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Berlin/Inçirlik (Türkei). Die Bundesregierung will nach den Terroranschlägen in Bayern keinesfalls ihr Vorgehen gegen den sogenannten „Islamischen Staat“ (IS) ändern und mit zusätzlichen militärischen Maßnahmen reagieren. Auf eine entsprechende Frage bei der Regierungspressekonferenz am gestrigen Mittwoch (27. Juli) in Berlin erklärte Oberst i.G. Boris Nannt, Sprecher des Verteidigungsministeriums: „Wir haben ja ein klares Mandat für die Aufgaben, die wir im Kampf gegen den IS beitragen – die Aufklärungsleistungen und die Betankung der Flugzeuge; das ist unser Beitrag.“ Bisher flog die deutsche Luftwaffe von der türkischen Luftwaffenbasis Inçirlik aus über Syrien und dem Irak 183 Luftbetankungs- und 462 Aufklärungseinsätze.

Auch auf die Frage, warum die Bundeswehr im Rahmen der Anti-IS-Koalition den Gegner „nicht selbst bombardiert“, gab es bei der Pressekonferenz eine klare Antwort.

Martin Schäfer, Sprecher des Auswärtigen Amtes, verwies auf Frank-Walter Steinmeier: „Der Außenminister hat vor einiger Zeit einmal gesagt, dass es bereits genügend Nationen gibt, die sich mit Kampfjets in dieser Weise an der Anti-IS-Koalition beteiligten, und es sich nicht lohne, sich in eine Reihe von mehr als einem Dutzend Staaten zu stellen, die genau diese Aufgabe im Rahmen der Koalition übernehmen.“ Deutschland habe die Aufgaben der Luftbetankung und der Tornado-Aufklärung übernommen, weil dies „nach Einschätzung der Anti-IS-Koalition“ der Beitrag sei, der gebraucht werde und der „richtig und angemessen“ sei, so Schäfer weiter.

Solidarität nach den Pariser Anschlägen vom 13. November 2015

Das Parlament hatte am 4. Dezember 2015 mit großer Mehrheit dafür gestimmt, die Beteiligung der Bundeswehr am Kampf der internationalen Koalition gegen die Terrororganisation „Islamischer Staat“ auszuweiten. Dies geschah in Reaktion auf die Pariser Terroranschläge vom 13. November 2015 und das darauf folgende französische Ersuchen um Unterstützung. 445 Abgeordnete hatten damals für den Einsatz gestimmt, 145 – darunter auch Abgeordnete von SPD und Union – dagegen, sieben hatten sich enthalten.

Neben der Ausbildung und Ausrüstung kurdischer sowie irakischer Sicherheitskräfte beteiligt sich die Bundeswehr nun im Rahmen der „Operation Inherent Resolve“, dem militärischen Vorgehen der Allianz unter Führung der USA gegen den IS im Irak und in Syrien, mit Luftbetankungskapazitäten und sechs Tornado-Aufklärern. Im Zeitraum 6. Dezember 2015 bis 12. März 2016 unterstützte zudem die Fregatte „Augsburg“ gemeinsam mit Schiffen anderer Nationen den französischen Flugzeugträger „Charles de Gaulle“ bei seinem Anti-IS-Einsatz im Persischen Golf.

Einsatzflüge der deutschen Aufklärer zwischen drei und sechs Stunden Dauer

Begonnen hatte die Militäroperation „Counter Daesh“ der Bundeswehr „zur Unterstützung Frankreichs, Iraks und der internationalen Allianz gegen IS“ am 10. Dezember 2015 mit der Landung des Airbus A400M (Kennung „54+01“) auf der Air Base Inçirlik in der Türkei. Damit war das Vorauskommando des Einsatzkontingents unter Brigadegeneral Andreas Schick eingetroffen.

Wenige Tage später, in der Nacht vom 15. auf den 16. Dezember, hatte dann erstmals ein deutscher A310 MRTT Kampfflugzeuge der internationalen Koalition während der Mission betankt (MRTT = Multi Role Transport Tanker). Am Morgen des 17. Dezember waren schließlich zwei deutsche Tornado-Maschinen von Inçirlik aus zu ersten Orientierungsflügen über türkischem Hoheitsgebiet aufgestiegen.

Seit dem 8. Januar 2016 nun liefern die Aufklärer vom Taktischen Luftwaffengeschwader 51 „Immelmann“ aus Kropp/Jagel mit dem Airborne Reconnaissance Pod II (Recce Lite) hochauflösende Ergebnisse aus dem Einsatzgebiet. Die jeweilige Flugdauer der Einsatzflüge variiert zwischen drei bis sechs Stunden.

Luftstreitkräfte mit fast viereinhalb Millionen Liter Treibstoff versorgt

Wie das bundeswehr-journal am 27. Juli vom Einsatzführungskommando erfuhr, hat die deutsche Luftwaffe bis jetzt bei 183 Betankungsflügen 823 Kampfflugzeuge in der Luft mit 3567,9 Tonnen Treibstoff versorgt. Dies entspricht rund 4,4 Millionen Liter. Betankt wurden dabei amerikanische, australische, britische, französische, italienische und eigene Maschinen.

Bislang (Stand ebenfalls 27. Juli) hat unsere Luftwaffe 462 Tornado-Aufklärungsflüge über syrischem und irakischem Gebiet durchgeführt.

