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Berlin/Brüssel. Die Bundeswehr will ihre bereits bestehenden Partnerschaften mit Truppenteilen anderer NATO-Mitgliedstaaten nun um Kooperationen mit Tschechien und Rumänien ergänzen. Dies berichtete am gestrigen Donnerstag (9. Februar) die Frankfurter Allgemeine Zeitung (FAZ). Wie Johannes Leithäuser, Politischer Korrespondent des Blattes in Berlin, in seinem Beitrag „Bundeswehr will ,Ankerarmee‘ für kleine NATO-Partner werden“ schreibt, wollen die Tschechische Republik und Rumänien Teile ihrer Heerestruppen in die Kommandostruktur unserer Streitkräfte einbinden. Entsprechende Vereinbarungen sollen beim Treffen der Verteidigungsminister des Bündnisses am Mittwoch und Donnerstag kommender Woche (15. und 16. Februar) in Brüssel unterzeichnet werden.

Die Regierungen beider Länder erhofften sich von dieser Kooperation mit Deutschland unter anderem „Ausbildungsvorteile und Führungserfahrung“, so Leithäuser. Bislang liegen laut FAZ Absichtserklärungen vor, die kommende Woche in Brüssel von Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen und ihren beiden Amtskollegen Martin Stropnický (Tschechien) und Gabriel-Beniamin Leș (Rumänien) abgeschlossen werden sollen.

Zusammenarbeit mit 10. Panzerdivision und Division Schnelle Kräfte

In die Bundeswehr-Kommandostruktur eingebunden werden sollen künftig – wie die FAZ ausführt – die 4. Schnelle Eingreifbrigade der tschechischen Armee (4. brigáda rychlého nasazení/4th Rapid Deployment Brigade) aus Žatec und die 81. Mechanisierte Brigade der Rumänen (Brigada 81 Mecanizata „General Grigore Balan“/81st Mechanized Brigade „General Grigore Balan“) aus Bistrita. Die 4. Schnelle Eingreifbrigade soll der 10. Panzerdivision der Bundeswehr in Süddeutschland „beigestellt“, die 81. Mechanisierte Brigade der Division Schnelle Kräfte zugeordnet werden.

Weiter hat der Berlin-Korrespondent der Zeitung in Erfahrung gebracht: „Die Zusammenarbeit soll den Austausch von Führungspersonal, vor allem aber gemeinsame Ausbildungs- und Übungszeiten umfassen, um künftig auch gemeinsame Einsatz- oder Bereitschaftszeiten für bestimmte NATO-Rollen – etwa die Schnelle Eingreiftruppe der Allianz – anbieten zu können.“

Geht nach und nach immer mehr Schlüsselfähigkeit verloren?

Das Vorhaben „Ankerarmee für kleine NATO-Partner“ gründet auf dem theoretischen Unterbau des Rahmennationen-Konzepts. Dieses im Juni 2013 von Deutschland im Bündnis vorgestellte Konzept (Framework Nations Concept, FNC), ein „Kind“ des damaligen Bundesverteidigungsministers Thomas de Maizière, geht von drei tief greifenden Entwicklungen aus.

Diese sind von den Wissenschaftlern Claudia Major und Christian Mölling im November 2014 in einer Analyse für die Stiftung Wissenschaft und Politik (SWP) wie folgt skizziert worden: „Die Aufgliederung in kleine und große Armeen [wird sich] immer stärker ausprägen. Kleine Streitkräfte spezialisieren sich notgedrungen auf einige wenige Bereiche, in denen sie noch international relevante Beiträge leisten können – etwa ABC-Abwehr – ohne aber, dass diese Spezialisierung koordiniert würde. Große Staaten hingegen haben ihre Streitkräfte so verkleinert, dass zwar militärisch noch alles vorhanden ist, aber in viel zu geringer Menge, um allein länger in einem Einsatz bestehen zu können.“ Der Kostendruck verhindere zudem weitgehend die Beschaffung von Fähigkeiten wie Tankflugzeuge oder Transporter, die Armeen schnell, beweglich, kampfkräftig und durchhaltefähig machen, kritisieren die Autoren. Zudem gehe schrittweise Schlüsselfähigkeit verloren, um militärische Einsätze überhaupt durchführen zu können. Dazu gehörten Fähigkeiten in den Bereichen Kommunikation, Logistik und Aufklärung oder sogenannte Nischenfähigkeiten wie Luftabwehr und medizinische Versorgung. All dies könnten die Europäer nur noch gemeinsam bereitstellen.

Militärische Grundausstattung plus zusätzliche Spezialfähigkeiten

Nach dem deutschen Konzept der „Rahmennationen“ sollen sich größere und kleinere europäische Staaten darauf verständigen, wer dauerhaft welche Geräte und Truppen stellt. Daraus sollen zahlreiche Kooperationsfelder („Fähigkeitscluster“) abgeleitet werden. Die Führung des Clusters übernimmt jeweils die Rahmennation.

Major und Mölling (der mittlerweile in Berlin für die Stiftung German Marshall Fund tätig ist) erläuterten in ihrem SWP-Beitrag: „Die Framework Nation bringt vor allem die militärische Grundausstattung in die Kooperation ein – beispielsweise Logistik oder Führungseinrichtungen. An dieses ,Rückgrat‘ docken die kleineren Armeen ihre Spezialfähigkeiten an, etwa Luftabwehr oder Pioniere. So wird der Verbund als Ganzes leistungsfähiger und kann einen Einsatz länger durchhalten. Zudem müssten dann nicht mehr alle Staaten alles vorhalten und bezahlen. Folglich wäre mehr Geld vorhanden, um das zu beschaffen, was die Gruppe benötigt. Die einzelnen Cluster sollen dann ein kohärentes Fähigkeitspaket ergeben.“ Gesagtes gilt auch für die neuen Kooperationen der Bundeswehr mit den Verbänden aus Tschechien und Rumänien.

