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Berlin/Bad Reichenhall. Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen hat für die Traditionspflege der Bundeswehr eine neue Blickrichtung verordnet: nach vorne, nicht rückwärtsgewandt! Im Zuge der Affäre um den terrorverdächtigen, mutmaßlich rechtsextremen Heeresoffizier Franco A. hatte sie vor Kurzem unter anderem eine Durchsuchung unserer Kasernen nach NS-Symbolen und Wehrmachtsandenken angeordnet. Entdeckt und gemeldet wurden schließlich mehr als 400 Devotionalien aus deutscher Vergangenheit – darunter auch ein Objekt mit Hakenkreuz. Und was ist mit verherrlichenden Landsergemälden an Kasernenwänden, wie etwa in Bad Reichenhall? Denn die Bundeswehr unterhält in mehreren Liegenschaften immer noch Gebäude, an denen sich Wandbilder und Fassadenreliefs sowie andere architektonische Artefakte aus der NS-Zeit befinden. Ein zentrales Verzeichnis aller Gebäude mit Attributen der NS-Architektur, die von der Truppe genutzt beziehungsweise bewirtschaftet werden, gibt es jedoch leider nicht.

Wenn wieder einmal von den Medien die Frage gestellt wird, „wie viel Wehrmacht in der Bundeswehr steckt“ (siehe Süddeutsche Zeitung vom 11. Mai), dann dient zur Bebilderung oft eine Aufnahme von der Außenfassade der Bad Reichenhaller Hochstaufen-Kaserne. Hier im Bereich der Hauptwache grüßen bis heute vier überlebensgroße Wehrmachtssoldaten an der Kasernenwand den Besucher. Unter dem Wandfresco blickt stolz ein steinerner Adler ins Land, einen Kranz in seinen Krallen, im Kranz ein Edelweiß.

Das RABATZ-Bündnis, eine regionale antifaschistische Initiative, beklagt seit gut sieben Jahren lautstark in der Öffentlichkeit die „falsche Glorie“ in Bad Reichenhall und anderen bayerischen Bundeswehrstandorten. Die Alpenregion sei schon immer mit dem Ruf des „konservativen, wenn nicht gar reaktionären heimat-kitschig Verklärten“ behaftet gewesen, so die Antifa-Mitglieder. In einer Presseerklärung vom 9. Mai verurteilt das Bündnis einmal mehr „die Wehrmachtserinnerungen in der Bundeswehr“, die „in Bad Reichenhall ganz offensichtlich“ seien. Denn: „Immer noch prägen ein nationalsozialistisches Landsergemälde und ein Reichsadler das Bild der örtlichen Kaserne. Lediglich das Hakenkreuz in den Krallen des Adlers wurde durch ein Edelweiß ausgetauscht.“

Die Traditionen der Bundeswehr von denen der Wehrmacht loslösen

Bad Reichenhall mit dem heroischen Wandensemble im Eingangsbereich der Hochstaufen-Kaserne ist kein Einzelfall. Aber wie viele solcher Altlast-Fälle gibt es noch? Dies wollte auch der Bundestagsabgeordnete Jan Korte (Die Linke) wissen und wandte sich an das Bundesministerium der Verteidigung. Wenn Bräuche und Zeremonien hinterfragt werden, man Wehrmachtserinnerungen aus Diensträumen und Unterkünften verbannt und demnächst wohl weitere Umbenennungen von Kasernen mit NS-Bezug im Namen anstehen, wie sollte da nicht auch lückenlos Auskunft gegeben werden können über alte Nazi-Kunst in Bundeswehrliegenschaften?

Also fragte Korte: „Wie viele Kasernen der Bundeswehr – wie beispielsweise die Hochstaufen-Kaserne in Bad Reichenhall – sind bis heute mit Wandbildern und Fassadenreliefs aus der NS-Zeit versehen, die Wehrmachtssoldaten, NS- beziehungsweise Wehrmachtssymbolik, Reichsadler oder ähnliche, etwa nur durch Entfernung des Hakenkreuzes veränderte NS-Symbole zeigen?“ Und: „Wie gedenkt die Bundesregierung zukünftig damit jeweils umzugehen (beispielsweise Entfernung oder erkennbare Kommentierung), um ihren Anspruch, die Traditionen der Bundeswehr von denen der Wehrmacht zu lösen, in die Tat umzusetzen?“

Der Parlamentarier bat in seiner Anfrage das Ministerium ausdrücklich um eine Auflistung der betreffenden Kasernen mit einem jeweiligen Lösungsansatz.

Dem „damaligen Zeitgeist“ entsprechender Gebäudeschmuck

Sagen wir es vorweg: Die Antwort fiel – in Erwartung einer dringend erforderlichen Listenübersicht – unbefriedigend aus.

