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Ämari (Estland)/Nörvenich. Nach rund viereinhalb Monaten Einsatz beendete die Bundeswehr nun am 7. Januar ihre insgesamt siebte Beteiligung am Air Policing Baltikum der NATO. Turnusgemäß hat die belgische Luftwaffe an diesem Donnerstag die Aufgabe von Deutschland übernommen, die Außengrenze des Bündnisses im hohen Norden und damit den Luftraum über den baltischen Staaten Estland, Lettland und Litauen zu sichern. Der feierliche Wechsel fand auf dem Militärflugplatz Ämari in der Nähe der estnischen Hauptstadt Tallinn statt. Direkt nach Beendigung der Zeremonie wurde der letzte deutsche Eurofighter für die Rückverlegung in die Heimat vorbereitet. Um 15:45 Uhr hob die Maschine schließlich ab, überflog noch einmal die Air Base Ämari und begann den gut 2200 Kilometer langen Flug nach Deutschland – Kurs „Nörvenich“.

Die NATO schützt den Luftraum über den drei baltischen Staaten seit 2004, dem Beitrittsjahr Estlands, Lettlands und Litauens zur Allianz. Die drei kleinen Länder arbeiten zwar heute im radargestützten militärischen Luftraumüberwachungssystem BALTNET (Baltic Air Surveillance Network) eng zusammen, sie besitzen jedoch keine eigenen Militärflugzeuge, um eine Sichtidentifikation durchzuführen oder ihre Lufthoheit entsprechend durchzusetzen.

Die deutsche Luftwaffe beteiligte sich im Zeitraum 27. August 2015 bis 7. Januar 2016 bereits zum siebten Mal an der NATO-Mission „Baltic Air Policing“, zweimal davon von Ämari aus. Deutschland hat auch für 2016 die Teilnahme am Air Policing angezeigt und wird daher bereits im kommenden Herbst wieder nach Estland zurückkehren.

Übergabe des Staffelstabes an belgische und spanische Piloten

Auf der Air Base waren insgesamt 180 Bundeswehrangehörige und fünf Eurofighter-Kampfflugzeuge vom Taktischen Luftwaffengeschwader 31 „Boelcke“ aus dem nordrhein-westfälischen Nörvenich stationiert gewesen. Der Großteil des Kontingents ist mittlerweile wieder in der Heimat eingetroffen. Ein kleiner Rest des ursprünglichen Personals kümmert sich jetzt noch um den Abbau und die Verladung des letzten Militärgeräts und ist noch bis Mitte Januar in Ämari gebunden.

Die Verantwortung für die Sicherung der NATO-Außengrenze im Baltikum teilte sich die deutsche Luftwaffe seit Ende August 2015 mit dem Bündnispartner Ungarn. Die ungarische Luftwaffe war im litauischen Šiauliai mit vier JAS-39 Gripen stationiert. Sie übergab die Missionsaufgaben am 7. Januar an Spanien, das vier Eurofighter zum Baltic Air Policing entsandt hat. Belgien, das jetzt den Staffelstab der Luftraumsicherung über den drei baltischen Staaten von Deutschland übernommen hat, ist in Ämari mit vier F-16 Fighting Falcon vertreten.

Estnischer Verteidigungsminister bedankte sich bei deutschem Kontingent

Der Wachwechsel in Ämari von Deutschland an Belgien fand in Gegenwart hochrangiger Militärs aus den beteiligten Ländern statt, an der Spitze der belgische Air Chief Generalmajor Frederik Vansina und der deutsche Generalleutnant Joachim Wundrak.

Wundrak war in den zurückliegenden Monaten nicht nur als Kommandeur des Zentrums Luftoperationen (Kalkar/Uedem) der nationale Befehlshaber des deutschen Einsatzverbandes gewesen, sondern er trägt auch auf NATO-Seite als Commander des Combined Air Operations Centre (CAOC) in Uedem Verantwortung für die Baltikum-Missionen.

Der estnische Verteidigungsminister Hannes Hanso dankte in seiner Ansprache den deutschen Soldatinnen und Soldaten beim Übergabeappell: „Ihre Arbeit ist ein sichtbares Zeichen der Bündnissolidarität – ich freue mich, dass Sie auch 2016 wieder die Verantwortung im Rahmen des Air Policing übernehmen werden.“

Eurofighter-Kampfflugzeuge erwiesen sich als „äußerst zuverlässig“

Die deutsche Luftwaffe führte im Zeitraum 27. August 2015 bis 7. Januar 2016 von der Air Base Ämari aus insgesamt 328 Einsatzflüge – Schutzflüge, Übungsschutzflüge und Übungsflüge – durch. Dabei wurden mehr als 30 russische Flugzeuge durch internationalen Luftraum begleitet. Etwas mehr als 30 dieser Einsätze erfolgten nach einem „scharfen“ Alarmstart.

Diesmal konnten die deutschen Piloten auch in der Nacht fliegen, da sie erstmals mit Nachtsichtgeräten ausgestattet worden waren.

Während des Air Policing-Einsatzes, der im Sommer mit Tagestemperaturen von rund 20 Grad begonnen hatte und nun Anfang Januar bei teilweise minus 25 Grad endete, erwiesen sich die deutschen Eurofighter nach Angaben der Luftwaffenführung „als äußerst zuverlässig“.

