Roth/Fürstenfeldbruck/Berlin. Die alte Offizierschule der Luftwaffe in Fürstenfeldbruck soll voraussichtlich bis 2020/2021 aufgegeben werden. Eine Sanierung der Gebäude war im Herbst 2011 „als zu teuer“ verworfen worden. Stattdessen baut die Bundeswehr nun in der Otto-Lilienthal-Kaserne in Roth bei Nürnberg eine neue Schule. Nach Angaben des Verteidigungsministeriums entstehen durch die Verlegung der Ausbildungseinrichtung von Oberbayern nach Mittelfranken Kosten in Höhe von rund 144 Millionen Euro. Am gestrigen Donnerstag (29. Juni) wurde in Roth der offizielle Spatenstich für den Neubau der Offizierschule gesetzt.
An dem symbolträchtigen Akt beteiligten sich Bayerns Innenminister Joachim Herrmann, Luftwaffeninspekteur Karl Müllner sowie Alice Greyer-Wieninger, Leiterin der Abteilung „Infrastruktur, Umweltschutz und Dienstleistungen“ im Bundesministerium der Verteidigung.
Mit etwa 270 militärischen und zivilen Mitarbeitern soll in der Otto-Lilienthal-Kaserne voraussichtlich Ende 2021 der Schulbetrieb aufgenommen werden. Mehr als 700 Lehrgangsteilnehmer können dann zeitgleich an der neuen „Wiege der Luftwaffe“ aus- und fortgebildet werden. Dazu entstehen in den nächsten Jahren unter anderem Lehr- und Sprachhörsäle, ein Auditorium, Unterkunftsgebäude, Sportanlagen sowie ein Appellplatz. Bis zur Inbetriebnahme der neuen Offizierschule in Roth wird der Ausbildungsbetrieb zunächst noch am alten Standort Fürstenfeldbruck fortgeführt.
Generalleutnant Müllner sagte am Donnerstag auf dem Baugelände: „Die neuen Gebäude ermöglichen durch ihre moderne Infrastruktur innovatives Lernen. Das Konzept der kurzen Wege unterstreicht dabei den Campus-Charakter. Von Beginn an wird der unser Offiziernachwuchs so auf das ,Team Luftwaffe‘ vorbereitet und geprägt. Gemeinsam leben, lernen, arbeiten, kämpfen und sich gegenseitig unterstützen – all dies steht für die Attraktivität der Ausbildung und die Attraktivität der Luftwaffe insgesamt.“
Weitere Projektdetails nannte beim offiziellen Spatenstich in Roth Innenminister Herrmann. Er erklärte: „Für die Errichtung des Campus der Offizierschule der Luftwaffe sind insgesamt mehr als 20 Einzelbaumaßnahmen geplant. Schwerpunkte sind das zentrale Lehrsaalgebäude und die Unterkunftsgebäude für 720 Lehrgangsteilnehmer. Der Campus wird rund 52 Hektar der insgesamt 254 Hektar großen Liegenschaft umfassen.“
Wie Herrmann, der auch Bauminister in Bayern ist, weiter beschrieb, sollen die Unterkunftsgebäude Einzelzimmer und Einzelsanitärzellen sowie eine zeitgemäße, ansprechende Ausstattung erhalten. „Das Konzept mit 20 Lehrgangsteilnehmern in einer Lerngruppe wird in der Gebäudestruktur in entsprechenden Flurabschnitten mit Lerngruppenräumen und kurzen Wegen zwischen allen Funktionsbereichen umgesetzt.“
Zusammen mit dem Wirtschafts- und Betreuungsgebäude, dem Sportzentrum und einem Waffenkammergebäude wird der Bund für die zentralen Einrichtungen der Offizierschule am Standort Roth mehr als 140 Millionen Euro investieren. Hinzu sollen weitere Investitionen – beispielsweise für ein Sanitätsversorgungszentrum oder den Bereich für die Feldjäger – kommen.
