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Bonn/Berlin. Diesmal traf es besonders die Bundeswehr – gleich drei Mal kritisierten die Experten des Bundesrechnungshofes in ihren am 20. April veröffentlichten „Bemerkungen zur Haushalts- und Wirtschaftsführung des Bundes“ heftig das Militär. So rügten die Prüfer, dass in Koblenz eine „entbehrliche, teure und konzeptionslose“ wehrtechnische Studiensammlung betrieben wird. Anstoß nahmen sie auch daran, dass die Bundeswehr ein eigens aufgebautes IT-System beim Einkauf von Waren und Dienstleistungen „nicht konsequent und zudem fehlerhaft“ nutzt. Und bei der Hauptbewaffnung der fünf Korvetten der „Braunschweig“-Klasse (K130), 30 Lenkflugkörper des Typs RBS15 Mk3, soll die Bundeswehr ebenfalls Steuergelder verschwendet haben. Der Bundesrechnungshof wirft den Verantwortlichen vor, bei diesem Rüstungsauftrag „den vollen Kaufpreis von 60 Millionen Euro“ gezahlt zu haben, „ohne die Einsatzfähigkeit der Lenkflugkörper vorher ausreichend zu prüfen“.

Die Wehrtechnische Studiensammlung (WTS) an der Mayener Straße 85-87 in Koblenz-Lützel ist mit 7200 Quadratmetern Ausstellungsfläche eine der großen technisch ausgerichteten Sammlungen in Deutschland. Sie gehört organisatorisch zum Bundesamt für Ausrüstung, Informationstechnik und Nutzung der Bundeswehr (BAAINBw).

„Begehbares Depot“ ohne tragfähiges Konzept für die künftige Nutzung

In der aktuellen „Unterrichtung“ des Deutschen Bundestages durch den Bundesrechnungshof heißt es: „Nach eigener Einschätzung hat die Bundeswehr ihre Wehrtechnische Studiensammlung bislang nicht ordnungsgemäß und nicht zeitgemäß betrieben. Der Betrieb kostet mindestens 3,7 Millionen Euro pro Jahr.“ Der Rechnungsprüfungsausschuss des Haushaltsausschusses des Bundestages habe das Verteidigungsministerium bereits im Jahr 2010 aufgefordert zu entscheiden, ob ein Bedarf für die Studiensammlung bestehe und ob diese weitergeführt werden solle, so der Vorwurf.

Auch heute erwecke die Studiensammlung weiterhin den Eindruck eines „begehbaren Depots“. Da ihr Nutzen insgesamt gering sei, sei sie entbehrlich, urteilt der Bundesrechnungshof abschließend und warnt: „Für die Weiterführung der Sammlung liegt kein tragfähiges Konzept vor. Dennoch will die Bundeswehr sie mit einem Ausstellungsneubau und mehr Personal weiterführen. Dies würde […] 60 Millionen Euro teurer werden, als sie aufzulösen. Das Verteidigungsministerium muss nun entscheiden, ob es die Sammlung zu diesem Preis und ohne klares Nutzenkonzept neu aufbauen will.“

Die Wehrtechnische Studiensammlung in Koblenz verfügt über rund 22.000 Gegenstände aus der Entwicklung von Wehrtechnik, Waffen und Ausrüstung (wie beispielsweise Artillerie, Kampfflugzeuge, Nachtsicht- und Zündertechnik, Munition oder Lenkflugkörper). Ein Teil der Sammlung dient als Ausstellung. Der Bundesrechnungshof moniert: „Für die Ausbildung der Nachwuchskräfte der Bundeswehr wird die Sammlung – anders als angedacht – kaum genutzt. Die Ausbildungseinrichtungen der Bundeswehr halten sie für die Laufbahnausbildung für nicht notwendig.“

