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Osnabrück/Potsdam. Nach den Negativschlagzeilen in den Medien um rechtes Gedankengut und Wehrmachtsverherrlichung in der Bundeswehr hatte Generalinspekteur Volker Wieker gehandelt. Er hatte angeordnet, sämtliche Bundeswehrliegenschaften nach historisch belasteten Exponaten zu durchsuchen und diese zu entfernen. Auslöser für die Aktion war die Festnahme des rechtsextremen Oberleutnants Franco A., dem die Planung eines Anschlages zur Last gelegt wird. Derzeit lässt Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen auch den Traditionserlass für die Streitkräfte überarbeiten. Beim Umgang mit historischen Ausstellungs- und Erinnerungsstücken berät mittlerweile auch eine „Ansprechstelle für militärhistorischen Rat“ (AmR).

Die neue Beratungsstelle hat im ersten Monat ihres Bestehens bereits 20 Anfragen erhalten. Dies geht aus einer Antwort der Bundesregierung auf eine Kleine Anfrage der Linken hervor, über die die Neue Osnabrücker Zeitung in ihrer heutigen Montagsausgabe (11. September) berichtete.

Bei den Anfragen ging es vor allem um den Umgang mit Gedenktafeln, Gegenständen oder Fotos von Wehrmachtsangehörigen. Die im Juli gegründete AmR erteilte zwölf Antworten und riet meist dazu, zu den Exponaten Erläuterungstafeln anzubringen oder sie in zugelassenen militärhistorischen Sammlungen aufzubewahren.

Uniformbild des früheren Bundeskanzlers Helmut Schmidt

Die AmR befindet sich im Zentrum für Militärgeschichte und Sozialwissenschaften der Bundeswehr (ZMSBw) in Potsdam und berät Bundeswehr-Dienststellenleiter und Vorgesetzte, wie sie mit historischen Ausstellungs- und Erinnerungsstücken umgehen sollen. Dabei geht es auch darum, ob Exponate – insbesondere aus der NS-Zeit und der Wehrmacht – in einer Kaserne bleiben können oder entfernt werden müssen.

Die Beratungsstelle bestätigt beispielsweise die Entscheidung der Universität der Bundeswehr Hamburg, ein Foto ihres Namensgebers, Ex-Bundeskanzler Helmut Schmidt, in Wehrmachtsuniform wieder aufzuhängen.

Linke spricht von „schlechtem Geschichtsbewusstsein“ in der Bundeswehr

Manch ein Rat ist aber durchaus umstritten. Bei einem Zeitungsfoto von einem Richtfest im Dritten Reich, auf dem der Ansatz einer Hakenkreuzfahne zu sehen ist, lautet die Empfehlung, „das Hakenkreuz auf dem Foto so abzudecken, dass das Originalbild dabei nicht beschädigt wird“.

Die Linke kritisiert dieses Vorgehen als Manipulation eines Fotos und „Geschichtsklitterung“. Die innenpolitische Expertin der Linken im Bundestag, Ulla Jelpke, sagte dazu: „Alleine schon die Tatsache, dass die Bundeswehr 72 Jahre nach dem Zweiten Weltkrieg eine solche Ansprechstelle benötigt, zeigt, wie schlecht es um das Geschichtsbewusstsein bei den Kommandeuren der Bundeswehr steht.“

Militärhistorische Grundlagenforschung für die deutschen Streitkräfte

Das Potsdamer ZMSBw zählt zu den Ressortforschungseinrichtungen des Bundes im Geschäftsbereich des Verteidigungsministeriums. Es betreibt militärhistorische Grundlagenforschung sowie militärsoziologische und sicherheitspolitische Forschung für die Bundeswehr.

Die Einrichtung arbeitet auf der Grundlage der grundgesetzlich garantierten Freiheit von Wissenschaft, Forschung und Lehre sowie der von der Bundesregierung anerkannten Exzellenzkriterien wissenschaftlicher Forschung. Der Doppelcharakter als zentrale Forschungseinrichtung des Bundes und weisungsabhängige militärische Dienststelle als Teil der Bundeswehr stehe hierzu nicht in Widerspruch, versichert das Zentrum. Forschungsfelder und Rahmenbedingungen könnten zwar bedarfsorientiert vorgegeben werden, nicht jedoch die Wahl der Methoden sowie die Forschungsergebnisse und deren Darstellung.

Die Forschungsarbeit trägt internationalen Standards ihrer jeweiligen Disziplin Rechnung und wird durch adäquate Verfahren zur Qualitätssicherung fortlaufend evaluiert. Damit wirke man, so das ZMSBw, am wissenschaftlichen Diskurs über die Rolle der Streitkräfte in Staat und Gesellschaft mit.


Die Aufnahme zeigt den Dienstsitz des Zentrums für Militärgeschichte und Sozialwissenschaften der Bundeswehr in Potsdam, die Villa Ingenheim. Die Villa, im 19. Jahrhundert von der Fabrikantenfamilie Ingenheim erbaut, ging in den Besitz der Hohenzollern über. Nach dem Zweiten Weltkrieg beherbergte sie nach der kurzzeitigen Nutzung durch die Sowjetarmee und Nationale Volksarmee (NVA) bis zur Wiedervereinigung das Militärgeschichtliche Institut der NVA. Das Haupthaus und die meisten Nebengebäude wurden denkmalgerecht saniert. Der Komplex liegt am südwestlichen Stadtrand von Potsdam direkt an der Havel.
(Foto: ZMSBw)

Kleines Beitragsbild: Koppelschloss der Bundeswehr, links daneben zu erkennen Schlösser aus den Jahren 1848, 1895 und 1925.
(Gestaltung: mediakompakt)


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