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Frankfurt am Main. Die Athletenkommission des Deutschen Olympischen Sportbundes (DOSB) hat am Dienstagabend (31. Januar) den Fechter Maximilian Hartung zu ihrem neuen Vorsitzenden gewählt. Der 27 Jahre alte Welt- und Europameister sorgte gleich am nächsten Tag mit seinem ersten Interview für Schlagzeilen, rüttelt er damit doch an sportpolitischen Grundstrukturen des deutschen Leistungssports. Hartung sagte der Frankfurter Allgemeinen Zeitung (FAZ) – angesprochen auf den Entwurf der Spitzensportreform: „Ich gehe grundsätzlich davon aus, dass Athleten ihr Bestes geben und erfolgreich sein wollen. Aber ich halte die Bundeswehr nicht für ein besonders gutes Instrument der Sportförderung.“

In dem Gespräch mit Michael Reinsch, Sportkorrespondent der FAZ in Berlin, erklärte der neue Athletensprecher: „Bei der Polizei, in den Ländern und beim Bund erhalten die geförderten Athleten eine Berufsausbildung und haben die Aussicht, nach dem Sport übernommen zu werden. Bei der Bundeswehr ist dies generell nicht der Fall.“ Bei Kosten von rund 50 Millionen Euro müssten die Stellen bei der Bundeswehr als der größte Baustein für die direkte Förderung von Athleten gesehen werden. Er sei überzeugt, dass man dieses Geld „intelligenter und fairer“ einsetzen könne, meinte Hartung.

Der Fechter war von den Kommissionsmitgliedern einstimmig gewählt worden. Er ist damit Nachfolger des früheren Ruderweltmeisters Christian Schreiber, der am vergangenen Wochenende das DOSB-Präsidium sowie die Athletenkommission über seinen beruflich und privat bedingten Rücktritt informiert hatte. Der neue Vorsitzende Hartung nimmt auch den Platz Schreibers im DOSB-Präsidium ein. Der Team-Weltmeister von 2014 und Team-Europameister von 2015 ist seit 2013 Athletensprecher im Deutschen Fechter-Bund und wurde 2014 in die Athletenkommission des DOSB gewählt. Er ist zudem Mitglied im Aufsichtsrat der Sporthilfe.

„Verwaltungsaufwand innerhalb der Bundeswehr ist enorm“

In seinem FAZ-Interview kritisierte Hartung, dass die Bundeswehr bei der Sportförderung nicht nach Leistung differenziere. Auch der Verwaltungsaufwand innerhalb der Truppe sei enorm. Der Vorsitzende der Athletenkommission führte aus: „Wenn man die Aufwendungen der Bundeswehr mit denen der Stiftung Deutsche Sporthilfe vergleicht – 50 Millionen Euro Steuergeld zu 12 Millionen, die ganz überwiegend privat aufgebracht werden –, erkennt man das Ungleichgewicht. In den Streitkräften sind gut 700 Sportlerinnen und Sportler beschäftigt, und nicht einmal nur die besten. Für den Rest der Athleten steht nicht einmal ein Viertel dieser Summe zur Verfügung. Wenn es nach mir ginge, würde ich vorschlagen, das Geld anders einzusetzen und es ohne den Umweg über die Bundeswehr direkt an die Sportler auszuschütten.“

Die Athletenkommission ist die Vertretung aller für Deutschland startenden Athletinnen und Athleten und setzt sich für deren Interessen in Sport, Politik und Gesellschaft ein. Inhaltlich befasst sich das Gremium mit allen Bereichen des Leistungssports, schwerpunktmäßig mit dem Themenkomplex „Duale Karriere“ und „Vereinbarkeit von Spitzensport und beruflicher Entwicklung“ sowie mit verschiedenen Aspekten der Dopingbekämpfung.

Unbefriedigende Erfolgsstatistik der deutschen Sportsoldaten

Heftige Kritik am bislang praktizierten Modell des Sportsoldatentums hatte in der Vergangenheit auch schon der renommierte Sportökonom Wolfgang Maennig geäußert (siehe unseren Beitrag vom 6. September 2012). Der Ruder-Olympiasieger mit dem Deutschland-Achter von Seoul 1988 hatte in einer Studie vorgerechnet, dass die Sportsoldaten in der Olympiamannschaften von London 2012 signifikant weniger Medaillen erringen konnten als der Rest des Teams.