Die Entscheidung für die Verlegung der Offizierschule der Luftwaffe von Fürstenfeldbruck nach Roth war im Rahmen der durch die früheren Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg und Thomas de Maizière initiierte Neuausrichtung der Bundeswehr getroffen worden. In ihrem Beitrag „Sanierung zu teuer“ vom 26. Oktober 2011 nannte die Süddeutsche Zeitung die Hauptgründe für das Ende der Brucker Ausbildungseinrichtung. Autor Gerhard Eisenkolb schrieb damals: „Die Offizierschule hatte 1977 einen Neubau in Fürstenfeldbruck bezogen, der nach offizieller Schätzung der Bundeswehr für 60 bis 80 Millionen Euro saniert oder abgerissen werden müsste. […] Die Fürstenfeldbrucker Wahlkreisabgeordnete und Vorsitzende der CSU-Landesgruppe im Bundestag, Gerda Hasselfeldt, hatte im Sommer sogar einen Sanierungsbedarf von rund 100 Millionen Euro für den gesamten Fliegerhorst genannt.“
Die Entscheidung zur Aufgabe der Schule in Fürstenfeldbruck und für den Neubau in Roth war und ist nicht unumstritten. So zweifelt beispielsweise der Wehrbeauftragte des Deutschen Bundestages, Hans-Peter Bartels, in seinem aktuellen „Jahresbericht 2016“ an der „Sinnhaftigkeit des Einsatzes der Mittel“. Er schildert, dass er bei einem Truppenbesuch in Fürstenfeldbruck von Soldaten daran erinnert worden sei, dass der oberbayerische Standort für alle Offiziere der Luftwaffe eine gemeinsame Identität stifte, deren Verlust nun nach einem Umzug nach Roth befürchtet werde. „Nicht nur vor diesem Hintergrund ist zu überlegen, ob eine Modernisierung und Herrichtung des Standortes Fürstenfeldbruck nicht sinnvoller wäre“, rät Bartels.
Die Frage über die „Sinnhaftigkeit des Einsatzes der Mittel“ im Zusammenhang mit der Offizierschule der Luftwaffe stellte im Sommer vergangenen Jahres auch noch einmal die Bundestagsabgeordnete Beate Walter-Rosenheimer (Bündnis 90/Die Grünen). Sie wollte unter anderem von der Bundesregierung wissen, wie viel die sachgerechte Instandsetzung der Schulgebäude in Fürstenfeldbruck gekostet hätte und auf Grundlage welcher Berechnungen man glaube, dass eine Verlegung der Einrichtung an den Standort Roth wirtschaftlich sinnvoll sei.
Für die Regierung antwortete am 8. Juli 2016 Markus Grübel, Parlamentarischer Staatssekretär bei der Bundesministerin der Verteidigung. Er versicherte, dass die Stationierungsentscheidung vom 26. Oktober 2011 das Ergebnis einer umfassenden und gründlichen Analyse gewesen sei. Dabei seien alle relevanten Faktoren „in einer ganzheitlichen Betrachtung der Grundprinzipien Funktionalität, Kosten, Attraktivität und Präsenz in der Fläche abgewogen“ worden. „Eine sach- und bedarfsgerechte Instandsetzung der Gebäude der Offizierschule der Luftwaffe in Fürstenfeldbruck hätte nach ersten Erhebungen im Jahr 2009 zwischen rund 65 Millionen Euro und rund 95 Millionen Euro gekostet“, so Grübel.
Gegen eine Weiternutzung der derzeitigen Infrastruktur der Brucker Schuleinrichtung habe insbesondere auch der umfangreiche Sanierungs- und Anpassungsbedarf gesprochen. Der Staatssekretär: „Dieser wäre unter Beachtung des bestehenden Denkmalschutzes neben hohen Ausgaben auch mit einem hohen Planungsrisiko verbunden. Darüber hinaus müssten alle Baumaßnahmen bei laufendem Ausbildungsbetrieb und unter Schaffung von Interimsunterbringungen erfolgen.“ Mit Blick auf den Standort Roth ergänzte Grübel: „In der Otto-Lilienthal-Kaserne lässt sich eine moderne, attraktive und am zukünftigen Bedarf orientierte Ausbildungs- und Unterkunftsinfrastruktur ohne Beeinträchtigung des laufenden Lehrbetriebs errichten – die Schaffung einer kostenträchtigen Interimsunterbringung
ist nicht erforderlich.“
Zu unserem Bildangebot:
1. Offizieller Spatenstich in der Otto-Lilienthal-Kaserne am 29. Juni 2017. Von links: Johannes Nolte (Präsident der Landesbaudirektion Bayern), Ministerialdirektorin Alice Greyer-Wieninger, Generalleutnant Karl Müllner, Bayerns Innenminister Joachim Herrmann und Ralph Edelhäußer (Erster Bürgermeister der Stadt Roth).
(Foto: Luftwaffe)
2. Der Inspekteur der Luftwaffe, Generalleutnant Karl Müllner, bei seiner Rede in Roth.
(Foto: Luftwaffe)
3. Grafische Darstellung des künftigen Schulgeländes mit seinen Bauten und Anlagen.
(Bild: Luftwaffe)