Berlin. Nach Auskunft des Verteidigungsministeriums haben Bundeswehrangehörige in den Jahren 2013 bis 2017 (Stichtag 31. März) mindestens 3909 Straftaten begangen. Eine entsprechende Anfrage hatte die Bundestagsabgeordnete Beate Walter-Rosenheimer an die Bundesregierung gerichtet. Die Politikerin von Bündnis 90/Die Grünen wollte vor allem wissen, wie viele dieser Straftaten „rechtsextremistisch oder anderweitig politisch motiviert“ waren. Über die Zahl abgeschlossener Strafverfahren gegen Angehörige der Bundeswehr informierte der Parlamentarische Staatssekretär bei der Bundesministerin der Verteidigung, Markus Grübel. Seine Antwort beinhaltet auch die Verurteilungen, die dem Phänomenbereich „Politisch motivierte Kriminalität“ (PMK) zuzuordnen sind.
Nach Grübels Angaben waren im Jahr 2013 insgesamt 1023 Bundeswehrangehörige nach begangener Straftat verurteilt worden. 2014 waren es 875, 2015 dann 949 und 2016 schließlich 810. Im ersten Drittel dieses Jahres wurden bereits 252 Fälle registriert. Summa summarum: 3909 begangene Straftaten, 3909 abgeschlossene Strafverfahren.
Die Verurteilungen im Deliktbereich der PMK betrafen in den zurückliegenden 51 Monaten insgesamt 54 Fälle. 11 Verurteilungen erfolgten im Zeitraum 2013 bis 31. März 2017 wegen der verletzten Strafnorm § 86 Strafgesetzbuch, kurz StGB (Verbreitung von Propagandamitteln verfassungswidriger Organisationen). Zu 36 Verurteilungen kam es wegen des Verstoßes gegen § 86a StGB (Verwenden von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen). 7 Mal zog die Verletzung der Strafnorm § 130 (Volksverhetzung) die Verurteilung eines Bundeswehrangehörigen nach sich.
Der Staatssekretär erinnerte in seiner Antwort daran, dass die Strafverfolgung grundsätzlich in die Zuständigkeit der Bundesländer falle. Die Bundesregierung sei daher in erster Linie auf die Information durch die Strafverfolgungsbehörden angewiesen. Diese erfolge regelmäßig im Rahmen der Nummern 15, 16 und 19 der „Anordnung über Mitteilungen in Strafsachen“ (MiStra) auf Grundlage der gesetzlichen Bestimmungen des Soldaten- beziehungsweise Bundesbeamtengesetzes und des Einführungsgesetzes zum Gerichtsverfassungsgesetz.
Grübel musste allerdings einschränken: „Da die Aufnahme von Ermittlungen gegen Angehörige der Bundeswehr nicht nach diesen Nummern der MiStra angezeigt werden muss, liegen der Bundesregierung zur Anzahl laufender Strafverfahren keine gesicherten und umfassenden Erkenntnisse vor.“
Grübel wies auch darauf hin, dass abgeschlossene Strafverfahren gegen Soldaten statistisch zentral beim Bundesamt für das Personalmanagement der Bundeswehr ausgewertet würden. Für in den Streitkräften tätige Beamte sowie Arbeitnehmer erfolge hingegen keine zentrale statistische Erfassung und Auswertung.
Der Staatssekretär erläuterte dazu in seiner Antwort: „Vielmehr werden für diese Personengruppen die Informationen nach MiStra an die zuständigen Dienstvorgesetzten beziehungsweise die Dienststellenleitung übermittelt. Vollständig sind die erfassten Daten allerdings nicht, da nach MiStra weder eine Meldepflicht in sämtlichen Strafverfahren besteht noch sichergestellt werden kann, dass tatsächlich alle abgeschlossenen Strafverfahren gemeldet worden sind.“
Politisch motivierte Straftaten würden im Rahmen des Kriminalpolizeilichen Meldedienstes an das Bundeskriminalamt gemeldet und in der Fallzahlendatei LAPOS des Amtes erfasst. Auch hier Grübels Einschränkung: „Angaben zur Zugehörigkeit der Tatverdächtigen zur Bundeswehr sind dieser anonymisierten Fallzahlendatei nicht zu entnehmen.“
Um die in der aktuellen Regierungsantwort genannten Zahlen – etwa die Zahl der Gesamtverurteilungen (3909) – besser bewerten zu können, hilft uns ein Blick in ein früheres Dokument. Im Herbst vergangenen Jahres hatten Jan van Aken, Christine Buchholz, Martina Renner und weitere Abgeordnete der Fraktion Die Linke schon einmal eine ähnliche Anfrage gestellt und sich nach den „Verurteilungen von Angehörigen der Bundeswehr und Mitarbeiterinnen/Mitarbeitern des Amtes für den Militärischen Abschirmdienst“ erkundigt.
Die Bundesregierung hatte in der Vorbemerkung zu ihrer Antwort vom 21. November 2016 betont: „Die Bundeswehr ist ein Spiegelbild der Gesellschaft. Dies gilt auch für Straftaten, die von Soldatinnen und Soldaten der Bundeswehr begangen werden und zu einer Verurteilung führen.“ In Relation zur Gesamtbevölkerung liege die Quote der verurteilten Uniformträger allerdings deutlich unter dem Bundesdurchschnitt.
Anhand des Jahres 2014 hatte die Bundesregierung danach detailliert ausgeführt: „2014 wurden nach den offiziellen Daten des Statistischen Bundesamtes 748.782 Personen verurteilt. Ausgehend von einer Bevölkerung von rund 81.200.000 Personen (einschließlich der strafunmündigen Personen) liegt die Quote bei 0,92 Prozent. Demgegenüber wurden 2014 ausweislich der vorliegenden Statistik des Bundesamtes für das Personalmanagement der Bundeswehr 873 Verurteilungen von Soldatinnen und Soldaten der Bundeswehr erfasst [Anm.: in der Regierungsantwort auf die Anfrage der Grünen-Bundestagsabgeordneten Walter-Rosenheimer korrigiert auf 875 Verurteilungen]. Bei einer Gesamtstärke von etwa 210.000 Soldatinnen und Soldaten – ausgehend von einem Personalstamm von 185.000 Soldatinnen und Soldaten unter Berücksichtigung einer Personalfluktuation durch rund 25.000 Einstellungen und 24.000 Entlassungen – führt dies zu einer Quote von 0,42 Prozent.“
Symbolbilder „Handschellen“ aus dem Bildangebot von Public Domain Pictures der Bobek Ltd.
(Fotos: George Hodan/unter Lizenz CC0 1.0 Universal; vollständiger Lizenztext: https://creativecommons.org/publicdomain/zero/1.0/)