Santa Barbara (USA)/Berlin. Welche Rolle hat der Klimawandel bei der jahrelangen Dürre und dem anschließenden Bürgerkrieg in Syrien gespielt? Ist er nur einer unter vielen Faktoren oder ist er gar der maßgebliche Konflikttreiber? Und über Syrien hinaus geblickt: In welchen Regionen liegen Dürre-Hotspots – und welche Entwicklung ist hier für die Zukunft zu erwarten? Wie beurteilt die Naturwissenschaft die potenziellen Folgen des Klimawandels in diesen Regionen und was wissen Konflikt- und Friedensforscher über die Auswirkungen auf die Menschen vor Ort? Diese und weitere Fragen zur Klima- und Klimafolgenforschung will Donnerstag dieser Woche (11. Februar) in Berlin eine kleine Expertenrunde des Deutschen Klima-Konsortiums beantworten. Die Veranstaltung findet statt im Vorfeld der 52. Münchner Sicherheitskonferenz und präsentiert aktuelle Forschungsergebnisse.
Vor fast genau einem Jahr sorgte eine Studie zum Themenkomplex „Syrischer Bürgerkrieg und Klimawandel“ für großes Aufsehen und eine heftige Debatte der Gelehrten, die bis heute anhält. Die Arbeit von Colin P. Kelley, die den Titel „Climate change in the Fertile Crescent and implications of the recent Syrian drought“ trägt und im US-Wissenschaftsmagazin „Proceedings of the National Academy of Sciences“ (PNAS) erstveröffentlicht worden ist, stellt eine mutige These auf.
Kelley und seine Kollegen Shahrzad Mohtadi, Mark A. Cane, Richard Seager und Yochanan Kushnir von der University of California in Santa Barbara behaupten, extreme Klimaveränderungen hätten Dürre in Syrien zur Folge gehabt und damit den Bürgerkrieg mitverursacht.
Die Klimadaten aus Syrien sind in der Tat beunruhigend. So erwärmte sich wissenschaftlichen Untersuchungen zufolge die Region im vergangenen Jahrhundert um gut ein Grad. Mehr und mehr blieben feuchtere Meereswinde aus, Hitze führte zu Wasserverdunstung, der Boden trocknete aus. Wie die Daten belegen, war die Dürre der Jahre 2006 bis 2010 die schlimmste seit Beginn der instrumentellen Klimamessung zu Anfang des 20. Jahrhunderts.
Für die US-Forscher aus Santa Barbara steht fest, dass diese unheilvolle Klimaentwicklung zumindest als „Brandbeschleuniger“ für die konfliktreiche Gemengelage in Syrien gewirkt haben muss.
Kelley und sein Team sind überzeugt davon, dass die Trockenheit maßgeblich zum Syrienkrieg beigetragen hat. Das landwirtschaftliche System sei im Nordosten zusammengebrochen, die Missernten hätten zu einem Strom von Agrarflüchtlingen in die Städte und dort dann zu Konflikten geführt.
Der britische Thronfolger Prinz Charles, der sich seit Langem schon für den Umweltschutz engagiert, sieht dies ähnlich. In einem Exklusivinterview mit dem britischen Nachrichtensender Sky News, das am 23. November 2015 ausgestrahlt wurde, sagte er: „Es gibt sehr gute Hinweise darauf, dass einer der hauptsächlichen Gründe für dieses Grauen in Syrien in der Tat eine Dürre war, die etwa fünf oder sechs Jahre andauerte.“
Auf die Frage von Korrespondentin Rhiannon Mills, ob es denn einen Zusammenhang zwischen Umwelt und Konflikten – womöglich auch Terrorismus – gebe, antwortete der Prinz: „Absolut.“ Und er fügte hinzu: „Erst in den letzten Jahren hat das amerikanische Verteidigungsministerium damit begonnen, dies genauer zu beachten.“
Die direkte Verbindung zwischen einer extremen Dürre in der Region und dem Bürgerkrieg in Syrien ist und bleibt stark umstritten.
