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München/Berlin. Der bayerische Innenminister Joachim Herrmann gilt – sollte es denn zu einer Regierungskoalition aus CDU/CSU, FDP und Grünen kommen – als Anwärter auf das Amt des nächsten Bundesinnenministers. Momentan sitzt der CSU-Politiker in Berlin mit am Verhandlungstisch der Jamaika-Sondierer. In einem Interview mit der Zentralredaktion der Madsack-Mediengruppe, dem RedaktionsNetzwerk Deutschland, bejahte Herrmann eine Beteiligung des Verteidigungsministeriums am Gemeinsamen Terrorabwehrzentrum, kurz GTAZ.

Das GTAZ, das am 14. Dezember 2004 in Berlin seine Arbeit aufgenommen hat, ist keine eigenständige Behörde, sondern eine gemeinsame Kooperations- und Kommunikationsplattform von 40 nationalen Behörden aus dem Bereich der Inneren Sicherheit. Die Einrichtung des Zentrums erfolgte vor dem Hintergrund einer verstärkten Bedrohung durch den islamistischen Terrorismus. Dabei stellten die Terroranschläge in den USA am 11. September 2001 durch al-Qaida eine Zäsur dar, die sich erheblich auf die Sicherheitsstrukturen in Deutschland und auf die der internationalen Staatengemeinschaft insgesamt auswirkte.

In der behördenübergreifenden Kooperationsplattform GTAZ treffen sich Vertreter folgender Einrichtungen „auf Augenhöhe“: Bundesamt für Verfassungsschutz, Bundesnachrichtendienst, Bundeskriminalamt, Militärischer Abschirmdienst, Generalbundesanwalt, Bundespolizei, Zollkriminalamt, Bundesamt für Migration und Flüchtlinge, Landesämter für Verfassungsschutz sowie Landeskriminalämter.

Mehr Kompetenzen für die deutschen Nachrichtendienste

Innenminister Herrmann machte im Gespräch mit dem RedaktionsNetzwerk Deutschland (RND) für die gestrigen Samstagsausgaben der Madsack-Mediengruppe deutlich, dass er von der Jamaika-Runde in Berlin einen Kompetenzzuwachs für die deutschen Geheimdienste erwartet. Zugleich verlangt der CSU-Politiker „dringend mehr Personal für die Bundespolizei“ und zusätzliche Stellen für die Justiz – „sowohl bei den Staatsanwälten als auch bei den Richtern“.

Mit Blick auf die derzeitigen Jamaika-Verhandlungen in der Bundeshauptstadt kritisierte Herrmann: „Wenn es um eine Verstärkung deutscher Nachrichtendienste geht, würde ich mir mehr Entgegenkommen von FDP und Grünen wünschen.“ Notwendig sei eine deutlich größere Unterstützung für die Dienste. Man sei auf Informationen ausländischer Geheimdienste angewiesen, dies könne und dürfe jedoch „dauerhaft keine Einbahnstraße“ bleiben. „Wir müssen unseren Beitrag dazu leisten und selbst liefern“, so Herrmann gegenüber seinen RND-Gesprächspartnern.

Gefragt, wie er zu einer Beteiligung der Bundeswehr an der Terrorabwehr im Inland und einer Einbindung des Verteidigungsministeriums in das Gemeinsame Terrorabwehrzentrum stehe, antwortete der bayerische Innenminister: „Ich halte das selbstverständlich für sinnvoll. Da kann zum Beispiel der Militärische Abschirmdienst mitwirken.“

Islamistischer Terrorismus bleibt eines der größten Sicherheitsrisiken

Er würde sich außerdem für das Bundesamt für Verfassungsschutz eine noch stärkere zentrale Koordinierungsfunktion wünschen, erklärte Herrmann. Dies müsse nicht bedeuten, dass die einzelnen Bundesländer nun ihre Verfassungsschutzämter aufzugeben hätten. „Sie können dies tun, müssen es aber nicht.“

Zu den aktuell größten Sicherheitsrisiken rechnet der Innenexperte auch weiterhin den islamistischen Terrorismus, aber auch Links- und Rechtsextremisten. Vor dem Hintergrund der wachsenden Kriminalität in bestimmten Stadtgebieten könne es außerdem nicht angehen, dass der Staat dort die Kontrolle verliere. „Wir müssen kriminellen Banden rechtzeitig und entschlossen entgegentreten“, verlangte Herrmann. Schließlich gelte es auch, auf die weltweite Cyberbedrohung zu reagieren.

