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Berlin. Zwischen dem 11. April 2002 und dem 12. Januar 2016 verloren 103 deutsche Staatsbürger ihr Leben durch terroristisch motivierte Taten, terroristische Anschläge oder in Afghanistan beim Kampf der Anti-Terror-Koalition gegen militante Islamisten. Entsprechende Zahlen und Detailinformationen erhielt jetzt der Bundestagsabgeordnete Frank Tempel (Die Linke) vom Innen- und vom Verteidigungsministerium. Tempel wollte wissen, wie viele deutsche Staatsbürger, Sicherheitskräfte und Bundeswehrangehörige nach den Anschlägen vom 11. September 2001 in den USA bislang weltweit durch die Hand von Terroristen und Extremisten starben.

Als am 11. April 2002 auf der tunesischen Insel Djerba ein mit 5000 Litern Flüssiggas beladener Kleinlaster gegen die Wand der al-Ghriba-Synagoge prallte und explodierte, tötete der Feuerball vor dem Gotteshaus und im Inneren 21 Menschen, darunter 14 deutsche Touristen. Es war der erste Anschlag der al-Qaida nach „9/11“ (die Terrororganisation hat später für dieses Attentat die Verantwortung übernommen).

Elf deutsche Frauen und Männer – Mitglieder einer Reisegruppe – starben am 12. Januar 2016 in der türkischen Metropole Istanbul, als sich ein Selbstmörder auf dem Sultan-Ahmed-Platz am Obelisken von Thutmosis III. in die Luft sprengte. Nach Angaben der türkischen Regierung soll der Attentäter ein Angehöriger der Terrorbewegung „Islamischer Staat“ (IS) gewesen sein.

Zwischen Djerba und Istanbul verloren insgesamt 103 deutsche Staatsbürger – Zivilisten, Sicherheitskräfte und Bundeswehrangehörige – gewaltsam ihr Leben durch Terror, Extremismus und Fanatismus. Bei der Apokalypse „9/11“ in den Vereinigten Staaten waren letzten Untersuchungen zufolge zuvor elf Deutsche getötet worden.

Tatmotivation lässt sich nicht in jedem Einzelfall eindeutig bestimmen

Die Fragen des Bundestagsabgeordneten Frank Tempel beantworteten am 12. Februar der Parlamentarische Staatssekretär beim Bundesminister des Innern, Ole Schröder, und der Parlamentarische Staatssekretär bei der Bundesministerin der Verteidigung, Markus Grübel.

Schröder erklärte, die Bundesregierung habe Kenntnis von 63 deutschen Staatsangehörigen, die weltweit nach den Anschlägen vom 11. September 2001 ums Leben gekommen seien und bei denen eine terroristisch motivierte Tat angenommen werde. „Nicht in jedem Einzelfall lässt sich die Tatmotivation eindeutig belegen. Teilweise ist der Tatort nicht bekannt – dies trifft insbesondere bei Entführungsopfern zu“, so der Staatssekretär des Innern.

Tote und Schwerverletzte bei 27 Anschlägen in aller Welt

Zur Komplettierung der Antwort lieferte Schröder folgende Liste (sie enthält keine Sicherheitskräfte und Bundeswehrangehörige):

11. April 2002, Djerba/Tunesien, Todesopfer 14
29. September 2002, Riad/Saudi-Arabien, Todesopfer 1
12. Oktober 2002, Bali/Indonesien, Todesopfer 6
1. Februar 2003, unbekannt/Algerien, Todesopfer 1
16. März 2004, Bagdad/Irak, Todesopfer 1
17. März 2004, Kerbela/Irak, Todesopfer 1
22. Mai 2004, Riad/Saudi-Arabien, Todesopfer 1
8. Februar 2005, unbekannt/Irak, Todesopfer 2
24. April 2006, Dahab/Ägypten, Todesopfer 1
6. Oktober 2006, Bamiyan/Afghanistan, Todesopfer 2
8. März 2007, Sar-i-Pul/Afghanistan, Todesopfer 1
18. Juli 2007, unbekannt/Afghanistan, Todesopfer 1
26. November 2008, Mumbai/Indien, Todesopfer 3
12. April 2009, Kandahar/Afghanistan, Todesopfer 1
2. Juli 2010, Kunduz/Afghanistan, Todesopfer 1
6. August 2010, unbekannt/Afghanistan, Todesopfer 1
24. Dezember 2010, Qhashqargan/Afghanistan, Todesopfer 1
24. Januar 2011, Moskau/Russland, Todesopfer 1
25. November 2011, Timbuktu/Mali, Todesopfer 1
17. Juli 2012, Erta Ale/Äthiopien, Todesopfer 2
31. Mai 2012, Kano/Nigeria, Todesopfer 1
5. Dezember 2013, Sanaa/Jemen, Todesopfer 2
4. April 2014, Tanai/Afghanistan, Todesopfer 1
11. Dezember 2014, Kabul/Afghanistan, Todesopfer 1
26. Juni 2015, Sousse/Tunesien, Todesopfer 2
13. November 2015, Paris/Frankreich, Todesopfer 2
12. Januar 2016, Istanbul/Türkei, Todesopfer 11

Große Trauer bei Bundespolizei und Bundeskriminalamt

Zu der Frage Tempels, wie viele deutsche Sicherheitskräfte – Bundeskriminalamt, Bundespolizei, Bundesnachrichtendienst und andere Institutionen – seit den Anschlägen vom 11. September 2001 bei terroristischen Angriffen starben, antwortete Staatssekretär Schröder: „Die Bundesregierung hat Kenntnis von insgesamt fünf deutschen Sicherheitskräften, die [danach] weltweit ums Leben gekommen sind und bei denen eine terroristisch motivierte Tat angenommen wird.“

Nach Auskunft Schröders handelt es sich dabei um folgende zwei Ereignisse: 7. April 2004 in Falludscha/Irak (zwei Tote) und 15. August 2007 in Kabul/Afghanistan (drei Tote).