Axel Bojanowski, Redakteur in der Wissenschaftsredaktion des Magazins Der Spiegel, hatte im vergangenen Jahr mit etlichen Forschern über die Kelley-Studie gesprochen. In seinem am 7. März 2015 veröffentlichten Onlinebeitrag „Löste Klimawandel den Syrienkrieg aus?“ zitierte er beispielsweise Francesca De Châtel, Syrien-Expertin an der Radboud University im niederländischen Nijmegen. „Die Rolle des Klimawandels ist nicht nur irrelevant, ihre Betonung sogar schädlich“, meint diese. Das Klimaargument erlaube es den Politikern, Schuldige für die Hungersnöte außerhalb des Landes zu suchen.
Thomas Bernauer, Konfliktforscher an der Eidgenössischen Technischen Hochschule (ETH) Zürich, erklärte dem Spiegel-Redakteur: „Ich habe noch keine einzige Studie gesehen, die wissenschaftliche Beweise für einen messbaren Einfluss des Klimawandels auf Konflikte hatte.“
Studien, die Zusammenhänge zwischen Kriegen und Klima hergestellt hatten, seien immer wieder schwer in die Kritik geraten, urteilt Bojanowski schließlich in seinem Beitrag und reiht sich damit gleichsam ein in die Phalanx der Kelley-Gegner (wobei die Frage nach der journalistischen Objektivität bereits früh beantwortet wurde, ließ der Spiegel-Autor doch lediglich einen Befürworter der amerikanischen Studie, dafür aber gleich sechs Widersacher zu Wort kommen).
Zurück zur Berliner Veranstaltung am Donnerstag dieser Woche. Es ist anzunehmen, dass die Arbeit von Kelley, Mohtadi, Cane, Seager und Kushnir „Climate change in the Fertile Crescent and implications of the recent Syrian drought“ ein Schwerpunkt dieses Termins des Deutschen Klima-Konsortiums (DKK) werden dürfte.
Dr. Paul Becker, Vizepräsident des Deutschen Wetterdienstes, und Dr. Christiane Fröhlich, Forscherin am Institut für Friedensforschung und Sicherheitspolitik und Vertretungsprofessorin für internationale Sicherheitspolitik und Konfliktforschung an der Helmut-Schmidt-Universität der Bundeswehr, wollen bei dem Event aus der Reihe „DKK-Klima-Frühstück“ die Rolle des Klimawandels bei Flucht, Migration und Sicherheit aus wissenschaftlicher Sicht behandeln. Vorgestellt werden sollen dabei auch aktuelle Forschungsergebnisse – unter anderem zu Syrien.
Wie zu Beginn bereits erwähnt, findet die DKK-Veranstaltung in engem Zusammenhang mit der 52. Münchner Sicherheitskonferenz (12. bis 14. Februar) statt.
Termin „Klima-Frühstück“: 11. Februar 2016 ab 9 Uhr (bis voraussichtlich 10:30 Uhr). Ort: In der Brasserie „Gendarmenmarkt“ im Wissenschaftsforum, Taubenstraße 30, 10117 Berlin-Mitte. Es wird um Anmeldung bis Mittwoch (10. Februar) um 16 Uhr gebeten – per E-Mail an eva.soederman@klima-konsortium.de oder per Fax (030) 767718699.
Das DKK vertritt führende Akteure der deutschen Klimaforschung und Klimafolgenforschung. Dazu gehören Universitäten, außeruniversitäre Forschungseinrichtungen und Bundesbehörden. Das Konsortium steht für wissenschaftsbasierte Politikberatung, greift aktuelle Klimathemen auf und liefert Hintergründe aus Expertensicht.
Hinweis: Alle Angaben zu dieser Veranstaltung ohne Gewähr.
Unsere Bildcollage zeigt das trockene Flussbett des Khabur in Syrien nahe Tell Halaf im Oktober 2009, dazu Bildmaterial aus der Klimastudie von Colin P. Kelley.
(Foto: Bertramz)