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Kuala Lumpur (Malaysia)/Rostock-Warnemünde. Wer derzeit im Onlineportal unserer Marine nachsehen will, welche deutschen Einheiten sich gerade am Horn von Afrika aufhalten, erhält folgenden Hinweis: „Die deutsche Marine beteiligt sich zurzeit nicht an der EU-geführten Operation ,Atalanta‘ zur Bekämpfung der Piraterie vor der Küste Somalias.“ Für die zwischenzeitliche Auszeit der Bundeswehr bei „Atalanta“ gibt es zwei Erklärungen. Zum einen erlaubt es die relativ sichere Lage in den dortigen Gewässern, es für eine gewisse Zeit „etwas ruhiger“ angehen zu lassen. Zum anderen muss im Moment die deutsche Marineführung umplanen und kann frühestens erst im August die Korvette „Erfurt“ der Europäischen Union vor Somalias Küsten unterstellen.

Als Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen am 16. Juli das 1. Korvettengeschwader in Rostock-Warnemünde besuchte und an Bord der „Magdeburg“ mit Marineangehörigen über deren Auslandseinsätze sprach, war dabei auch der deutsche Beitrag am Horn von Afrika ein großes Thema.

Von der Leyen bezeichnete die bisherige Beteiligung Deutschlands an der European Union Naval Force Somalia (EU NAVFOR Somalia) – Operation „Atalanta“ als großen Erfolg. Dieser sei dadurch sichtbar, dass durch die Prävention deutlich weniger Versuche der Piraterie registriert werden. Es sei aber auch klar, dass „Atalanta“ weiter notwendig sei, um einen Rückfall in die Piraterie zu verhindern, so die Ministerin.

Verstärkter Einsatz privater Sicherheitskräfte zahlt sich aus

Ähnlich der Tenor des aktuellen Reports des Internationalen Schifffahrtsbüros (International Maritime Bureau, IMB) der in London ansässigen Internationalen Handelskammer (International Chamber of Commerce, ICC).

Das IMB, eine spezialisierte Abteilung der ICC für Kriminalität auf See, unterhält seit 1992 ein rund um die Uhr besetztes Meldezentrum für Piraterie in der malaysischen Hauptstadt Kuala Lumpur. Der am Mittwoch dieser Woche (22. Juli) veröffentlichte IMB-Halbjahresbericht verzeichnet für den Zeitraum 1. Januar bis 30. Juni 2015 keinerlei Attacken somalischer Piraten. Weder im Roten Meer, noch im Golf von Aden, im Arabischen Meer, vor Somalia oder in den Weiten des Indischen Ozeans. Dies sei vor allem den in der Region eingesetzten Kriegsschiffen zu verdanken, dem verstärkten Einsatz von privaten Sicherheitskräften an Bord der passierenden Handelsschiffe und einer somalischen Zentralregierung, die zu einer positiven staatlichen Gesamtentwicklung entscheidend beigetragen habe, heißt es in dem Report.

Seit mehr als drei Jahren in der Hand somalischer Erpresser

Gleichwohl weist das IMB in seinem neuen Bericht darauf hin, dass für die somalische Piraterie keine dauerhafte Entwarnung gegeben werden könne. Die Situation am Horn von Afrika bleibe unsicher. Das IMB empfiehlt Schiffsführern weiterhin, äußerst vorsichtig zu sein, wenn sie diese Gewässer passieren. Somalische Piraten – ausgerüstet mit automatischen Waffen, Panzerfäusten und Schnellbooten – hätten auch weiterhin die Fähigkeiten und Kapazitäten, Überfälle durchzuführen. Das IMB befürchtet: „Wir glauben, dass auch nur ein einziger erfolgreicher Angriff auf ein Handelsschiff die Leidenschaft der somalischen Piraten für derartige Angriffe sofort neu entfachen würde.“

Zum Stichtag 30. Juni 2015 befinden sich immer noch 26 Seeleute in der Hand somalischer Krimineller. Die Crew des unter omanischer Flagge fahrenden Fischtrawlers „FV Naham 3“ war am 26. März 2012 gekapert worden. Die Geiselnehmer beharren nach wie vor auf Lösegeldzahlungen.

