menu +

Nachrichten



Brüssel. Die NATO-Bündnisstaaten werden vermutlich in Zukunft mit zusätzlichen, eher militäruntypischen Herausforderungen und Aufgaben konfrontiert und dafür auch ihre Verteidigungsbudgets belasten müssen. Dies werde zwangsläufig zu weiteren Restriktionen im Bereich der originären Rüstungsbeschaffung führen. Schon jetzt beklage das Bündnis einen zunehmenden Mangel an Marineschiffen. Diese Einschätzung beziehungsweise Kritik stammt von Jamie Shea, seit Oktober 2010 als Vize-Generalsekretär der NATO zuständig für den Bereich „Neue sicherheitspolitische Bedrohungen“. Der Brite äußerte sich am Donnerstag vergangener Woche (26. Mai) bei einer Konferenz in Brüssel.

Shea war einer der Gastredner der „EU Security, Migration and Borders Conference“, die im Brüsseler „Renaissance Hotel“ stattfand. Er erinnerte daran, dass die NATO-Staaten sich verpflichtet hätten, mindestens zwei Prozent ihres Bruttoinlandsproduktes in die Verteidigung zu investieren. Lediglich fünf der 28 Bündnismitglieder – USA, Estland, Polen, Großbritannien und Griechenland – setzten 2015 die Vorgabe um. Im Mittelfeld mit 1,18 Prozent: Deutschland.

Nach einem Bericht von Spiegel online erfüllte im Jahr 2014 sogar kein einziges NATO-Land sämtliche neun Vorgaben, mit denen die Bündnisleistungen gemessen werden. Konstantin von Hammerstein schreibt in seinem am 21. Mai veröffentlichten Spiegel-Artikel: „Jedes Land ist […] verpflichtet, dem Bündnis einen bestimmten Anteil seiner Streitkräfte zur Verfügung zu stellen – zum Beispiel Truppen, Flugzeuge, Schiffe, Landfahrzeuge oder Personal für die NATO-Stäbe. Diese neun Kennziffern, die den Output messen, werden geheim gehalten.“

Rund 20 Prozent ihrer Verteidigungsausgaben sollten die Mitgliedstaaten der Allianz außerdem für Forschung und Entwicklung reservieren. Auch hier bestehen große Defizite.

In Erwartung neuer, nicht klassisch-militärischer Bedrohungen

Bei der Veranstaltung in der belgischen Hauptstadt nannte NATO-Chefplaner Shea Szenarien, die künftig möglicherweise Mittel aus den Verteidigungsetats der Bündnisländer binden könnten: etwa den weltweiten Klimawandel oder die andauernde Flüchtlingskrise in Europa.

Als aktuelle Beispiele für „atypische“ Streitkräftemissionen (Shea nennt es „nontraditional“) führte der Stratege die Entscheidung der belgischen Regierung an, unmittelbar nach den Brüsseler Anschlägen vom 22. März dieses Jahres mehr als 1000 Soldaten in der Hauptstadt einzusetzen. „Und vor Kurzem erst hat die Regierung Belgiens Militärangehörige zur Unterstützung in Gefängnisse entsandt, weil dort die Vollzugsbeamten in den Streik getreten waren“, so Shea weiter.

Mit Blick auf die angespannte Lage beim Schiffsbestand der NATO warnte der 62-Jährige, der seit 1980 zahllose Schlüsselpositionen innerhalb des Bündnisses innehatte, vor einer zunehmenden Verknappung auch im Bereich anderer Systeme. Jamie Shea bei der Konferenz am vergangenen Donnerstag: „Sogar die USA haben unlängst die französische Luftwaffe gebeten, vom östlichen Mittelmeer aus ebenfalls Angriffe auf Stellungen der Terrororganisation ,Islamischer Staat‘ zu fliegen.“ Man könne sich also ausmalen, welche zusätzlichen Belastungen – bei gleichbleibenden oder schrumpfenden Verteidigungsbudgets – besonders noch auf die Streitkräfte der Europäer zukämen.


Zu unserer Bildauswahl:
1. 5. Juni 2003 – „Sea Day“ der NATO im spanischen Alicante, im Vordergrund die griechische Fregatte F463 „Bouboulina“.
(Foto: NATO)

2. Jamie Shea, Vize-Generalsekretär der NATO für den Bereich „Neue sicherheitspolitische Bedrohungen“. Die Aufnahme entstand am 22. März 2012 bei einer Konferenz in London zum Thema „Klimawandel und Sicherheit“.
(Foto: Foreign and Commonwealth Office)

Kleines Beitragsbild: Die NATO-Flagge auf hoher See bei der Übung „Joint Warrior“. Verfügt das Bündnis bald nicht mehr über genügend Schiffseinheiten, um alle maritimen Aufgaben abzudecken?
(Foto: NATO)


Kommentieren

Bitte beantworten Sie die Frage. Dies ist ein Schutz der Seite vor ungewollten Spam-Beiträgen. Vielen Dank *

OBEN