Mehr als 4000 Rahmenverträge mit der Jahresangabe „9999“ als Laufzeitende

Hart geht der Bundesrechnungshof auch mit einem IT-System der Bundeswehr für den Einkauf ins Gericht. Dies sei bereits im Jahr 2009 für eine IT-gestützte Beschaffung – von der Bedarfsmeldung über die Bestellung und den Wareneingang bis hin zur Begleichung der Rechnung – beschafft worden. Bis heute gebe es jedoch keinen Plan für die bundesweite Nutzung des Systems. Auch sei die Frage, welche Daten in welcher Qualität zu erfassen sind, nach wie vor ungelöst. Die Bundeswehr sollte umgehend ein erschöpfendes Konzept präsentieren und dessen konsequente Umsetzung sicherstellen, verlangen die Prüfer.

Wörtlich heißt es in der Unterrichtung des Bundesrechnungshofes zu diesem Punkt: „Nach eigenen Schätzungen kann die Bundeswehr durch Einkaufsanalysen mehr als 10 Prozent des Einkaufswertes einsparen. Im Jahr 2013 beschaffte die Bundeswehr Waren und Dienstleistungen für 4,5 Milliarden Euro. Dabei bestellte sie nur 16 Prozent ihrer eingekauften Waren und Dienstleistungen über das IT-System. Wichtige Daten wie Preis, Menge oder Vertragslaufzeit sind gar nicht, fehlerhaft oder redundant im System hinterlegt. Für ein Unternehmen legte die Bundeswehr beispielsweise 16 Datensätze an. Bei mehr als der Hälfte der 8000 erfassten Rahmenverträge ist das Jahr 9999 als Laufzeitende angegeben.“

Lenkflugkörper noch untauglich für den Einsatz gegen Landziele

Ein lautes Medienecho löste besonders das dritte Prüfergebnis für den Bereich der Streitkräfte aus, das der Bundesrechnungshof unter der Überschrift „Hauptbewaffnung der Korvetten mehrere Jahre verspätet und mit hohen Folgekosten einsatzbereit“ zusammenfasste.

In der Presseerklärung der Finanzkontrolleure lesen wir: „Die Bundeswehr kaufte im Jahr 2005 30 Lenkflugkörper (Anm.: RBS15 Mk3) als Hauptbewaffnung ihrer Korvetten. Diese sollten im Jahr 2009 einsatzbereit sein, wurden aber erst drei Jahre später geliefert. Im Jahr 2012 zahlte sie den vollen Kaufpreis von 60 Millionen Euro, ohne die Einsatzfähigkeit der Lenkflugkörper vorher ausreichend zu prüfen. Im Jahr 2013 schlug die Einsatzprüfung fehl, zwei Lenkflugkörper stürzten ins Meer. Die Gründe dafür hatte der Auftragnehmer (Anm.: die beiden Kooperationspartner Diehl BGT Defence und Saab Bofors Dynamics) zu verantworten. Eine Wiederholung der Einsatzprüfung im Jahr 2015 kostete die Bundeswehr mehrere Millionen Euro. Der Kaufvertrag gab der Bundeswehr keine Möglichkeit, den Auftragnehmer an den Kosten der Tests zu beteiligen. Nach den neuen Tests können die Lenkflugkörper nur gegen Ziele auf See, aber nicht gegen Ziele an Land eingesetzt werden.“

Der Bundesrechnungshof hat das Verteidigungsministerium nun aufgefordert dafür zu sorgen, dass die Lenkflugkörper „schnellstmöglich auch für den Einsatz gegen Ziele an Land einsetzbar sind“. Zudem sollte das Ministerium künftig Verträge so gestalten, fordern die Prüfer, dass „Entwicklungsrisiken angemessen berücksichtigt und Folgekosten verursachungsgerecht verteilt“ werden. Wir hatten über das Rüstungsprojekt „RBS15 Mk3“ bereits berichtet.


Unser Bild zeigt den Eingang des Bundesrechnungshofs an der Bonner Adenauerallee.
(Foto: Bundesrechnungshof)


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