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Osnabrück/Berlin/Washington. Der 17. Oktober 2016 könnte einmal eingehen in die Geschichte als der Tag, der das Ende der Schreckensherrschaft des sogenannten „Islamischen Staates“ (IS) im Irak markiert. Denn in den frühen Morgenstunden dieses Montags starteten irakische Regierungstruppen und ihre Verbündeten eine Offensive zur Befreiung Mossuls, die einen Wendepunkt im Kampf gegen die Dschihadistenmiliz insgesamt bringen könnte. Iraks Ministerpräsident Haidar al-Abadi hatte kurz vor Beginn des Angriffs im Staatsfernsehen davon gesprochen, dass „die Zeit des Sieges gekommen“ sei. Die Terrormiliz hatte die Millionenstadt Mossul im Sommer 2014 erobert und dort ihr „Kalifat“ ausgerufen. Das Bundeskriminalamt spricht jetzt wegen der jüngsten militärischen Niederlagen des IS von einer erhöhten Anschlagsgefahr im Westen. Auch US-Geheimdienste warnen eindringlich.

Nachdem der IS aus Städten wie Ramadi, Falludscha und Tikrit vertrieben werden konnte, ist Mossul die letzte große Stadt im Irak, die noch von der Terrorbewegung kontrolliert wird. An der Offensive auf die Stadt am Tigris sind neben rund 30.000 irakischen Sicherheitskräften auch etwa 4000 Kämpfer kurdischer Peschmerga-Einheiten beteiligt, die von der Bundeswehr ausgerüstet und ausgebildet wurden und werden.

Kampfflugzeuge der Anti-IS-Koalition, an der sich nach Angaben der USA 60 Länder beteiligen, unterstützen den Militäreinsatz.

Flammende Durchhalteparolen und eine Flucht aus Mossul

Abu Bakr al-Baghdadi, Chef des IS, soll nach Berichten internationaler Medien mittlerweile aus Mossul entkommen sein. Zitiert wird in den Beiträgen immer wieder Großbritanniens Außenminister Boris Johnson, der bei einer Sitzung des Unterhauses am gestrigen Donnerstag (3. November) entsprechende Informationen geliefert haben soll. So schreibt beispielsweise die britische Tageszeitung The Guardian, dass Johnson auf „westliche Geheimdienste“ verwiesen habe, denen mittlerweile die Flucht al-Baghdadis bekannt sei.

Die IS-nahe Nachrichtenagentur „Al-Furqan Media“ hatte erst am Vortag, am 2. November, eine Audiobotschaft veröffentlicht, die dem Führer der Dschihadisten zugeschrieben wird (die Agentur kündigte das Tondokument an als: New audio message from The Islamic State’s Shaykh Abū Bakr al-Ḥussaynī al-Qurayshī al-Baghdādī: “This Is What God and His Messenger Had Promised Us”). Die BILD-Zeitung lieferte gestern eine Übersetzung. So lautet der Appell unter anderem: „Zieht euch nicht zurück.“ […] „Mit Ehre standzuhalten ist tausend Mal einfacher als ein Rückzug in Schande.“ […] „Hütet Euch vor jeglicher Schwäche im Angesicht des Feindes.“

Terrororganisation baut auf die nach Europa zurückkehrenden IS-Kämpfer

Das Bundeskriminalamt (BKA) hält es für wahrscheinlich, dass der IS angesichts der herben militärischen Rückschläge wieder verstärkt auf Anschläge im Westen setzen wird. Auf Anfrage der Neuen Osnabrücker Zeitung für die heutige Freitagausgabe teilte das Amt mit: „Der sogenannte ,Islamische Staat‘ dürfte versuchen, sein Ansehen mit medienwirksamen Anschlägen gegen ,westliche Ziele‘ weiter auszubauen.“ Hierzu dürfte die Terrororganisation vor allem auf die nach Europa zurückkehrenden IS-Kämpfer setzen.

