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Berlin. Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen besuchte am gestrigen Donnerstag (2. Juni) die ILA Berlin Air Show in Schönefeld. Die Bundeswehr ist dort auf dem Gelände des ExpoCenter Airport der größte Einzelaussteller. Bei der Stippvisite der Ministerin spielte auch das Thema „A400M“ eine Rolle. Bundesverkehrsminister Alexander Dobrindt sah sich ebenfalls auf dem Messegelände um. „Die deutsche und die europäische Industrie zeigen hier, dass sie Weltklasse sind“, meinte der CSU-Politiker bei seinem Rundgang über das Ausstellungsgelände. Die Luft- und Raumfahrtindustrie sei zudem eine Wachstumsbranche mit hochqualifiziertem Personal, erklärte Dobrindt weiter. Die Politik werde sie deshalb stets in ihrem Bemühen unterstützen, das derzeitige Niveau zu halten und zu steigern.

Ministerin von der Leyen besichtigte zunächst auf dem StaticDisplay verschiedene militärische Hubschrauber und Flugzeuge, danach das Technik-Zelt und den Truck der Nachwuchswerbung der Bundeswehr. Weitere Anlaufpunkte ihres ILA-Rundgangs waren die Messestände von Industrieunternehmen, darunter auch der der Airbus Group.

Um Airbus und den Militärtransporter A400M Atlas ging es auch im anschließenden kurzen Pressestatement von der Leyens, aus dem an diesem Tag alle Nachrichtenagenturen und Leitmedien zitierten. Das Flugzeug hatte zuletzt mit Triebwerksproblemen und Rissen am Rumpf weitere Negativschlagzeilen produziert und damit offenbar die Nerven des Kunden endgültig überstrapaziert. Die Bundeswehr plane zwar weiter mit dem A400M, versicherte die Verteidigungsministerin. Aber die aktuellen technischen Probleme, die der Hersteller zu verantworten habe, seien „natürlich schlechte Nachrichten“. Denn dies bedeute weitere Zeitverzögerungen im Zulauf der Maschinen.

Airbus drohen massive Schadenersatz-Forderungen des Ministeriums

Die CDU-Politikerin machte unmissverständlich klar, dass man jetzt mit dem Auftragnehmer Airbus wegen des enormen Lieferverzugs über einen Kostenausgleich streiten werde. „Es ist gut in diesem Fall, dass wir einen sehr handfesten Vertrag haben, in dem Schadenersatzleistungen ganz klar geregelt sind.“ Der Konzern Airbus sei verpflichtet, so die Ministerin, „jeden Tag, den ein weiterer A400M-Flieger zu spät kommt […], auch tatsächlich Geld zu zahlen. Und wir werden diese Schadenersatzansprüche auch geltend machen.“

Deutschland hat 53 Mehrzweck-Transportflugzeuge A400M bestellt. Der erste A400M wurde am 18. Dezember 2014 an die Bundeswehr übergeben. Mittlerweile hat die deutsche Luftwaffe drei Maschinen erhalten. Das Verteidigungsministerium schätzt die Verzögerungen bei dem Projekt in seinem aktuellen „Bericht zu Rüstungsangelegenheiten“ bis zum Jahr 2019 auf 107 Monate, also nahezu neun Jahre. Die Kostensteigerung beträgt 1,47 Milliarden Euro oder 18 Prozent (diese Abweichung bezieht sich auf eine Stückzahl von 53 gegenüber 60 der zu Programmbeginn geplanten Luftfahrzeuge).

Der Rüstungsbericht, den das Ministerium am 28. April dem Parlament hat zukommen lassen, warnt: „Die Einsatzreife (vertraglich geschuldete Fähigkeiten, Missionsplanung, System zur technischen Betriebsführung) und die Versorgungsreife (Ersatzteilversorgung, Instandsetzungsfähigkeit Triebwerk) des Systems ist noch nicht ausreichend gegeben. Aufgrund der hohen Anzahl der durch den Hersteller zu vertretenden gravierenden Risiken ist der Fähigkeitsaufwuchs A400M auf der Zeitlinie nicht mehr zuverlässig ausplanbar. Dies könnte sich – trotz befristeter Verlängerung des Flugbetriebes C-160 Transall bis 2021 – auf die Fähigkeit taktischer Lufttransport insgesamt und damit auf die diesbezügliche Einsatzbereitschaft negativ auswirken. Zusätzlich bedrohen aktuelle technische Triebwerksprobleme die Verfügbarkeit durch erhöhten Inspektionsaufwand.“