Maennig, heute Professor für Volkswirtschaft an der Universität Hamburg, hatte in seiner damaligen Arbeit „London 2012 – das Ende des Mythos vom erfolgreichen Sportsoldaten“ darauf aufmerksam gemacht, dass bei dieser Olympiade lediglich 17 der angetretenen 115 Sportsoldaten (= 14,8 Prozent) eine Medaille gewinnen konnten, von den 276 Nicht-Soldaten der deutschen Olympiamannschaft jedoch 69 Medaillen eingesammelt worden sind (also von jedem Vierten = 25 Prozent). Damit zeige sich bereits bei diesen Spielen die unbefriedigende Erfolgsstatistik der Bundeswehr-Sportsoldaten.

Ähnlich nachdenklich stimmende Zahlen legte Maennig auch am 19. Oktober vergangenen Jahres bei einer Anhörung des Sportausschusses des Deutschen Bundestages vor. Auch bei der Sommerolympiade im brasilianischen Rio de Janeiro seien die deutschen Sportsoldaten „unterdurchschnittlich erfolgreich“ gewesen. Nur 19 von 125 Sportsoldaten (= 15,2 Prozent) hätten eine Medaille gewinnen können. Der Rest der deutschen Olympiamannschaft sei erfolgreicher gewesen – von den 296 Nicht-Soldaten seien 132 Medaillen errungen worden (= 44,68 Prozent).

Damit hätte sich der Eindruck aus den Ergebnissen von London verstärkt, urteilte der Wissenschaftler mit Blick auf Kosten und damit Steuergelder. Bereits bei den Sommerspielen 2012 habe die Medaille eines Sportsoldaten der Bundeswehr „mindestens das Siebenfache“ der Medaille gekostet, die ein Athlet mit Unterstützung der Deutschen Sporthilfe habe erringen können.


Zu unserer Bildauswahl:
1. Säbelfechter Maximilian Hartung, der neue Vorsitzende der Athletenkommission des Deutschen Olympischen Sportbundes (DOSB), stellt die Sportförderung der Bundeswehr infrage.
(Foto: picture-alliance/DOSB)

2. Sportsoldat Peter Joppich ist viermaliger Weltmeister im Florettfechten und wurde Dritter bei den Olympischen Spielen in London 2012. Den Traum vom Gold konnte er sich bei der Olympiade in Rio de Janeiro im vergangenen Jahr allerdings nicht erfüllen. Joppich verlor gegen Team-Olympiasieger Giorgio Avola aus Italien (links im Bild) mit 13:15. Ohne Medaille musste auch Max Hartung aus Rio nach heimreisen – er verlor im Achtelfinale gegen Vizeweltmeister Daryl Homer aus den USA mit 12:15. Für den Deutschen Fechter-Bund bedeuteten die Sommerspiele 2016 in Brasilien eine historische Sportpleite: Erstmals seit 44 Jahren holte die einstige deutsche Vorzeigesportart kein Olympia-Edelmetall.
(Foto: Jane Schmidt/Bundeswehr)

3. Die Beachvolleyballerinnen Kira-Katharina Walkenhorst (rechts) und Laura Ludwig mit ihren Goldmedaillen nach dem Olympiafinale in Rio gegen Brasilien. Das Foto entstand am 18. August 2016 in der Arena auf der Copacabana. Walkenhorst ist Sportsoldatin der Bundeswehr.
(Foto: Jane Schmidt/Bundeswehr)

Kleines Beitragsbild: Die Radsportler und Sportsoldaten Theo Reinhardt, Nils Schomber, Kersten Thiele und Domenic Weinstein (von links) am 12. August 2016 im Olympic Velodrome von Rio de Janeiro. Der deutsche Bahnvierer stellte bei den Olympischen Spielen in der Mannschaftsverfolgung über 4000 Meter in 3:56,903 Minuten zwar einen neuen deutschen Rekord auf. Für den Einzug in die Finalläufe reichte es allerdings nicht. Am Ende belegte das Team Rang fünf in der Mannschaftsverfolgung.
(Foto: Jane Schmidt/Bundeswehr)


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