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Berlin/Murnau/Stuttgart. Für Baden-Württembergs Innenminister Thomas Strobl ist die am morgigen Dienstag (7. März) beginnende GETEX „ein historischer Moment“. Erstmals werde die Zusammenarbeit von Polizei und Bundeswehr bei einer Terrorlage geübt. Dies habe er schon lange vorgeschlagen, so der CDU-Politiker gegenüber der Nachrichtenagentur AFP. Der „historische Moment“ GETEX („Gemeinsame Terrorismusabwehr-Exercise“) dauert als Stabsrahmenübung bis zum 9. März. Aufseiten des Bundes sind das Bundesministerium des Innern sowie das Bundesministerium der Verteidigung mit ihren jeweiligen Geschäftsbereichsbehörden beteiligt. Hinzu kommen die Polizeibehörden der sechs Länder Baden-Württemberg, Bayern, Bremen, Nordrhein-Westfalen, Saarland und Schleswig-Holstein.

Wie Strobl der AFP sagte, sei die Teilnahme Baden-Württembergs an der GETEX innerhalb der grün-schwarzen Landesregierung völlig unumstritten. „Wir sind absolut einer Meinung, dass wir alles dafür tun müssen, um unsere Sicherheitsbehörden im Rahmen des verfassungsrechtlich Möglichen bestmöglich miteinander zu vernetzen und zu organisieren.“ Bei der Übung gehe es „vorrangig um Entscheidungs- und Kommunikationswege“ und um Fragen wie: „Ist das Krisenmanagement in Bund und Ländern in der Lage, eine grenzübergreifende Terrorlage zu bewältigen? Sind die Kommunikationswege klar? Wer trifft wann welche Entscheidung?“

Bundesinnenminister Thomas de Maizière unterstrich in einem Gespräch mit der Deutschen Presse-Agentur (dpa) vor wenigen Tagen ebenfalls noch einmal die Bedeutung von GETEX: „Wir wissen seit Längerem, dass Deutschland im Zielspektrum des internationalen Terrorismus steht. Die Menschen erwarten von uns, dass alle staatlichen Stellen vorbereitet sind, und dass in einem möglichen Ernstfall ein Rädchen ins andere greift.“ Er erinnerte auch daran, dass das Bundesverfassungsgericht den Rahmen abgesteckt habe, in dem auch die Bundeswehr mit ihren Möglichkeiten unterstützen könne – wenn dies erforderlich sei. „Ich bin überzeugt davon, dass wir diese Möglichkeiten im Falle eines Falles auch tatsächlich abrufen können müssen, und dazu gehört zwingend, dass wir dies gemeinsam üben, damit es funktioniert, wenn es darauf ankommt“, so der Bundesinnenminister gegenüber dpa.

Naturkatastrophe und besonders schwerer Unglücksfall

Dem Einsatz von Streitkräften im Inneren der Bundesrepublik Deutschland sind – angesichts der verheerenden historischen Erfahrungen aus der NS-Zeit – hohe und höchste Hürden vorgeschoben. Denn die Väter des Grundgesetzes haben einen solchen Militäreinsatz strengstens reglementiert. In Artikel 87a des Grundgesetzes heißt es unter anderem: „Der Bund stellt Streitkräfte zur Verteidigung auf.“ Und: „Außer zur Verteidigung dürfen die Streitkräfte nur eingesetzt werden, soweit dieses Grundgesetz es ausdrücklich zulässt.“

Mit den in den 1960er-Jahren heiß debattierten „Notstandsgesetzen“ sind schließlich zwei eng begrenzte Möglichkeiten für den Einsatz der Truppe im Innern ins Grundgesetz aufgenommen worden: die „Katastrophenhilfe“ (Artikel 35 Absatz 2 und 3) und der „Innere Notstand“ (Artikel 87a Absatz 4).

Artikel 35 Grundgesetz definiert unter der Prämisse „Alle Behörden des Bundes und der Länder leisten sich gegenseitig Rechts- und Amtshilfe“ folgende zwei Ausnahmen: bei einer Naturkatastrophe oder bei einem besonders schweren Unglücksfall. Der dritte Absatz deutet dabei ausdrücklich auf die militärische Komponente: „Gefährdet die Naturkatastrophe oder der Unglücksfall das Gebiet mehr als eines Landes, so kann die Bundesregierung, soweit es zur wirksamen Bekämpfung erforderlich ist, den Landesregierungen die Weisung erteilen, Polizeikräfte anderen Ländern zur Verfügung zu stellen, sowie Einheiten des Bundesgrenzschutzes und der Streitkräfte zur Unterstützung der Polizeikräfte einsetzen.“

Vor diesem Hintergrund leisteten bei den Flutkatastrophen der letzten Jahre Tausende Bundeswehrangehörige aufopferungsvolle Hilfseinsätze. Auch bei der massenhaften Versorgung und Unterbringung von Flüchtlingen war Bundeswehrhilfe zulässig und absolut nötig.

Gefahr für die freiheitliche demokratische Grundordnung

Die zweite Möglichkeit ist die Gefahrenabwehr, geregelt in Artikel 87a Grundgesetz. „Zur Abwehr einer drohenden Gefahr für den Bestand oder die freiheitliche demokratische Grundordnung des Bundes oder eines Landes kann die Bundesregierung […] Streitkräfte zur Unterstützung der Polizei und des Bundesgrenzschutzes beim Schutze von zivilen Objekten und bei der Bekämpfung organisierter und militärisch bewaffneter Aufständischer einsetzen.“

Im Falle eines solchen „Inneren Notstands“ darf die Bundeswehr allerdings nur unterstützend tätig werden, wenn Polizei, Feuerwehr, Katastrophenschutz oder andere Sicherheitsbehörden die Aufgaben allein nicht bewältigen können.