Deutscher Milliardenauftrag für mehr als 40 neue Schwerlast-Hubschrauber

Wie wir in unserem Onlineportal am 19. Mai bereits berichteten, hat Deutschland eine offizielle Anfrage zum Kauf von 41 schweren Transporthubschraubern des Typs Sikorsky CH-53K King Stallion an die US-Regierung gerichtet. Medienberichten zufolge hat sich das Bundeskabinett allerdings wohl noch nicht endgültig für den CH-53K entschieden. In der Endauswahl soll auch noch der CH-47F Chinook von Boeing sein. Beide Unternehmen zeigten natürlich auch bei der diesjährigen ILA deutlich Flagge.

Sikorsky und das U.S. Marine Corps informierten zum Messeauftakt im Pressezentrum über den Stand der Entwicklung des neuen Schwerlasthubschraubers CH-53K King Stallion. Nach dem Erstflug im Oktober vergangenen Jahres befinden sich vier Helicopter in der Flugerprobung, vier weitere in der Endmontage. Die CH-53K verfügt unter anderem über einen Kunststoffrumpf, Rotorblätter der vierten Generation, ein modernes Glas-Cockpit, Fly-by-Wire-Steuerung sowie eine größere Kabine und kann die dreifache Nutzlast des Vorgängermodells transportieren. Die ersten Exemplare sollen 2019 in den Truppeneinsatz gehen, die volle Serienproduktion dann 2024 beginnen. Insgesamt planen die Marines die Beschaffung von 200 Hubschraubern. Und Sikorsky bewirbt sich ja mit der CH-53K auch als Nachfolger für die CH-53G der Bundeswehr. Der Hubschrauberbauer – einer der größten weltweit – ist im Juli vergangenen Jahres übrigens vom amerikanischen Konzern Lockheed Martin für rund neun Milliarden US-Dollar übernommen worden.

Mitbewerber Boeing feiert auf der ILA 2016 sein 100-jähriges Jubiläum. Die Flugzeugfabrik, die der Sohn des deutschen Einwanderers Wilhelm Böing 1816 in den USA gegründet hatte, ist heute der größte Luft- und Raumfahrtkonzern der Welt. Im Fokus der Boeing-Präsenz in Schönefeld stehen Technologien, die von deutschen und europäischen Zulieferern für Flugzeuge des Unternehmens hergestellt werden.

Bei einem Medienbriefing am gestrigen Donnerstag ging es natürlich in erster Linie um den möglichen Milliarden-Deal mit der Bundeswehr. Boeing geht – wir sagten es schon – mit seinem bereits bei zahlreichen Ländern eingeführten Lastenhelikopter CH-47 Chinook ins Rennen um einen Auftrag. Michael Hostetter, Deutschland-Direktor der Hubschraubersparte von Boeing, erläuterte bei der Pressekonferenz die Vorzüge der Maschine, die in einer hohen Stückzahl bei der U.S. Army im Einsatz ist (473 Exemplare sind in der Vergangenheit bereits an das amerikanische Heer ausgeliefert worden, mehr als 300 Chinook sollen noch folgen). Hostetter erinnert daran, dass die CH-47 noch weit bis ins Jahr 2060 hinein fliegen wird. Er verwies mit Blick auf die Bundeswehr auch darauf, dass Boeing so sehr flexibel sei, um jeden Hubschrauber nach Kundenwunsch „maßgeschneidert“ aufzulegen. „Und Boeing hat noch immer jedes Versprechen, das abgegeben wurde, gehalten“, so der Manager.

Umrüstung von 300 Luft-Luft-Lenkflugkörpern Sidewinder auf Lasersuchkopf

Schaun wir zum Schluss dieses Beitrags noch kurz bei der Diehl Gruppe vorbei. Im Diehl-Chalet fand am Donnerstagmorgen das „Pressefrühstück“ des Konzerns statt, das bei der ILA fast schon Tradition ist. Nach der erfolgreichen Integration von vier Business Units hat die Zivilluftfahrtsparte Aerosystems der Diehl Gruppe binnen zehn Jahren ihren Umsatz von 100 Millionen auf eine Milliarde Euro steigern können und generiert damit heute ein Drittel des Konzernumsatzes. Neben dem Hauptkunden Airbus ist man inzwischen auch gut mit anderen Flugzeugherstellern wie Boeing, Bombardier und Embraer im Geschäft und deckt die gesamte Palette der Kabinenausstattung mit Ausnahme der Sitze ab.

