sebastian Trautmann aus dem Jahr 2014. Der Diplom-Psychologe kam bei seinen damaligen Untersuchungen zu dem Ergebnis, dass von 2372 befragten Bundeswehrsoldaten im Durchschnittsalter von 30 Jahren rund 55 Prozent Raucher waren. Im Schnitt konsumierten diese Personen pro Tag im Schnitt etwa 16 Zigaretten.

Prof. Dr. med. Stefan Kropp, Chefarzt am Asklepios Fachklinikum Teupitz (Brandenburg) für Psychiatrie, Psychotherapie und Psychosomatik, nannte 2013 anlässlich einer Fachtagung in Berlin ebenfalls Zahlen zum Zigarettenkonsum in der Truppe. Bei seinem Vortrag auf Einladung der DGPPN (Deutsche Gesellschaft für Psychiatrie und Psychotherapie, Psychosomatik und Nervenheilkunde) zitierte er unter anderem aus einer Pilotstudie über das Rauchverhalten in den deutschen Kampftruppen. Demnach betrug der Anteil der regelmäßigen Zigarettenraucher in diesem untersuchten Bereich der Streitkräfte 56,4 Prozent. In der Altersgruppe der 18- bis 29-jährigen Soldaten lag Kropp zufolge die Raucherquote sogar bei 59,3 Prozent.

Die Autoren des Beitrages in der Wehrmedizinischen Monatsschrift fordern abschließend: „Zigarettenkonsum kann sich sowohl unmittelbar negativ auf die Einsatzfähigkeit auswirken als auch langfristige schädliche Auswirkungen auf die Gesundheit haben. […] Die bestehenden Paradigmen der truppenärztlichen Wertung und Behandlung dieser stofflichen Abhängigkeitserkrankung sollten kritisch reflektiert werden. Notwendige Präventionsprogramme und Therapieangebote der Bundeswehr hierzu gilt es weiter zu fördern und auszubauen.“ Klingt verschnörkelt, bedeutet aber nichts anderes als: Es muss hier endlich auf diesem Suchtgebiet mehr getan werden!


Unsere Infografik zeigt die Graduierung der Zigarettenabhängigkeit bei Soldaten. Die Daten nannte Dr. med. Stefan Kropp bei seinem DGPPN-Fachvortrag 2013 in der Bundeshauptstadt. Das Hintergrundbild, ein rauchender Bundeswehrsoldat, nutzen wir mit freundlicher Erlaubnis des Berliner Antiquitätengeschäfts Bartko-Reher/www.ak-ansichtskarten.de.
(Infografik © mediakompakt 02.17)

Kleines Beitragsbild: Zigarettenpause bei der Bundeswehr …
(Foto: mk)


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