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Berlin/Bremerhaven/Kiel. Wie das bundeswehr-journal am Mittwoch (11. Oktober) aus Marinekreisen erfuhr, wird die Generalüberholung der „Gorch Fock“ wohl „über das dritte Quartal 2018 hinaus“ andauern. Die traditionsreiche Dreimastbark befindet sich bereits seit Weihnachten 2015 in der Werft – zunächst in Elsfleth an der Unterweser, danach im Schwimmdock der Bredo-Werft in Bremerhaven. Nach unseren Informationen muss bei dem Segelschulschiff der deutschen Marine inzwischen „bis auf den Kiel alles“ erneuert werden. Eine Teilnahme der „Gorch Fock“ im kommenden Jahr an der Kieler Woche (16. bis 24. Juni) und an der Hanse Sail Rostock (9. bis 12. August) gilt schon jetzt als ausgeschlossen.

Radio Bremen befasste sich am gestrigen Donnerstag in seinem Regionalmagazin „buten un binnen“ ebenfalls mit dem Zustand des Großseglers und berichtete, dass mit der erneuten Indienststellung „frühestens 2019“ zu rechnen sei. Eigentlich sollte die „Gorch Fock“ das Dock der Bredo-Werft im kommenden Frühjahr verlassen, doch nun werde es „mindestens September 2018“ werden.

Als Grund für die massiven Verzögerungen nannte auch Radio Bremen den „weiteren Reparaturaufwand“. Den Informationen des Senders zufolge soll „die Schiffswand fast vollständig ausgetauscht“ werden. Zudem werde die „Gorch Fock“ ein neues Deckhaus erhalten. Die Gesamtkosten schätzt die Marine nach wie vor auf rund 75 Millionen Euro.

In den vergangenen fünf Jahren bereits 13,3 Millionen Euro investiert

Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen hatte am 26. Januar dieses Jahres entschieden, das Segelschulschiff über das Jahr 2030 hinaus zur Ausbildung des Führungsnachwuchses in Dienst zu belassen. Damit war zugleich die vorläufig gestoppte Instandsetzung der Dreimastbark wieder aufgenommen worden (siehe auch hier).

Wie der Parlamentarische Staatssekretär Ralf Brauksiepe wenige Tage später, am 2. Februar, auf eine Anfrage des Bundestagsabgeordneten Tobias Lindner (Bündnis 90/Die Grünen) mitteilte, waren bereits „in den vergangenen fünf Jahren insgesamt 13,3 Millionen Euro an Wartungs- und Reparaturkosten“ für die „Gorch Fock“ erforderlich gewesen. Diese Kosten seien „im Zuge von zwei Werftliegezeiten und den notwendigen Wartungen und Instandsetzungen im laufenden Betrieb“ angefallen, so Brauksiepe.

Ministerin zu wirtschaftlichen Entscheidungen verpflichtet

Lindner hatte nach der ministeriellen Entscheidung, an der „Gorch Fock“ festzuhalten, darauf hingewiesen: „Natürlich ist sie ein Symbol unserer Marine. Das entbindet die Verteidigungsministerin aber nicht von der Pflicht, wirtschaftliche Entscheidungen zu treffen. Ich möchte wissen, ob man für 75 Millionen Euro nicht ein neues Segelschulschiff bekommt.“ Er könne sich als Nachfolger des betagten Großseglers gut ein europäisches Segelschulschiff vorstellen, so der Abgeordnete weiter. „Wenn von der Leyen wirklich ernst machen will mit einer gemeinsamen Offiziersausbildung in Europa, dann kann sie bei diesem Thema damit anfangen.“

Eine klare Meinung zum Dauerbrenner „Gorch Fock“ vertritt auch der Bund der Steuerzahler Schleswig-Holstein. Rainer Kersten, Geschäftsführer des in Kiel ansässigen Vereins, hatte dem bundeswehr-journal im Februar nach der Entscheidung von der Leyens, die „Gorch Fock“ weiter nutzen zu wollen, gesagt: „Die Entscheidung, noch einmal mindestens 75 Millionen Euro in die marode ,Gorch Fock‘ zu stecken, ist in keiner Weise nachzuvollziehen. Dieser Betrag übersteigt den Zeitwert des Schiffes um ein Vielfaches. Nach Presseberichten haben andere Marinestreitkräfte gerade erst neue Segelschulschiffe zu Preisen zwischen 20 und 40 Millionen Euro bauen lassen.“

Ein neues Ausbildungskonzept für den Offiziersnachwuchs?

Die „Gorch Fock“ müsse ausgesondert werden, ohne weitere Mittel für sie aufzuwenden, lautet nach wie vor die Kernforderung des Bundes der Steuerzahler. Auch brauche die deutsche Marine dringend ein neues Ausbildungskonzept für ihren Offiziersnachwuchs. Dazu Geschäftsführer Kersten: „Wenn dieses feststeht, kann auch darüber entschieden werden, ob dafür ein eigenes Segelschulschiff notwendig ist, oder ob man möglicherweise die Ausbildung auch auf gecharterten Schiffen oder zusammen mit befreundeten Nationen durchführen kann. In den letzten Jahren lag die ,Gorch Fock‘ länger im Dock, als sie im Wasser geschwommen ist. Dennoch sind keine eklatanten Defizite bei der Offiziersausbildung der Marine bekannt geworden.“

Mit Blick auf die bisherigen Reparaturaufwendungen für die Dreimastbark fordern Kersten und der Verein nach wie vor rückhaltlose Aufklärung: „Es steht die Frage im Raum, warum ein Schiff, das bis 2014 zwei Jahre lang grundüberholt wurde, jetzt schon wieder so marode sein kann. Ebenso muss geklärt werden, warum ein Teakholz-Deck, das erst 2008 eingebaut worden ist, jetzt schon wieder erneuerungsbedürftig ist. Die Marineführung muss erklären, warum der desolate Zustand des Segelschulschiffes niemandem früher aufgefallen ist.“

Als Ersatz für die Offiziersausbildung an Bord der „Gorch Fock“ ist derzeit das rumänische Segler „Mircea“ im Einsatz (wir berichteten).


Zu unserem Bildangebot:
1. Die Luftbildaufnahme vom 11. August 2008 zeigt die „Gorch Fock“ auf dem Weg von Rostock-Warnemünde nach Kiel.
(Foto: Ricarda Schönbrodt/Bundeswehr)

2. Segelschulschiff „Gorch Fock“ auf Südamerika-Tour 2010/2011. Erstmals in ihrer langen Geschichte umsegelte die Dreimastbark das Kap Hoorn, die Landspitze auf der chilenischen Felseninsel Isla Hornos. Die Aufnahme vom 14. Januar 2011 zeigt die „Gorch Fock“ vor dem Kap.
(Foto: Yvonne Knoll/Bundeswehr)


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