Im Defence-Bereich bedrohe die Abschaffung der Komplementärgenehmigungen für den „überlebenswichtigen“ Rüstungsexport die internationale Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Unternehmen, kritisierte Vorstandsmitglied Claus Günther. „Kommen Produkte, deren Ausfuhr genehmigt wurde, zu Wartung oder Reparatur zurück ins Werk, muss man oft wochenlang auf die jetzt notwendige Genehmigung zum Re-Export warten.“

Nach einem leichten Minus im Vorjahr rechnet die Rüstungssparte von Diehl, die nur noch 13,5 Prozent des Konzernumsatzes generiert, für 2016 wieder mit einem Zuwachs durch deutlich höheren Auftragseingang. Zu den aktuellen Highlights gehören unter anderem die Umrüstung von 300 Luft-Luft-Lenkflugkörpern des Typs Sidewinder der deutschen Luftwaffe auf Lasersuchköpfe sowie die Entwicklung eines Rundum-Selbstschutzsystems für den A400M.

Dazu erweitern nun Diehl Defence und das israelische Unternehmen Elbit Systems ihre vor zwei Jahren vereinbarte Zusammenarbeit zur Entwicklung eines DIRCM-Selbstschutzsystems für den Airbus-Transporter (DIRCM: Directed Infrared Counter Measure). Am 1. Juni unterzeichneten die Partner auf der ILA einen Zusatzvertrag, der ihre Kooperation auf Selbstschutzsysteme für Kampfhubschrauber und Militär-Transporthubschrauber ausdehnt. Diehl ist zuvor vom Bundesamt für Ausrüstung, Information und Nutzung der Bundeswehr mit einer Risikominimierungsstudie „DIRCM für A400M“ beauftragt worden, die dieses Jahr abgeschlossen werden soll. Gemeinsam mit Elbit hat Diehl drei Systemeinheiten von J-MUSIC™ des israelischen Herstellers zu einem Gesamtsystem vernetzt und umfassend getestet. Das System stellt den kompletten 360-Grad-Rundumschutz des A400M gegen infrarot-gelenkte Flugkörper sicher.

Elbit hat laserbasierte Selbstschutzsysteme bereits an mehrere Kunden zur Ausrüstung von Flugzeugen geliefert. Die Zusammenarbeit von Diehl mit der israelischen Firma bietet der Bundeswehr die kurzfristige Realisierung von Schutzsystemen nicht nur für den Airbus A400M, sondern auch für den Airbus A330 Multi-Role-Tanker sowie für den Seefernaufklärer Lockheed P-3C Orion. Erweitert wird die Kooperation bei der MUSIC-Familie nunmehr mit dem kompakten Mini-MUSIC, das mit vier IR-Sensoren und einem Hochfrequenzlaser speziell auf den Markt der Kampfhubschrauber und Militär-Transport-Hubschrauber abzielt.


Zu unserer Bildfolge:
1. und 2. Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen am 2. Juni 2016 auf der ILA Berlin Air Show. Begleitet wurde sie bei ihrem Messerundgang unter anderem von Generalleutnant Karl Müllner, dem Inspekteur der deutschen Luftwaffe.
(Fotos: Ralf Günther/Messe Berlin GmbH)

3. Der neue Schwerlast-Helikopter CH-53K von Sikorsky, den möglicherweise auch die Bundeswehr kaufen wird.
(Foto: Sikorsky Aircraft Corporation)

4. Die Grafik zeigt einen Laser-Guided Sidewinder (LaGS) unmittelbar nach dem Abfeuern von einem Eurofighter. Der LaGS ist ein aus der Luft-Luft-Flugkörper-Familie „Sidewinder“ hervorgegangener Luft-Boden-Lenkflugkörper für moderne Trägerplattformen.
(Computergrafik: Diehl)

5. Besucher der diesjährigen Internationalen Luft- und Raumfahrtausstellung in Schönefeld, im Hintergrund Maschinen der Bundeswehr.
(Foto: Messe Berlin GmbH)


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