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Mainz/Berlin. Die Dschihadistenmiliz „Islamischer Staat“ (IS) steht mit dem Rücken zur Wand. Mossul ist die letzte Bastion des IS im Irak; seit Beginn ihrer Offensive konnte die irakische Armee gemeinsam mit den Verbündeten bereits ein Viertel der Millionenmetropole zurückerobern. In Syrien stehen die Oppositionstruppen nur noch wenige Kilometer von der Dschihadisten-Hochburg Rakka entfernt. Im libyschen Sirte erlitt die Terrormiliz eine schwere Niederlage – regierungstreue Kräfte eroberten die Stadt mit Luftunterstützung der USA. Der amerikanische Dokumentarfilmer Martin Smith hat im vergangenen Herbst für PBSFrontline den „Krieg gegen den IS“ und die sich widersprechenden Strategien der Vereinigten Staaten beobachtet. ZDFinfo zeigt seinen Film am heutigen Donnerstag (5. Januar) um 21 Uhr.

Weil der „Islamische Staat“ durch die Offensiven gegen ihn enorm unter Druck geraten ist, steigt die Terrorgefahr im Ausland. Experten hatten immer wieder vor dieser Entwicklung gewarnt. Zwölf Menschen starben am 19. Dezember bei einem Anschlag mit einem Sattelzug auf den Berliner Weihnachtsmarkt am Breitscheidplatz. Rund 40 Personen kamen in der Silvesternacht im türkischen Istanbul ums Leben, als ein Attentäter die Nobeldiskothek „Reina“ überfiel und um sich schoss. In beiden Fällen reklamierte der IS die Tat für sich. Das Attentat sei von einem „Soldaten des Kalifats“ verübt worden, meldete jeweils nach den Verbrechen der IS-Propagandakanal Amaq.

Die „Agentur“ der Dschihadisten war es auch, die vor wenigen Tagen von einem traurigen Rekord berichtete. So soll der IS im Jahr 2016 im Irak und in Syrien insgesamt 1112 Selbstmordattentate durchgeführt haben, dazu 29 in Libyen. Dies ist eine Zahl, die weltweit so noch nicht zu verzeichnen war (die Taliban beispielsweise verübten im vergangenen Jahr alles in allem 32 Selbstmordanschläge). Die Zahl zeigt ebenfalls, wie verzweifelt die Führung und die Kämpfer des Kalifats auf die drohende Niederlage reagieren.

Eine Situation „zwischen Etappensieg und Ohnmacht“

In seiner Frontline-Dokumentation „Krieg gegen den IS – die Welt und der islamistische Terror“, die Martin Smith für die nichtkommerzielle US-Senderkette Public Broadcasting Service (PBS) produziert hat, berichtet der Korrespondent von den Erfolgen und Misserfolgen des von den USA geführten Kampfes gegen die Terrororganisation. Der Film mit dem Originaltitel „Confronting ISIS“ (Premiere war am 11. Oktober 2016) beleuchtet die zum Zeitpunkt der Dreharbeiten aktuelle Situation „zwischen Etappensieg und Ohnmacht“ und berichtet dazu aus Saudi-Arabien, Irak, Jordanien und der Türkei.

Smith hat unter anderem mit Vertretern der US-Regierung und des Militärs gesprochen und sich Meinungen und Vorschläge angehört, wie der „Islamische Staat“ zu besiegen sei. Dabei wurden konkurrierende Interessen in der Region und sich widersprechende Strategien der USA, der westlichen Nationen und der Verbündeten im Nahen Osten deutlich. Die 90-minütige Dokumentation zeigt vor allem, wie der IS in Syrien und Irak zwar an Boden verliert, sich durch terroristische Anschläge von Anhängern im Ausland aber weiter gefährlich zu Wort meldet.

Amerikas Fehler in Nahost und Terror in Europa

Vor der Deutschland-Premiere der neuen Frontline-Doku sendet ZDFinfo am heutigen Donnerstagabend um 20:15 Uhr noch einmal den Beitrag „Die geheime Geschichte des IS – Amerikas Fehler in Nahost“.