Erst am Mittwochabend war in Berlin-Schöneberg ein mutmaßlicher Terrorist festgenommen worden. Der Mann wird verdächtigt, IS-Mitglied zu sein. Nach Angaben aus Sicherheitskreisen gab es Hinweise auf einen möglicherweise baldigen Anschlag. Der 27-Jährige soll von der Terrororganisation in Syrien „die Erlaubnis erhalten haben, zeitnah eine Attacke auf Menschen in Deutschland zu planen“.

Laut BKA sind von den 870 Islamisten, die aus Deutschland nach Syrien und in den Irak ausgereist sind, um dort terroristische Organisationen zu unterstützen, etwa ein Drittel zurückgekehrt. Gegen einige Personen wird ermittelt, zudem beobachtet der Verfassungsschutz viele Rückkehrer. Nach Angaben des BKA stagniert übrigens die Zahl der ausreisewilligen Islamisten. „Diese Entwicklung kann man – neben verbesserten Grenzkontrollen oder weiteren Maßnahmen zur Ausreiseverhinderung – auf die abnehmende Attraktivität des IS aufgrund seiner militärischen Niederlagen und der damit verbundenen Gebietsverluste zurückführen“, zitiert die Neue Osnabrücker Zeitung das Wiesbadener Amt.

Anti-IS-Koalition will jetzt dringend die IS-Hochburg Rakka einnehmen

Das BKA steht mit seiner Terrorwarnung übrigens nicht alleine da. Bereits am 26. Oktober hatte der Kommandeur der Anti-IS-Operation „Inherent Resolve“, der amerikanische Generalleutnant Stephen J. Townsend, auf die große Gefahr eines Gegenschlages des IS im Westen hingewiesen.

Bei einer Telekonferenz zwischen Bagdad und dem Pentagon in Washington sagte Townsend an diesem Mittwoch den anwesenden Medienvertretern: „Der IS plant zusätzliche bedeutsame externe Operationen gegen den Westen.“ Die Planungen würden von Rakka in Syrien aus, der sogenannten „IS-Hauptstadt“, vorangetrieben. Der New Yorker Nachrichtensender Fox News gab die Kernaussage des amerikanischen Drei-Sterne-Generals wie folgt wieder: „Ich kann sagen, dass wir zurzeit nicht sicher wissen, wie bedrohlich die Lage ist. Und das macht uns große Sorgen. Aber wir wissen, dass sie [die IS-Führung] etwas vorbereiten. Es muss sich unseren Erkenntnissen nach um einen externen Anschlag handeln, von dem wir aber nicht den genauen Ort noch das genaue Datum kennen.“ Es sei deshalb von größter Dringlichkeit, nach Mossul auch Rakka einzunehmen, um weitere IS-Bedrohungen gegen westliche Staaten endgültig zu unterbinden.

Einen Tag zuvor, am 25. Oktober, hatte US-Verteidigungsminister Ashton Carter in Paris bei einem Treffen mit Amtskollegen offiziell mitgeteilt, dass die Anti-IS-Koalition nach dem Beginn der Mossul-Offensive nun auch die Befreiung Rakkas von der Terrormiliz vorbereite. „Während wir hier stehen, helfen wir, die lokalen Kräfte aufzubauen, die das tun werden“, so Carter.

An dem Treffen in Paris hatte auch Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen teilgenommen. Insgesamt waren unter französischer und amerikanischer Leitung an diesem Dienstag 13 Verteidigungsminister in der französischen Hauptstadt zusammengekommen, um über das weitere Vorgehen gegen den IS im Irak und in Syrien zu beraten.


Zu unserem Bildmaterial:
1. Vermummte Kämpfer des sogenannten „Islamischen Staates“.
(Videostandbild: Quelle IS)

2. US-Verteidigungsminister Ashton Carter und Generalleutnant Stephen J. Townsend, Kommandeur der Combined Joint Task Force „Operation Inherent Resolve“, bei ihrem Treffen am 23. Oktober 2016 in Erbil, Sitz der Regierung der Autonomen Region Kurdistan im Irak. Carter ließ sich vor seinem Treffen mit den Koalitionspartnern in Paris von Townsend unter anderem über die aktuelle militärische Lage um und in Mossul briefen.
(Foto: Brigitte N. Brantley/DoD)


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