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Berlin. Die Entwicklung und der Bau von Mehrzweckkampfschiffen der Klasse 180 (MKS 180) zählt derzeit – neben der Beschaffung des Raketenabwehrsystems MEADS – zu den größten deutschen Rüstungsprojekten. Momentan läuft die Ausschreibung für vier dieser MKS 180, für die ursprünglich vier Milliarden Euro veranschlagt worden sind. Jetzt aber wird das Projekt wohl teurer werden. Das Verteidigungsministerium rechnet mit einem „zusätzlichen Finanzbedarf von 525 Millionen Euro“. Bereits im Oktober vergangenen Jahres war zudem bekannt geworden, dass der Vertragsabschluss für dieses Projekt erst in der neuen Legislaturperiode erfolgen soll.

Ein Schreiben des Parlamentarischen Staatssekretärs bei der Bundesministerin der Verteidigung Markus Grübel informiert den Verteidigungsausschuss darüber, dass man die Anforderungen an das neue Mehrzweckkampfschiff der deutschen Marine „auf Basis aktueller sicherheitspolitischer Entwicklungen“ erhöht habe. „Im Ergebnis führt diese Nachjustierung zu einem zusätzlichen Finanzbedarf von rund 525 Millionen Euro für vier Schiffe“, heißt es in dem Papier vom gestrigen Dienstag (25. April), das dem bundeswehr-journal vorliegt.

Die „moderate Nachjustierung der Forderungslage“ – so die verquaste Umschreibung für einen nicht unbeträchtlichen finanziellen Nachschlag – habe vor allem damit zu tun, dass planerisch „in ausgewählten Bereichen gezielt in die Zukunftsfähigkeit und Flexibilität des Waffensystems investiert und somit im Wesentlichen der Schutz der Besatzung, die Standkraft des Waffensystems sowie dessen Wirkungsfähigkeit erhöht“ wurde.

Kosten, „deren Erfüllung wünschenswert, aber nicht geboten war“

Zugleich seien andere Forderungen aus der Leistungsbeschreibung gestrichen worden, schreibt Grübel. „Forderungen, deren technische Realisierung mit erheblichen Kosten beziehungsweise Risiken verbunden gewesen wäre, ohne einen signifikanten operativen Mehrwert zu bieten.“ Reduziert werden konnten so Kosten in Höhe von mehr als 300 Millionen Euro (Kosten, „deren Erfüllung wünschenswert, aber nicht geboten war“ – so der Originaltext).

Was genau eingespart wurde, erfahren wir von Spiegel-Redakteur Gerald Traufetter. In seinem gestrigen Onlinebeitrag „Neues Kampfschiff wird teurer – und kommt später“ berichtet der Wirtschaftsexperte des Magazins: „Ursprünglich sollten die neuen [Schiffe] auch an den Polkappen operieren, weswegen für das Hubschrauber-Landefeld eine automatische Enteisungsanlage eingeplant war. Da die Marine sicher ist, dass man das Flugdeck auch mit Personal enteisen und so in der Arktis operieren kann, habe man darauf verzichtet.“

Eine große Bandbreite an Waffensystemen und Schutzkomponenten

Das Mehrzweckkampfschiff Klasse 180 wird nach Marineangaben für den weltweiten Einsatz ausgelegt sein. Es soll über eine große Bandbreite an Waffensystemen und Schutzkomponenten, insbesondere auch zum Eigenschutz, verfügen. In einem Fachbeitrag im Marine-Newsletter Auf Kurs (Ausgabe 5/2015 ) lesen wir, was das bedeutet: „So ist nicht nur die Ausrichtung auf Einsätze niedriger und mittlerer Intensität, sondern auch eine angemessene Durchsetzungsfähigkeit in Einsätzen hoher Intensität gegeben.“

Das MKS 180, das Ziele in allen drei Dimensionen – also auf und unter Wasser, in der Luft und an Land – bekämpfen soll, kann mit verschiedenen spezifischen Fähigkeitspaketen ausgerüstet sein. Beispielsweise einem Schleppsonar für die Ubootjagd, Ausrüstung zur Unterstützung von Spezialkräften oder Technik für die Minenbekämpfung im Nächstbereich.

Über die geplante Waffenausstattung des MKS 180 heißt es im Auf Kurs-Beitrag: „Dazu sollen neben Seezielflugkörpern zur Abwehr gegnerischer Schiffe auch moderne See-Luft-Lenkflugkörper gehören. Diese können Luftziele in Entfernungen von bis zu 25 Kilometern bekämpfen. So ist grundsätzlich auch der eingeschränkte Schutz anderer Schiffe möglich. Zusätzlich ist als Bordgeschütz auf dem Vorschiff eine vollautomatische Rohrwaffe vom Kaliber 127 Millimeter vorgesehen, mit der ebenfalls eine Bekämpfung von Zielen an Land möglich ist. Für die Flexibilität in den verschiedensten Einsätzen werden Boote für Spezialkräfte sowie Bordhubschrauber beitragen.“

Kritik der Opposition an Kostensteigerungen und Verzögerungen

Die Beschaffung der vier Schiffe wurde vom Bundesamt für Ausrüstung, Informationstechnik und Nutzung der Bundeswehr (BAAINBw) europaweit ausgeschrieben. Verblieben sind mittlerweile nur noch drei Bieterkonsortien: ThyssenKrupp Marine Systems gemeinsam mit der Fr. Lürssen Werft, das niederländische Unternehmen Damen Shipyards Group in Partnerschaft mit Blohm+Voss sowie German Naval Yards zusammen mit BAE Systems Maritime aus Großbritannien.

Wie wir schon im Februar berichteten (siehe hier), will Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen inzwischen sogar sechs Mehrzweckkampfschiffe beschaffen. Die Auslieferung an die deutsche Marine soll ab 2023 starten. Im Schreiben des Staatssekretärs an den Verteidigungsausschuss wird abschließend darauf hingewiesen, dass die drei Bewerberkonsortien ihre Angebote bis spätestens Ende September 2017 abgeben und anschließend die eigentlichen Verhandlungen beginnen sollen.

Die Opposition reagiert auf das Grübel-Schreiben ungehalten. So sagte Tobias Lindner, Obmann im Haushaltsausschuss des Bundestages für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen, gegenüber dem bundeswehr-journal: „Das Ministerium versucht, Kostensteigerungen und Verzögerungen als Erfolg zu verkaufen. Tatsache ist, dass das Projekt eine halbe Milliarde Euro teurer wird und es absolut unklar ist, wann es realisiert wird.“


Unser Bildmaterial zeigt Designentwürfe des geplanten Mehrzweckkampfschiffs der Klasse 180.
(Quellen: MTG Marinetechnik, BAAINBw/Bundeswehr)


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