Derartige Einsätze werden offenbar alle durch den US-geführten und multinational besetzten Gefechtsstand (Combined Air Operations Centre, CAOC) auf der Al Udeid Air Base in Katar beauftragt. Dies geht aus der Antwort der Bundesregierung vom 7. Juli 2016 auf eine Kleine Anfrage der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen hervor, die mehr über den „Stand der Auseinandersetzung mit der Terrororganisation IS unter Beteiligung der Bundeswehr“ in Erfahrung bringen wollte.

Aufklärungsdaten der Bundeswehr ausschließlich für den Anti-IS-Kampf

Über die Verwendung der zum CAOC übermittelten deutschen Aufklärungsdaten teilt die Bundesregierung in ihrer Antwort mit: „Alle erzielten Aufklärungsergebnisse wurden national ausgewertet, waren mandatskonform, wurden durch den deutschen sog. ,Releasing Officer‘ mit dem Freigabevermerk ,For Counter-DAESH Operations only‘ versehen und daraufhin freigegeben. Die bewerteten deutschen Aufklärungsprodukte wurden anschließend an den sog. ,Red Card Holder‘ im CAOC zur Weitergabe der Daten in den Informationsraum IRKS übermittelt.“

Wie die Bundesregierung versichert, werden „nach ihrer Kenntnis“ die weitergegebenen Tornado-Aufklärungsdaten von den Partnern der Anti-IS-Koalition „ausschließlich zur Unterstützung beziehungsweise Vorbereitung der Bekämpfung des IS“ verwendet. (Anm.: IRKS = Inherent Resolve Kinetic Strike-Gruppe; 21 Nationen, die sich mit unterschiedlichen Fähigkeiten wie Aufklärung, Luftbetankung, Lufttransport und kinetischen Luftoperationen an der internationalen Koalition gegen den IS beteiligen.)

Berliner Zeitung klagt gegen Auswärtiges Amt vor Verwaltungsgericht

Die NATO hat auf ihrem Gipfel in Warschau (8. und 9. Juli) beschlossen, dass künftig die im türkischen Inçirlik stationierten AWACS-Aufklärungsflugzeuge „direkte Unterstützung“ bei der Bekämpfung des IS in Syrien und im Irak leisten sollen. Die Maschinen sollen vom Luftraum über der Türkei und über dem Mittelmeer aus Informationen über die Lage im Konfliktgebiet sammeln und dann an die Koalition weiterleiten. Ein Drittel der AWACS-Besatzungen stellt die Bundeswehr. Der Einsatz könnte im Spätsommer konkret werden.

Um die AWACS-Mission in der Türkei und um den Bundeswehreinsatz gegen den IS insgesamt geht es in einem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht Berlin. Die Bundesregierung muss jetzt die rechtlichen Grundlagen dazu erklären.

Das Berliner Gericht hat das Auswärtige Amt auf eine Klage des Tagesspiegel hin in einem Eilverfahren verpflichtet, über sämtliche internen völker- und verfassungsrechtlichen Prüfungen zu den einsatzrelevanten Fragen vollständig Auskunft zu geben.

Wie der Tagesspiegel am gestrigen Mittwoch berichtete, vertrete das Auswärtige Amt den Standpunkt, dass die Öffentlichkeit ausreichend über die Legitimation der Einsätze informiert worden sei. Weitere Einzelheiten gehörten zum Kernbereich exekutiver Willensbildung und dürften dauerhaft geheim gehalten werden. Politische und juristische Fragen seien hier untrennbar miteinander verschränkt. Außerdem müsse die Bundesrepublik in internationalen Angelegenheiten mit einer Stimme sprechen können, sodass das Bekanntwerden juristischer Zweifel oder von Gegenmeinungen das außenpolitische Gewicht schwächen und den Staatsinteressen Schaden zufügen könne.

Dem Bericht des Tagesspiegel zufolge urteilte das Verwaltungsgericht dagegen, rechtliche Prüfungen könnten von politischen Wertungen abgegrenzt werden. Die juristische Expertise sei „Ausgangspunkt und Grundlage, aber nicht wandlungsfähiger Teil des diskursiven Prozesses der exekutiven Willensbildung“. Der Beschluss sei noch nicht rechtskräftig, das Auswärtige Amt könne Beschwerde beim Oberverwaltungsgericht erheben, schreibt das Berliner Leitmedium.

Unsere Anfrage beim Auswärtigen Amt ergab, das dort „derzeit geprüft“ wird, „ob gegen den Beschluss Beschwerde beim Oberverwaltungsgericht eingelegt wird“.


Zu unseren Aufnahmen:
1. Air Base Inçirlik am 24. Februar 2016 – Nachtflug bei der Bundeswehrmission „Counter Daesh“. Vor dem Start des Tornado-Aufklärers überprüft die Wartungscrew den Druckspeicher für die Öffnung des Kabinendachs und für die Bremsen.
(Foto: Bundeswehr)

2. Tornadopilot mit Nachtsichtbrille vor dem Start in Inçirlik. Das Bild entstand vor dem Nachtflug am 14. April 2016.
(Foto: Oliver Pieper/Bundeswehr)

Kleines Beitragsbild: Beginn eines deutschen Aufklärungseinsatzes von der türkischen Luftwaffenbasis Inçirlik aus.
(Foto: Falk Bärwald/Bundeswehr)


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