„Das von Deutschland eingeführte Framework Nations Concept funktioniert“

Nachdem das von Deutschland initiierte Rahmennationen-Konzept bereits auf dem NATO-Gipfel 2014 im walisischen Newport großen Zuspruch erfahren hatte, entwickelte es sich in absolut positive Richtung. Karl-Heinz Kamp etwa, der Präsident der Bundesakademie für Sicherheitspolitik, urteilte im Sommer 2016 im Vorfeld des Bündnisgipfels von Warschau: „Das von Deutschland eingeführte Framework Nations Concept funktioniert und hat die militärischen Fähigkeiten einzelner Länder zu schlagkräftigen Formationen zusammengefasst.“

Inzwischen unternimmt Deutschland nach Auskunft von Konteradmiral Thomas Jugel, dem Amtschef des Planungsamtes der Bundeswehr, „gemeinsam mit weiteren 15 FNC-Nationen erhebliche Anstrengungen, um für prioritär zu schließende Fähigkeitslücken einen wichtigen Beitrag zu leisten“. Alleine sechs Bündnisstaaten (Bulgarien, Estland, Lettland, Litauen, Rumänien und die Tschechische Republik) sind zuletzt während des Treffens der NATO-Verteidigungsminister am 24. und 25. Juni 2015 der Initiative „Rahmennationen“ beigetreten.

Fähigkeitsdefizite in enger Abstimmung zwischen NATO und EU schließen

Im September vergangenen Jahres beantwortete die Bundesregierung eine Anfrage der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen (vom 2. August 2016) zum Themenkomplex „Weiterentwicklung der Gemeinsamen Sicherheits- und Verteidigungspolitik der EU“. Auch das Rahmennationen-Konzept spielte darin eine Rolle.

Die Parlamentarier um Agnieszka Brugger, Tobias Lindner und Doris Wagner wollten unter anderem wissen, warum die Bundesregierung bis dahin darauf verzichtet habe, das Framework Nations Concept auch als Konzept für eine intensivierte Zusammenarbeit innerhalb der Europäischen Union vorzuschlagen.

Die Bundesregierung erläuterte in ihrem Papier zunächst noch einmal die Konzeptziele: „Das Rahmennationen-Konzept ist auf die gemeinschaftliche Entwicklung und strukturelle Bereitstellung von Fähigkeiten und Kräften durch mehrere Nationen ausgerichtet, die eng und intensiv miteinander zusammenarbeiten wollen und können. Diese Initiative beabsichtigt, die im Rahmen des NATO-Verteidigungsplanungsprozesses (NATO Defence Planning Process, NDPP) individuell zugewiesenen Planungsziele gemeinsam besser zu erreichen und dadurch das Fähigkeitsspektrum der Allianz vollständig zu befüllen, Lücken zu schließen und Streitkräfte zum besseren funktionalen Zusammenwirken zu befähigen.“

Die „Bereitschaft zur Öffnung“ dieser Initiative für Kooperationen mit Partnernationen und bestehenden multinationalen Institutionen der Fähigkeitsentwicklung – beispielsweise der Europäischen Verteidigungsagentur – sei unlängst während des Warschauer NATO-Gipfels (8. und 9. Juli 2016) durch die Verteidigungsminister der am Rahmennationen-Konzept beteiligten Mitgliedstaaten beschlossen worden. Im Zuge dieser Öffnung werde daher auch eine Kooperation mit EU-Mitgliedstaaten, welche nicht zugleich Mitglied der NATO sind, „in Erwägung“ gezogen, so die Bundesregierung. Ziel dabei sei es, „im Rahmen der praxisorientierten Kooperation zwischen EU und NATO das europäische Potenzial in der Fähigkeitsentwicklung weiterzuentwickeln und bestehende Fähigkeitsdefizite in enger Abstimmung zwischen beiden Organisationen zu schließen“.


Zu unserer Bildauswahl:
1. Angehörige der 4. Schnellen Eingreifbrigade der tschechischen Armee – werden sie bald gemeinsam mit Soldaten des deutschen Heeres üben?
(Foto: Jirí Hokuv/Ministerstvo obrany Ceské republiky, Verteidigungsministerium der Tschechischen Republik)

2. Am 2. September 2016 besuchte Generalleutnant Carsten Jacobson, Kommandeur Einsatz und stellvertretender Inspekteur des deutschen Heeres, das Hauptquartier der 4. Schnellen Eingreifbrigade im tschechischen Žatec. Die Aufnahme zeigt ihn mit Generalmajor Jan Gurnik, dem Chef des tschechischen Heeres (links).
(Foto: Milan Nemec/ Armáda České republiky, Tschechische Armee)

3. Eine Formation der 81. Mechanisierten Brigade „General Grigore Balan“ angetreten im rumänischen Bistrita.
(Foto: Robert Pop/ Forțele Terestre Române, Rumänische Landstreitkräfte)

Kleines Beitragsbild: Soldaten der 4. Schnellen Eingreifbrigade der tschechischen Armee.
(Foto: Jirí Hokuv/Ministerstvo obrany Ceské republiky)


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