Markus Grübel, Parlamentarischer Staatssekretär bei der Bundesministerin der Verteidigung, schrieb am 24. Mai: „Die Bundeswehr nutzt in mehreren Liegenschaften Gebäude, an denen sich Wandbilder und Fassadenreliefs sowie andere architektonische Artefakte aus der NS-Zeit befinden. Dabei handelt es sich sowohl um dem damaligen Zeitgeist entsprechenden Gebäudeschmuck als auch um Symboliken mit eindeutig militärischem oder politischem Bezug.“

Nach seiner kurzen Einleitung musste Grübel einräumen: „Ein zentrales Verzeichnis aller Gebäude mit Attributen der NS-Architektur, die von der Bundeswehr genutzt beziehungsweise bewirtschaftet werden (beispielsweise nach Rücknahme von verbündeten Streitkräften), wird nicht geführt.“

Verteidigungsministerium verweist auf die Kulturhoheit der Länder

Nach bisherigen Erkenntnissen stehe ein Teil der betroffenen Liegenschaften unter Denkmal- und/oder Ensembleschutz, teilte der Staatssekretär weiter mit. Aufgrund der Kulturhoheit der Länder sei die Denkmalschutz-Gesetzgebung Sache der Bundesländer mit ihren 16 eigenständigen landesrechtlichen Regelungen. Damit liege auch die Entscheidung über die Denkmalwürdigkeit von Anlagen, Gebäuden oder Gebäudeteilen in der Zuständigkeit der Länder.

„Deren Denkmalschutzbehörden treffen ihre Entscheidungen für die Bewahrung von Zeugnissen der Vergangenheit auch unter dem Aspekt der Erhaltung von Spuren unserer Geschichte und der Eigenart der von Generationen gestalteten Architektur. Dies betrifft auch die Architektur aus der NS-Zeit“, erläuterte Grübel. Änderungen oder die Zerstörung denkmalgeschützter Bauwerke bedürften einer Erlaubnis oder Genehmigung. Am Schluss versicherte er: „Das Bundesministerium der Verteidigung wird in jedem Einzelfall prüfen, wie mit der Architektur oder Architekturteilen in oder an Gebäuden aus der NS-Zeit weiter verfahren werden soll.“

Vielleicht wäre es hilfreich, wenn die zuständigen Fachleute hierfür auch mit einem zentralen Verzeichnis arbeiten könnten …

Einordnung in den wissenschaftlichen und historischen Kontext

Zurück nach Oberbayern in den Bundeswehrstandort Bad Reichenhall. Auf Anfrage der Passauer Neue Presse nahm hier im vergangenen Monat die Gebirgsjägerbrigade 23 Stellung zu den Äußerungen des RABATZ-Bündnisses.

Der damalige Pressestabsoffizier des Verbandes wies darauf hin, dass die Kasernenmalerei des Allgäuer Künstlers Josef Hengge aus dem Jahr 1936 lediglich vier Wehrmachtssoldaten in den Uniformen der damaligen Zeit zeige, dementsprechend seien Symbole der Wehrmacht zu erkennen, jedoch keine Symbole des Nationalsozialismus.

Vor dem Gebäude gebe es außerdem eine öffentlich zugängliche Informationstafel, die das Wandgemälde und den steinernen Adler in einen wissenschaftlichen und historischen Kontext einordne. Den Text habe der Historiker und Reichenhaller Stadtheimatpfleger Johannes Lang verfasst, so die Brigade im Mai. Die Hinweistafeln sollten an das Unrechtsregime der nationalsozialistischen Diktatur und an den Missbrauch des Militärs für Eroberungs- und Vernichtungsfeldzüge erinnern. Gleichzeitig mahnten die Lehren aus der Geschichte an den Stellenwert der Freiheit und der demokratischen Verfassung.

Früherer Namensgeber der Kaserne war fanatischer Anhänger des NS-Regimes

Die Antwort der Antifa-Initiative ließ nicht lange auf sich warten. Der Stadtheimatpfleger mache aus den Tätern der Wehrmacht plötzlich Missbrauchte des „Unrechtsregimes“, so der Vorwurf kurz darauf in einer Erklärung des Bündnisses. Lang wisse in seinen Tafeltexten zwar zu berichten, dass die Kaserne bis 2012 nach dem ehemaligen General der Wehrmacht Rudolf Konrad benannt war. Dass dieser ein fanatischer Anhänger des NS-Regimes und bekennender Antisemit gewesen war, den Hitler persönlich zum Kommandierenden General gemacht hatte, werde allerdings verschwiegen (nach Recherchen des Bayerischen Rundfunks hatte Konrad im Krieg intensiv mit SS- und Polizeiführern zusammengearbeitet; im Zuge der Partisanenbekämpfung auf der Schwarzmeerhalbinsel Krim soll er den Befehl zur Zerstörung ganzer Ortschaften gegeben haben).

Die beiden – baulich nicht voneinander getrennten – Anlagen in Bad Reichenhall, die damalige „General-Konrad-Kaserne“ und die „Artillerie-Kaserne“, waren am 31. Juli 2012 unter Verteidigungsminister Thomas de Maiziére in „Hochstaufen-Kaserne“ umbenannt worden. Der Umbenennung lag eine Initiative der Vertrauenspersonen des Standortes Bad Reichenhall zugrunde.

In einem Pressetext des deutschen Heeres aus dem Jahr 2012 findet sich folgende Begründung für den neuen Kasernennamen: „Die Umbenennung in ,Hochstaufen-Kaserne‘ dokumentiert die Verbundenheit der Gebirgsjägerbrigade 23 mit dem Standort Bad Reichenhall und der Region. Der (1771 Meter hohe) Hochstaufen ist der Hausberg der Kurstadt, an dessen Fuße die Bundeswehrgebäude mit ihren Soldaten beheimatet sind.“


Die Aufnahme zeigt das heute umstrittene Wandfresco des Allgäuer Künstlers Josef Hengge aus dem Jahr 1936 und den steinernen Reichsadler im Eingangsbereich der Bad Reichenhaller Hochstaufen-Kaserne.
(Foto: amk)

 


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