Rostock. Ja, der Korvettenflugkörper RBS15 Mk3 – das ist so eine Beschaffungsgeschichte für sich. Im Mai 2013 waren bei der damaligen Einsatzprüfung nach kurzer Flugzeit zwei der Geschosse, ausgerüstet mit Telemetriesonden, in die See gestürzt. Die Industrie hatte sich daraufhin verpflichtet, auf eigene Kosten nachzubessern und Mängel zu beseitigen. Nach einem erneuten Einsatztest im Zeitraum 27. April bis 2. Mai 2015 qualifizierte sich der RBS15 Mk3 schließlich als Hauptwaffe der deutschen Korvetten. Die deutsche Marine bezeichnete den Flugkörper nun am 31. August als „voll einsatzbereit“. Das Nachrichtenmagazin Der Spiegel hatte vier Tage zuvor, am 27. August, das maritime Rüstungsprojekt noch als einen „Schuss ins Wasser“ abgetan.
Am frühen Vormittag des 31. August hat auch die Korvette „Ludwigshafen am Rhein“ ihren Heimathafen Warnemünde verlassen, um sich dem ständigen maritimen NATO-Einsatzverband 1 anzuschließen. Seit gut einer Woche ist nun auch diese Standing NATO Maritime Group (SNMG) eingebunden in die internationale Übung „Northern Coasts 2016“, die in der westlichen Ostsee und in den Ostseezugängen abgehalten wird.
Bei dem Großmanöver „Northern Coasts“, das bereits seit 2007 durchgeführt wird, werden die Soldaten in einem realistischen Übungsszenario mit dem gesamten Spektrum maritimer Operationen bis hin zum Waffeneinsatz konfrontiert. Diesmal soll nach Auskunft des Presse- und Informationszentrums der deutschen Marine auch der Flugkörper RBS15 Mk3, Hauptwaffensystem der „Ludwigshafen am Rhein“, zum Einsatz kommen.
In seinem Spiegel-Beitrag „Schuss ins Wasser“ (Ausgabe Nr. 35 vom 27. August 2016) berichtet Gerald Traufetter: „Weil die Lenkflugkörper für die neuen Korvetten der Marine im Testschießen versagt haben, muss der Staat noch einmal rund 15 Millionen Euro aufbringen.“ Das Verteidigungsministerium habe in einem Bericht an den Bundestag „eingeräumt“, so der Spiegel-Redakteur, dass für die „Rezertifizierung der Waffe eine eigene Testeinrichtung in Laboe eingerichtet werde.
Der Hersteller des Flugkörpers RBS15 Mk3, ein Konsortium des deutschen Rüstungsunternehmens Diehl und des schwedischen Saab-Konzerns, müsse für diese zusätzlichen Kosten nicht aufkommen. Denn das Ministerium habe die Verträge für den Marschflugkörper „schlecht ausgehandelt“, schreibt Traufetter und verweist auf den Bundesrechnungshof, der das Projekt bereits im Frühjahr bemängelt habe (siehe dazu auch unsere früheren Beiträge).
Die neue Zertifizierung müsse erfolgen, weil der Hersteller auf eigene Kosten Veränderungen an dem Geschoss vorgenommen habe, erklärt der Spiegel-Artikel weiter. Die Testeinrichtung dafür werde „bei optimalem Verlauf“ erst in zwei Jahren fertig. Die „bereits um mehrere Jahre verspätete Inbetriebnahme“ der RBS15 Mk3 werde sich deshalb erneut verzögern.
Das Presse- und Informationszentrum Marine tritt dem Bericht des Nachrichtenmagazins entschieden entgegen. In einer Presseerklärung versichert man: „Entgegen der Medienberichterstattung der letzten Tage sind die Flugkörper der Korvetten voll einsatzklar.“ Der Flugkörper sei seit April 2015 für den Einsatz gegen Seeziele und seit Juni 2016 für die Bekämpfung von Landzielen freigegeben, heißt es.
Die Kosten für die Rezertifizierung des Flugkörpers stünden zudem in keinem Zusammenhang mit der noch 2013 gescheiterten Einsatzprüfung der Flugkörper. Die Marine erläutert dazu: „Während die Einsatzprüfung dem Test der Funktionskette an Bord der Korvetten diente, handelt es sich bei der Rezertifizierung um eine regelmäßig durchzuführende Überprüfung der Funktionsfähigkeit sowie den planmäßigen Austausch von einzelnen Komponenten des Flugkörpers selbst.“ Die Prüfung mittels einer Testeinrichtung sei bei radargelenkten Flugkörpern wie dem RBS15 Mk3 alle vier Jahre vorgeschrieben.
In der Erklärung des Rostocker Zentrums wird abschließend auch auf den Aspekt verwiesen, dass die Rezertifizierung mit Hilfe einer bundeswehreigenen Testeinrichtung „viel Geld“ einspare. Die Marine erläutert: „Eine Wirtschaftlichkeitsuntersuchung hatte gezeigt, dass die ursprünglich vorgesehene Wartung der Flugkörper durch die Industrie deutlich mehr Kosten verursachen würde – und das über den gesamten Nutzungszeitraum der Flugkörper. Außerdem strebt die Bundeswehr hinsichtlich der Rezertifizierung eine Kooperation mit anderen Nationen an.“
Richten wir abschließend noch einmal kurz unseren Fokus auf „Northern Coasts 2016“. Neben der SNMG 1 mit der Korvette „Ludwigshafen am Rhein“ beteiligen sich an der multinationalen Übung aus deutscher Sicht auch die Fregatte „Schleswig-Holstein“, das Uboot „U34“, der Seefernaufklärer P-3C Orion und die Minentaucher unserer Marine.
Folgende Nationen sind insgesamt mit Marinekräften bei „Northern Coasts 2016“ vertreten – sei es „solo“ oder im Rahmen der SNMG 1: Belgien, Dänemark, Deutschland, Estland, Großbritannien, Lettland, Litauen, Niederlande, Norwegen, Polen, Portugal, Schweden, Spanien und die USA.
Die 63 Männer und Frauen der „Ludwigshafen am Rhein“ unter Korvettenkapitän Marco Köster werden am 18. November in Warnemünde zurückerwartet. Zuvor stehen auch einige Hafenbesuche auf dem Programm. Während der kommenden drei Monate werden Schiff und Besatzung in Gdynia (Polen), Karlskrona (Schweden), Kopenhagen (Dänemark), Glasgow (Schottland), Belfast (Nordirland), Rotterdam (Niederlande) und Hamburg einlaufen.
Zu den beiden Aufnahmen:
1. Korvette „Ludwigshafen am Rhein“.
(Foto: PrInfoZ Marine)
2. Abschuss eines Flugkörpers RBS15 Mk3.
(Foto: PrInfoZ Marine)