„Durch Gewalthandlung organisierter bewaffneter Gruppen zu Tode gekommen“

Staatssekretär Markus Grübel erklärte auf die entsprechende Anfrage des Parlamentariers der Linken zu den Opferzahlen der Bundeswehr zunächst: „Eine allgemein anerkannte und rechtsverbindliche Definition des Begriffes ,Terrorismus‘ existiert nicht. Definitionen finden sich unter anderem im Internationalen Übereinkommen zur Bekämpfung der Finanzierung des Terrorismus vom 9. Dezember 1999 […] und auch im Gemeinsamen Standpunkt des Rates der Europäischen Union vom 27. Dezember 2001 über die Anwendung besonderer Maßnahmen zur Bekämpfung des Terrorismus […].“

Was immer Grübel uns mit dieser verschwommenen Bemerkung sagen will, im Zusammenhang mit deutschen Kriegstoten am Hindukusch – gefallen im Anti-Terror-Kampf – erschließt sich dies nur sehr schwer (der tiefere Grund für das Lavieren des Staatssekretärs liegt wohl weit zurück und hat offenbar mit der parlamentarischen Beschlussfassung eines deutschen Doppeleinsatzes in Afghanistan Ende 2001 zu tun; der Historiker Klaus Naumann befasste sich in seinem 2008 erschienenen Buch „Einsatz ohne Ziel“ intensiv mit diesem Spagat und sprach von einem „guten“ UN-mandatierten ISAF-Einsatz und der „Grauzone einer ungeliebten“ Beteiligung an der Operation Enduring Freedom).

Aber zurück zu der Antwort aus dem Verteidigungsministerium. Staatssekretär Grübel: „Im Sinne einer möglichst umfassenden Beantwortung […] sind in der [nachfolgenden] tabellarischen Aufstellung daher die Bundeswehrangehörigen aufgeführt, die in mandatierten Einsätzen im Rahmen eines bewaffneten Konfliktes durch Gewalthandlungen der jeweiligen organisierten bewaffneten Gruppen zu Tode gekommen sind.“ Unterschieden werde bei dieser Aufstellung nicht, ob es sich um Soldatinnen und Soldaten oder um Zivilbedienstete der Bundeswehr handele. Hätten Zivilbedienstete an den Einsätzen in Afghanistan teilgenommen, so hätten sie dies im Soldatenstatus getan.

17 traumatische Einsatztage für die Bundeswehr am Hindukusch

Die Übersicht des Verteidigungsministeriums, die insgesamt 34 Tote ausweist, nennt jeweils den Zeitpunkt des Anschlags in Afghanistan, nicht jedoch den Ort (Anm.: im Onlineportal des Ministeriums ist unter dem Menüpunkt „Gedenken“ zudem von 35 „durch Fremdeinwirkung“ Gefallenen die Rede; diese Zahl haben wir auch in unsere Infografik übernommen):

7. Juni 2003, Todesopfer 4
25. Juni 2005, Todesopfer 2
14. November 2005, Todesopfer 1
19. Mai 2007, Todesopfer 3
27. August 2008, Todesopfer 1
20. Oktober 2008, Todesopfer 2
29. April 2009, Todesopfer 1
23. Juni 2009, Todesopfer 3
4. Oktober 2009, Todesopfer 1*
2. April 2010, Todesopfer 3
15. April 2010, Todesopfer 4
7. Oktober 2010, Todesopfer 1
18. Februar 2011, Todesopfer 3
25. Mai 2011, Todesopfer 1
28. Mai 2011, Todesopfer 2
2. Juni 2011, Todesopfer 1
4. Mai 2013, Todesopfer 1
* (Soldat stirbt an diesem Tag an den Spätfolgen seiner Verletzungen, die er bei einem Selbstmordattentat am 6. August 2008 in Afghanistan erlitten hatte.)


Unser Bildangebot:
1. Die Infografik zeigt jene Länder, in denen Deutsche seit dem Jahr 2001 durch terroristisch oder extremistisch motivierte Taten ums Leben kamen.
(Infografik © mediakompakt 02.16)

2. Mit einer zentralen Trauerfeier in Hannover am 3. Juni 2011 nahm die Bundeswehr Abschied von Hauptfeldwebel Tobias Lagenstein (Feldjägerbataillon 152, Hannover), Hauptmann Markus Matthes (Division Spezielle Operationen, Stadtallendorf) und Major Thomas Tholi (Führungsunterstützungsbataillon 282, Kastellaun). Die drei Soldaten wurden in Afghanistan Opfer von Sprengstoffanschlägen.
(Foto: Marcus Rott/Bundeswehr)

3. Amateuraufnahme des Terroranschlags auf Djerba in Tunesien, 11. April 2002.
(Videostandbild: Quelle Helmut Eckert/Spiegel)

4. Pressefoto vom Anschlagsort in Istanbul, 12. Januar 2016.
(Bildbearbeitung: mk)

Kleines Beitragsbild: Ein gefallener Bundeswehrangehöriger wird von den Kameraden im nordafghanischen Mazar-e Sharif zur Überführung in die Heimat in die Transall getragen.
(Foto: Andrea Bienert/Bundeswehr)


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