Berlin. Militärflugzeuge haben zwischen 2010 und heute (Stand 4. Oktober 2016) mindestens 23 Mal Treibstoff über dem Bundesgebiet abgelassen. Insgesamt sind für diesen Zeitraum und die Militärfliegerei 219,6 Tonnen Kerosin dokumentiert. Zivile Luftfahrzeuge haben von 2010 bis Anfang Oktober dieses Jahres 121 Mal über Deutschland einen Kraftstoffschnellablass (Fuel Dumping) durchführen müssen. Die ausgestoßene Treibstoffgesamtmenge betrug bei den „Zivilen“ rund 3370 Tonnen. Diese Zahlen gehen aus einer Antwort der Bundesregierung auf eine Kleine Anfrage der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen hervor. Die Detailinformationen lieferte mit Schreiben vom 4. Oktober das Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit.
Beim Kraftstoffschnellablass handele es sich „um ein Notverfahren sowohl für zivile als auch für militärische Luftfahrzeuge, um aus Gründen der Flugsicherheit eine sichere Kontrolle der Landung des Luftfahrzeuges zu ermöglichen“, heißt es in der Vorbemerkung der Bundesregierung. Dies könnten beispielsweise Situationen sein, die eine schnellstmögliche Landung auch dann erforderten, wenn sich noch große Kraftstoffmengen – etwa kurz nach dem Start – an Bord befänden. Die Flugsicherung weise dann dem Piloten ein Gebiet zum Ablassen zu.
Ein Text des Presse- und Informationszentrums der Luftwaffe beschreibt das Notverfahren ein wenig näher: „In manch schwerwiegenden Luftnotlagen ist eine unverzügliche Landung zwingend erforderlich. Ein Ablassen von Flugbenzin im Flug darf in solchen Notfällen erfolgen und dient der schnellen Reduzierung des Gewichts, um das höchstzulässige Landegewicht zu unterschreiten. Nur in diesen Fällen wird dem betroffenen Flugzeug ein Gebiet zum Ablassen des Treibstoffs zugewiesen, wobei aufgrund der einzuhaltenden Mindestflughöhe von 5000 Fuß (etwa 1525 Meter) über Grund ausgeschlossen ist, dass das Kerosin am Boden auftrifft. Es wird in der Luft verwirbelt und verdunstet.“
„Was geschieht mit dem abgelassenen Treibstoff, und wie ist dieser auf der Erdoberfläche wahrnehmbar?“, wollten die Grünen wissen. Die Bundesregierung zog zur Beantwortung dieser Fragen unter anderem den Planfeststellungsbeschluss des Ministeriums für Stadtentwicklung, Wohnen und Verkehr des Landes Brandenburg vom 13. August 2014 für den Ausbau des Verkehrsflughafens Schönefeld heran. Darin wurden diese Fragen bereits thematisiert.
In dem ministeriellen Papier wird erklärt, dass beim Treibstoffschnellablass „das Kerosin mit Hochleistungspumpen in kleinste Tröpfchen verwirbelt und von den Turbulenzen hinter dem Flugzeug zu einem feinen Nebel verteilt wird“. Weiter heißt es: „Bei einer angenommenen Fluggeschwindigkeit von 450 km/h und einer Gesamtablassrate mittels Schnellablassventilen von 1600 Kilogramm pro Minute sowie einer unterstellten Verteilungsbreite von einem Kilometer errechnet sich eine Verdünnung des abgelassenen Treibstoffs auf 0,21 Gramm je Quadratmeter. Der weitaus größte Teil des Nebels sinkt jedoch nicht zu Boden, sondern verdunstet noch in den höheren Luftschichten und verbleibt in der Atmosphäre, bis er durch die Strahlungsenergie der Sonne in Wasser und Kohlendioxid umgewandelt wird. Bei einem Treibstoffschnellablass in der Mindestflughöhe von 1500 Metern, bei Windstille und einer Bodentemperatur von 15° Celsius sind es rechnerisch etwa acht Prozent der insgesamt abgelassenen Treibstoffmenge, die den Erdboden erreicht. Damit lässt sich eine theoretische Bodenbelastung von 0,02 Gramm Kerosin pro Quadratmeter ermitteln.“
Eine weitere Informationsquelle, so die Bundesregierung, stamme vom TÜV Rheinland. Dieser sei nach entsprechenden Untersuchungen zu dem Ergebnis gekommen, dass „bei konservativer Abschätzung eine Summenkonzentration von maximal 0,2 Milligramm pro Kubikmeter in der Luft entsteht und zu einer vernachlässigbaren Kontamination des Bodens“ führe. Auch das im kanadischen Ottawa ansässige National Research Council habe dies in einer Studie so bereits dargelegt.
Die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen verlangte auch Auskunft über die Auswirkungen von abgelassenem Flugzeugtreibstoff bei Auftreffen auf die Umwelt. Die Bundesregierung beruft sich auch hier auf Untersuchungen der technischen Prüforganisation und wiederholt: „[Es kommt] nach Untersuchungen des TÜV Rheinlands zu einer vernachlässigbaren Kontamination des Bodens.“
Auf die Frage, welche Auswirkungen das Ablassen des Treibstoffs „unmittelbar und mittelbar auf die Gesundheit von Menschen“ habe, muss die Bundesregierung passen. Ihr lägen hierüber keine Informationen vor, heißt es lapidar in der Antwort an die Opposition.
Übrigens: Von fast allen militärischen Luftfahrzeugen wird der Flugkraftstoff JP-8 verwendet. Dieser entspricht weitestgehend dem auf Kerosin basierenden zivilen Flugturbinenkraftstoff JET A-1.
Unsere Infografik lässt erahnen, in welchem Umfang im Zeitraum 2010 bis Anfang Oktober 2016 Militärflugzeuge über der Bundesrepublik Kerosin abließen. Nach Informationen der Bundesregierung waren dies insgesamt mindestens 219,6 Tonnen Treibstoff. In Liter umgerechnet entspricht dieses Volumen in etwa der Tankfüllung von 19 Flugfeldtankwagen (FTW) mittlerer Größe der Bundeswehr. Das Hintergrundbild unserer Grafik entstand am 13. September 2012 bei der damaligen Internationalen Luft- und Raumfahrtausstellung ILA in Berlin und zeigt einen Tornado der deutschen Luftwaffe über dem ILA-Gelände während der Übung „Willfire“.
(Foto: Ingo Bicker/PrInfoZ Luftwaffe, Infografik © mediakompakt 10.16)
Kleines Beitragsbild/Symbolbild: Modell eines Bundeswehr-Flugfeldtankwagens der Firma Herpa Miniaturmodelle.
(Bild: Herpa Miniaturmodelle GmbH)