Luftraumüberwachung Baltikum – sichtbares Zeichen der Bündnissolidarität

Wie nun wird es mit dem NATO-Projekt „Baltic Air Policing“ weitergehen? Am 8. Februar 2012 hatte der Nordatlantikrat (North Atlantic Council, NAC), das wichtigste Entscheidungsgremium des Bündnisses, eine unbefristete Verlängerung der Luftraumüberwachung im Baltikum beschlossen. In gewissen Zeitabständen soll dieses Air Policing allerdings einer Prüfung unterzogen werden – erstmals im Jahr 2018.

Im Mai 2012 beim NATO-Gipfel in Chicago waren dann die Mitgliedstaaten des Bündnisses übereingekommen, das Baltic Air Policing als herausragendes Beispiel für die praktische Umsetzung des neuen „Smart Defence“-Konzepts einzustufen. In der damaligen Gipfelerklärung zu den Verteidigungsfähigkeiten („Auf dem Weg zu NATO-Streitkräften 2020“) wird ausdrücklich auf die Verlängerung der Luftraumüberwachungsmission in den baltischen Staaten hingewiesen. In der Erklärung von Chicago heißt es: „Diese Mission und andere Vereinbarungen des Bündnisses zur Luftraumüberwachung in Europa, bei denen die Bündnispartner zum Zwecke der Sicherheit und Rückversicherung zusammenarbeiten, sind sichtbare Zeichen der Bündnissolidarität.“

Jahrelange Debatten um die Beschaffung eigener Militärjets

Lange Zeit hatte es in den baltischen Staaten Estland, Lettland und Litauen heftige Debatten gegeben, ob es nicht sinnvoller sei, eigene Kampfflugzeuge zu beschaffen.

Die Entscheidung der drei kleinen Staaten, die allesamt nur über einen sehr begrenzten Verteidigungsetat verfügen, war schließlich eindeutig. Man wollte lieber weiterhin auf die Unterstützung der NATO-Partner bauen und die knappen Haushaltsmittel in andere Verteidigungsprojekte – beispielsweise den trinationalen Marineverband Ostsee der baltischen Staaten (Baltic Naval Squadron, BALTRON) oder das bereits erwähnte BALTNET – investieren. Der Ankauf von abfangfähigen Militärjets für alle drei Baltikum-Länder hätte nach Schätzungen von Rüstungsexperten mehr als 1,5 Milliarden Euro verschlungen.

Luftraumverletzungen durch russische Maschinen an der Tagesordnung

Für die Inanspruchnahme der Dienste anderer NATO-Luftstreitkräfte zahlten die baltischen Länder bis Ende 2015 jährlich jeweils rund 3,5 Millionen Euro. Im Gespräch ist mittlerweile eine Erhöhung der Zahlungen, die einen Teil der Unkosten der am Air Policing beteiligten Nationen abdecken soll, auf künftig 5 Millionen Euro jährlich pro Baltikum-Staat.

Das Baltic Air Policing scheint eine Daueraufgabe für Deutschland und einige der anderen NATO-Partner, die über eine moderne Luftwaffe verfügen, zu werden. Russische Militärflugzeuge werden auch weiterhin in dieser Region äußerst aktiv sein. Die Westgrenzen der baltischen Staaten berühren die Luftkorridore, die russische Maschinen für die Flüge nach und von der Exklave Kaliningrad nutzen. Luftraumverletzungen sind dabei keine Seltenheit. Dies wird sich auch in Zukunft kaum ändern.


Zu unserer Bildfolge:
1. Deutsch-belgische Übergabezeremonie „Baltic Air Policing“ am 7. Januar 2016 im estnischen Ämari.
(Foto: NATO HQ AIRCOM)

2. Der Hintergrund unserer Infografik zeigt die Startbahn der Ämari-Luftwaffenbasis.
(Foto: Merko Ehitus Eesti, Infografik © mediakompakt 01.16)

3. Abschied von Estland – ein Teil des deutschen Kontingents am 7. Januar 2016 beim Übergabeappell.
(Foto: NATO HQ AIRCOM)

4. Air Policing Baltikum: Deutsche Eurofighter begleiten russische Langstreckenbomber Tupolew Tu-22M, NATO-Codename „Backfire“, durch internationalen Luftraum.
(Foto: PrInfoZ Luftwaffe/Bundeswehr)

5. Estlands Verteidigungsminister Hannes Hanso beim feierlichen Wachwechsel in Ämari am 7. Januar 2016.
(Foto: PrInfoZ Luftwaffe/Bundeswehr)

6. Generalleutnant Riho Terras, Chef der estnischen Streitkräfte, verabschiedete das deutsche Eurofighter-Team am 7. Januar 2016 in die Heimat.
(Foto: NATO HQ AIRCOM)

Kleines Beitragsbild: Deutsche Eurofighter und ungarische JAS-39 Gripen schützten gemeinsam vom 27. August 2015 bis zum 7. Januar 2016 den NATO-Luftraum über den baltischen Staaten Estland, Lettland und Litauen.
(Foto: Peter Snoj/PrInfoZ Luftwaffe/Bundeswehr)


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