„Optimierter Informationsfluss“ ist Basis für vertrauensvolle Zusammenarbeit

Kurz zurück zum Gemeinsamen Terrorabwehrzentrum. Für dessen Einrichtung vor 13 Jahren war kein neues Gesetz erforderlich, denn keine Behörde erhielt zusätzliche Kompetenzen oder gab Souveränität ab. Vielmehr trifft im GTAZ jede der beteiligten Einrichtungen ihre Maßnahmen in eigener Zuständigkeit und im Rahmen der für sie geltenden Gesetze. Aufgrund der Organisationsstruktur gibt es auch keinen „GTAZ-Leiter“.

Neben dem GTAZ betreibt die Bundesregierung weitere Zentren zur – wie sie sagt – „Gewährleistung einer vertrauensvolleren, engeren und verstetigten Zusammenarbeit der Sicherheitsbehörden auf der Grundlage eines optimierten Informationsflusses“. Die weiteren Zentren sind das Gemeinsame Analyse- und Strategiezentrum illegale Migration (GASIM; gegründet/eröffnet im Mai 2006 in Berlin, heutiger Standort ist Potsdam), das Gemeinsame Internetzentrum zur Beobachtung und Bewertung islamistischer Internetinhalte (GIZ; gegründet/eröffnet im Januar 2007 in Berlin), das Nationale Cyber-Abwehrzentrum (NCAZ; gegründet/eröffnet im Februar 2011 in Bonn) sowie das Gemeinsame Extremismus- und Terrorismusabwehrzentrum (GETZ; gegründet/eröffnet im November 2012 in Köln, Standorte sind Köln und Meckenheim).

Strikte Trennung zwischen Nachrichtendiensten und Polizeibehörden

In ihrer Antwort vom 21. Oktober 2013 auf eine Kleine Anfrage der Linken äußerte sich die Bundesregierung auch zum „Prinzip der funktionalen, organisatorischen und kompetenziellen Trennung zwischen Polizei und Nachrichtendiensten“. Diese werde durch die Zusammenarbeit in den Zentren keinesfalls infrage gestellt, versicherte die Regierung. Dies gelte in organisatorischer Hinsicht, da innerhalb der Zentren sichergestellt sei, dass Personen nicht gleichzeitig für Polizei und Nachrichtendienste tätig werden dürften. Und dies gelte ebenfalls in informationeller Hinsicht, da durch die Zentren die Trennung der Informationserhebung und Informationsverarbeitung durch die Polizeibehörden auf der einen und die Nachrichtendienste auf der anderen Seite nicht aufgehoben werde.

Wörtlich heißt es in der Antwort weiter: „Es findet keine Verschmelzung und Vermischung von Aufgaben und Befugnissen statt, sondern vielmehr eine auf der Grundlage geltender gesetzlicher Bestimmungen nach dem Trennungsgebot zulässige Kooperation von Nachrichtendiensten und Polizeibehörden insbesondere im Wege eines vertieften Informationsaustausches. Das Trennungsgebot steht einer Weitergabe von Informationen der Polizei an die Nachrichtendienste und umgekehrt auf der Grundlage der gesetzlichen Vorschriften nicht entgegen.“


Zu unserem Bildmaterial:
1. Das Kasernengelände Am Treptower Park im Berliner Ortsteil Alt-Treptow. 1962 bezogen die Grenztruppen der damaligen DDR das Areal. 1990 wurde die Liegenschaft von der Bundeswehr übernommen und zunächst von der Standortkommandantur Berlin genutzt. Seit Dezember 2004 ist auf dem Gelände das Gemeinsame Terrorismusabwehrzentrum/GTAZ angesiedelt.
(Foto: Aude/Wikipedia/unter Lizenz CC BY-SA 3.0 – vollständiger Lizenztext:
https://creativecommons.org/licenses/by-sa/3.0/legalcode)

2. Bayerns Innenminister Joachim Herrmann und Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen am 9. März 2017 in der Werdenfelser Kaserne in Murnau. Hier fand an diesem Tag eine länderübergreifende Stabsrahmenübung von Polizei und Bundeswehr statt.
(Foto: Polizei Bayern)


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