Berlin/Bonn/Cagliari (Sardinien, Italien). Seit 1992 haben Sportsoldaten der Bundeswehr bei Olympischen Spielen 44 Prozent der insgesamt 528 Medaillen der deutschen Olympiamannschaften errungen. Nach den Spielen von Rio de Janeiro wird diese Erfolgsstatistik noch ausgebaut. Erfolgreiche Spitzensportler, die bei der Bundeswehr dienen, prägen das positive Bild Deutschlands in der Welt mit. Ein maßgeblicher Grund für das Verteidigungsministerium, mit der neuen Kampagne „Offizieller Ausbilder von Vorbildern“ um Personal zu werben. Dies stößt allerdings auf Unverständnis innerhalb der evangelischen Friedensarbeit. „Um welche Vorbilder geht es hier – werden hier die Risiken des Soldatenberufs nicht verschleiert?“, fragt Renke Brahms, Friedensbeauftragter des Rates der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD).
Brahms, der das damals gerade neu geschaffene Amt des Friedensbeauftragten im Oktober 2008 übernommen hat, gilt als konsequenter Verfechter der Leitlinie „Zivil vor Militär“. So verwundert es nicht, dass der Theologe sich jetzt mit Blick auf Rio auch zur aktuellen Arbeitgeber-Werbekampagne der Bundeswehr äußerte.
Olympische Spiele seien eng mit der Idee des Friedens, der Völkerverständigung und der Gewaltfreiheit verbunden, erklärte Brahms diese Woche in Bonn. Doch die Bundeswehr müsse im Falle eines Einsatzes „die Gewalt gerade mitbedenken und mitplanen“. Das passe mit der aktuellen Werbekampagne der Truppe im Hinblick auf die Spiele in Rio de Janeiro nicht zusammen, so der Theologe.
Mit ihrer Kampagne „Offizieller Ausbilder von Vorbildern“ wollen die deutschen Streitkräfte die Aufmerksamkeit auf die „Erfolgsgeschichte Spitzensportförderung“ lenken. Hier spiegele sich „das Arbeitgeberversprechen der Bundeswehr als sinnstiftender und qualifizierender Persönlichkeitsförderer“ wider, argumentieren die Macher dieser auf Olympia abgestellten Personalwerbung.
Regierungsdirektor Dirk Feldhaus, Beauftragter für die Kommunikation der Arbeitgebermarke „Bundeswehr“, erklärt weiter: „Die Bundeswehr bildet Menschen zu Vorbildern aus, indem sie es ihnen ermöglicht, ihr Bestes zu geben – insofern sind nicht nur die Medaillengewinner Vorbilder, sondern alle 260.000 Angehörigen der Bundeswehr, egal, ob in Uniform oder Zivil.“ Dass fast die Hälfte aller deutschen Olympiamedaillen von Sportsoldatinnen und -soldaten errungen werden, wüssten die wenigsten, bedauert Feldhaus. Diese Spitzenleistungen wolle man bekannter machen und gleichzeitig damit überraschen.
Mit der neuen Kampagne positioniere sich die Bundeswehr noch stärker als attraktiver Arbeitgeber, erläutert Feldhaus. „Die Kampagne soll Menschen ansprechen, die eine einzigartige berufliche Herausforderung suchen, Vorbilder sein wollen und jeden Tag ihr Bestes geben möchten: Genau diese Möglichkeiten bietet die Bundeswehr.“
Der EKD-Friedensbeauftragte kann mit diesen Argumenten nichts anfangen. Gerade nicht zu Zeiten von Olympia. Brahms, der in der Bremischen Evangelischen Kirche beheimatet ist, verwies in Bonn auf die Grundidee von Pierre Baron de Coubertin (1863-1937). Der Franzose, der als Vater der modernen Olympischen Spiele gilt, habe stets den Wettkampf „nicht auf dem Schlachtfeld, sondern im fairen sportlichen Wettbewerb“ austragen wollen. Diese olympische Grundidee vertrage sich schon deshalb nicht mit einer Werbung, die junge Menschen für den Dienst in der Bundeswehr gewinnen wolle.
Brahms forderte: „Wir dürfen nicht vergessen, dass deutsche Soldaten überall in der Welt im Einsatz sind.“ Eine Werbung der Bundeswehr, die die Risiken dieses Berufes nicht erwähne, sei gerade im Zusammenhang mit den Olympischen Spielen fehl am Platze.
Vielleicht hätte sich der Friedensbeauftragte vor seiner Kritik ein wenig mit dem Ratsvorsitzenden der EKD, Landesbischof Heinrich Bedford-Strohm, abstimmen sollen. Bedford-Strohm hatte am vergangenen Samstag (13. August) zusammen mit dem Evangelischen Militärbischof Sigurd Rink im Hafen von Cagliari auf Sardinien das deutsche Marineschiff „Werra“ besucht. Es war der erste Truppenbesuch des Ratsvorsitzenden bei der Bundeswehr überhaupt.
Der Tender „Werra“ ist Teil der militärischen Krisenbewältigungsoperation EU NAVFOR Med – Operation „Sophia“ der Europäischen Union (EU). Aufgaben dieser Marineflotte sind, im Mittelmeer zwischen Italien und der libyschen Küste gegen Menschenschmuggel und später auch gegen Waffenhandel vorzugehen, Menschen aus Seenot zu retten und die libysche Küstenwache und Marine auszubilden. Seit Anfang Mai 2015 konnten nach Angaben der Bundeswehr mehr als 17.500 Menschen von deutschen Marinesoldaten aus Seenot gerettet worden.
Bedford-Strohm dankte den Bundeswehrangehörigen mit Nachdruck für diese Rettungstaten. „Gemeinsam mit anderen zivilen und militärischen Akteuren aus ganz Europa leistet die deutsche Marine in der Region einen wichtigen Beitrag zur Seenotrettung“, sagte er. „Als Kirchen haben wir die EU-Staaten immer wieder dazu aufgerufen, das Sterben im Mittelmeer zu beenden. Menschen in Seenot zu retten ist eine rechtliche und ethische Pflicht. Ganz gleich, in welchem Auftrag zivile oder militärische Schiffe unterwegs sind.“
Indem sich die Marine an der Seenotrettung beteilige, habe sie „den Verteidigungsauftrag ganz neu verstanden“, sagte Bedford-Strohm dem Evangelischen Pressedienst (epd) bei seinem Besuch auf Sardinien. Er halte es auch für richtig, die Netzwerke der Schlepper zu zerschlagen.
Auch Militärbischof Rink würdigte den EU-Einsatz der deutschen Frauen und Männer gebührend. Er sei den Angehörigen der Bundeswehr „für den oft nicht ungefährlichen Einsatz im Mittelmeer dankbar“, so der Geistliche.
Gut, dass es immer wieder junge Menschen gibt, die „Interesse an einer sinnstiftenden und qualifizierenden Aufgabe“ haben und – trotz der Risiken – zur Truppe wollen. Vielleicht auch dank der Bundeswehr-Werbung zur Olympiazeit …
Die beiden Bilder zeigen Szenen aus dem neuen Werbematerial der Bundeswehr-Kampagne „Offizieller Ausbilder von Vorbildern“ – zu sehen ist unter anderem Kunstturner und Sportsoldat Marcel Nguyen.
(Videostandbilder: Video Bundeswehr)