„Ausnahmesituationen katastrophischen Ausmaßes“

Am 3. Juli 2012 öffnete das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe mit seiner Plenarentscheidung zum Einsatz der Streitkräfte im Inneren („Luftsicherheitsgesetz“) dann auch die Tür für den Einsatz „militärischer Kampfmittel“ durch die Bundeswehr im Inland bei Terrorangriffen. Dies allerdings nur in „Ausnahmesituationen katastrophischen Ausmaßes“, wie es wörtlich in der Entscheidung heißt. Und unter strengen Auflagen. Demnach kann im Umkehrschluss nun auch ein katastrophaler Terroranschlag ein „besonders schwerer Unglücksfall“ nach Artikel 35 Grundgesetz sein.

Mit seinem Beschluss korrigierte das Plenum aus beiden Senaten in jenem Jahr eine Entscheidung des Ersten Senats von 2006. Damals hatte dieser einen Einsatz der Streitkräfte im Inland „mit spezifisch militärischen Waffen“ generell ausgeschlossen.

Über den Bundeswehreinsatz bei einem überregionalen Katastrophenzustand muss nach der letzten Karlsruher Entscheidung auch in Eilfällen die Bundesregierung insgesamt entscheiden. Sie darf diese Aufgabe nicht an den Verteidigungsminister beziehungsweise die Verteidigungsministerin delegieren.

Angehörige der Bundeswehr unter Gesamtleitung der Polizei

In einer Pressemitteilung vor dem Start von GETEX skizzierte das Bundesinnenministerium noch einmal die gesetzlichen Rahmenbedingungen für die erste gemeinsame Anti-Terror-Übung von Polizei- und Militärkräften: „Die Zusammenarbeit mit der Bundeswehr in einer Terrorlage ist noch nicht geübt worden. Nach geltendem Verfassungsrecht kann die Bundeswehr – neben Maßnahmen der technisch-logistischen Amtshilfe – unter engen Voraussetzungen auch hoheitliche Aufgaben zur Unterstützung der Polizeikräfte bei der wirksamen Bekämpfung eines besonders schweren Unglücksfalls, das heißt auch einer terroristischen Lage, wahrnehmen.“

Die Streitkräfte handelten unter der Gesamtleitung der Polizei und nach Maßgabe des Gefahrenabwehrrechts des jeweiligen Landes, so das Bundesinnenministerium weiter. Angesichts des sich hieraus ergebenden spezifischen Übungsbedarfs sei im Rahmen der Erstellung des „Weißbuches zur Sicherheitspolitik und zur Zukunft der Bundeswehr“ im August 2016 mit den Landesregierungen eine gemeinsame Übung vereinbart worden.

Die GETEX-Übung wird als Stabsrahmenübung für die Bevölkerung nicht sichtbar sein. Die Teilnehmer sollen vor allem miteinander die Nutzung jener Verfahrens- und Kommunikationswege trainieren, die zwischen den für die Einsatzkoordination verantwortlichen Stäben und Lagezentren aufgebaut werden.

Dynamische Schau in Murnau und Protestaktion in Stuttgart

In der Werdenfelser Kaserne im bayerischen Murnau will die Bayerische Polizei am Donnerstag gemeinsam mit der Bundeswehr ein Übungsszenario aus der Stabsrahmenübung praktisch vorführen. Dafür sollen auf dem Kasernengelände spezielle Einheiten und Mittel (geschützte Fahrzeuge, Entschärfungsroboter, Aufklärungsdrohnen und Hubschrauber) eingesetzt werden. Geplant ist, dass sich an diesem Tag Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen und Bayerns Innenminister Joachim Herrmann in Murnau selbst ein Bild von der länderübergreifenden Stabsrahmenübung machen.

Die Informationsstelle Militarisierung (IMI) hat zu einer Kundgebung gegen GETEX vor der Theodor-Heuss-Kaserne in Stuttgart-Bad Cannstatt aufgerufen. IMI warnt: „Was soll die laut Grundgesetz für die Landesverteidigung zuständige Bundeswehr Sinnvolles zur ,Terrorbekämpfung‘ beitragen? Bei GETEX soll der Bundeswehreinsatz im Inneren herbei geübt und damit hoffähig gemacht werden. Es geht hier nicht um den Schutz der Bevölkerung, sondern um einen letztlich grundgesetzwidrigen Akt der Militarisierung nach innen.“


Zu unseren Aufnahmen:
1. Artikel 35 Grundgesetz erlaubt im Rahmen der Amtshilfe den Bundeswehreinsatz im Inneren. So halfen Tausende Soldaten der Bevölkerung in den vergangenen Jahren während der Hochwasserkatastrophen an Oder und Elbe. Das Bild, entstanden am 20. August 2002, zeigt Kräfte der Bundeswehr und des Technischen Hilfswerks bei der Elbe-Deichsicherung im Magdeburger Stadtteil Pechau.
(Foto: Marcus Rott/Bundeswehr)

2. Feldjäger bei einer Informationslehrübung (ILÜ) des deutschen Heeres.
(Foto: Bundeswehr)


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