Ab 22:30 Uhr geht es themennah im ZDFinfo-Programm weiter: mit den Dokus „Kalaschnikows für Terroristen – Waffenschmuggel in Europa“ und „Terror in Europa – Chronologie der islamistischen Anschläge“ (23:15 Uhr). „Terror in Europa“ ist ebenfalls eine Erstausstrahlung und eine Frontline-Produktion von PBS, allerdings vor dem Attentat auf den Berliner Weihnachtsmarkt fertiggestellt.

Terroristische Ausbildung, Kampferfahrung und westliches Aussehen

Das Bundesamt für Verfassungsschutz hat am 2. Dezember übrigens neueste Zahlen zum Thema „Reisebewegungen von Dschihadisten“ veröffentlicht. Die Region Syrien/Irak ist und bleibt dabei weiterhin ein Ziel für deutsche Islamisten beziehungsweise Islamisten aus Deutschland.

Derzeit liegen Erkenntnisse zu mehr als 880 Personen vor, die dorthin gereist sind, um auf Seiten des IS und anderer terroristischer Gruppierungen an Kampfhandlungen teilzunehmen oder diese in sonstiger Weise zu unterstützen. Bei diesem Kreis handelt es sich überwiegend um in Deutschland geborene männliche Muslime mit Migrationshintergrund. Etwa ein Achtel der Ausgereisten sind Konvertiten. Der Anteil der ausgereisten Frauen liegt bei etwa 20 Prozent. Zudem zog es vereinzelt auch Minderjährige in die Region Syrien/Irak. Ferner liegen zu etwa 140 Personen Hinweise vor, dass diese in Syrien oder im Irak ums Leben gekommen sind.

Etwa ein Drittel der gereisten Personen befindet sich momentan wieder in Deutschland. Dazu schreibt das Bundesamt: „Als Ergebnis der kontinuierlichen Aus- und Bewertung der Erkenntnislage zu zurückgekehrten Personen liegen den Sicherheitsbehörden aktuell zu über 70 Personen Erkenntnisse vor, wonach sie sich aktiv an Kämpfen in Syrien oder im Irak beteiligt oder hierfür eine Ausbildung absolviert haben.“

Insbesondere vom letztgenannten Personenkreis gehe ein hohes Risiko aus. Neben terroristischer Ausbildung und „Kampfpraxis“ verfügten diese Personen zumeist über eine Reihe weiterer Qualifikationen, die das derzeitige Anforderungsprofil islamistischer Organisationen für potenzielle Operateure in westlichen Staaten erfüllten, so die Verfassungsschützer weiter. Hierzu gehörten häufig ein „westliches Aussehen“, das Wissen über unauffälliges Verhalten in westlichen Staaten im Alltag sowie der Besitz westlicher Reise- und Identitätsdokumente.


Randnotiz                                  

„Die geheime Geschichte des IS – Amerikas Fehler in Nahost“, ZDFinfo am Donnerstag, 5. Januar (ab 20:15 Uhr);
„Krieg gegen den IS – die Welt und der islamistische Terror“, ZDFinfo am Donnerstag, 5. Januar (ab 21:00 Uhr);
„Kalaschnikows für Terroristen – Waffenschmuggel in Europa“, ZDFinfo am Donnerstag, 5. Januar (ab 22:30 Uhr);
„Terror in Europa – Chronologie der islamistischen Anschläge“, ZDFinfo am Donnerstag, 5. Januar (ab 23:15Uhr).
Die neue Frontline-Dokumentation „Krieg gegen den IS“ ist erneut am Donnerstag, 9. Februar (ab 6:15 Uhr) und am Samstag, 11. Februar (ab 8:15 Uhr) in ZDFinfo zu sehen.
Unsere Angaben sind ohne Gewähr.


Zu unserem Bildmaterial:
1. „Krieg gegen den IS – die Welt und der islamistische Terror“: Reporter Martin Smith beobachtet die Front zum IS von einer geschützten Stellung aus.
(Foto: PBS-Frontline/ZDF)

2. Konvoi mit IS-Kämpfern.
(Bildschirmfoto: Quelle PBS-Frontline)


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