Neue Gefahrenbereiche vor der indonesischen Küste und vor Nigeria

Der Bericht dokumentiert außerdem, dass in den ersten sechs Monaten dieses Jahres weltweit 134 Piratenangriffe beim IMB Piracy Reporting Centre in Kuala Lumpur gemeldet wurden. Dies stellt einen Anstieg um rund 15 Prozent dar, im Vergleichszeitraum des Vorjahres waren lediglich 116 Meldungen eingegangen.

Piraten gelang es im ersten Halbjahr 2015, weltweit insgesamt 106 Schiffe zu entern und darüber hinaus 13 Schiffe zu entführen. 15 Angriffe konnten abgewehrt werden. Bei den Attacken wurden rund 250 Besatzungsmitglieder als Geiseln genommen, neun wurden verletzt, ein Seemann wurde getötet.

Den aktuellen IMB-Statistiken zufolge fand mehr als ein Drittel der gemeldeten Vorfälle vor der indonesischen Küste statt. Dabei handelte es sich aber in der Mehrheit um kleinere Delikte. Einen deutlichen Anstieg der Anzahl an Angriffen dokumentiert das IMB vor Bangladesch – insbesondere Chittagong – mit zehn Vorfällen im zweiten Quartal des Jahres 2015.

Vor Nigeria wurden in der ersten Jahreshälfte 2015 elf Piratenangriffe gemeldet, jedoch keiner im Monat Juni. Bei drei Vorfällen kam es allerdings zur Entführung von insgesamt zehn Besatzungsmitgliedern in und um nigerianische Gewässer.

Fregatte „Bayern“ nach rund 160 Einsatztagen sicher zurück

Von der Pirateriestatistik des Internationalen Schifffahrtsbüros zur Einsatzplanung der deutschen Marine. Am 3. Juli kehrte die Fregatte „Bayern“ unter Kommandant Frank Fähnrich vom „Atalanta“-Einsatz wieder zurück in ihren Heimatstützpunkt Wilhelmshaven. Das Schiff hatte im Zeitraum 8. Februar bis 17. Juni an der EU-Mission am Horn von Afrika teilgenommen. Alles in allem hat die „Bayern“ in 159 Tagen gut 36.000 Seemeilen zurückgelegt, dies entspricht etwa 1,5 Erdumrundungen.

Der Bundestag hatte erstmals am 19. Dezember 2008 einer Beteiligung der Bundeswehr an EU NAVFOR Somalia – Operation „Atalanta“ zugestimmt. Letztmalig wurde das Mandat vom Parlament am 21. Mai dieses Jahres (bis zum 31. Mai 2016) verlängert. Bis zu 950 deutsche Soldaten können zu diesem Auslandseinsatz abkommandiert werden.

Derzeit unterstehen dem Hauptquartier der EU-Operation im englischen Northwood lediglich zwei Schiffe: das spanische Landungsschiff „Galicia“ und die italienische Fregatte „Libeccio“. Die „Galicia“ ist das Flaggschiff des Verbandes, von dem aus Konteradmiral Alfonso Gómez Fernández de Córdoba den europäischen Verband befehligt. Der Spanier ist seit dem Mai dieses Jahres Force Commander.

Einsatz am Horn von Afrika beginnt für Korvette „Erfurt“ im August

In der Nacht vom 1. auf den 2. Juli hat die deutsche Marine nach drei Monaten Einsatz vorübergehend auch ihren Seefernaufklärer P-3C Orion wieder in die Heimat zurückbeordert. Das Flugzeug landete am 3. Juli in Nordholz. Ende August, wenn im Einsatzgebiet die Zeit des Monsuns beendet sein wird, soll wieder ein deutsches Aufklärungsflugzeug in der Haupt- und Hafenstadt Dschibuti am Golf von Aden eintreffen. Nach Ende des Monsuns werden sich die Wetter- und damit auch Seegangsbedingungen verbessern und es so den Piraten erleichtern, mit ihren Motorbooten in See zu stechen.

Als Nachfolger der Fregatte „Bayern“ war zunächst die Fregatte „Schleswig-Holstein“ vorgesehen. Diese wurde dann aber ab Anfang Juni zusammen mit dem Tender „Werra“ bei der Seenotrettung Mittelmeer eingesetzt und am 30. Juni dem neuen EU-Einsatz EU NAVFOR Med unterstellt. Ab August soll deshalb nun die Korvette „Erfurt“ den „Atalanta“-Verband am Horn von Afrika verstärken.

Die „Erfurt“ wird dazu aus dem UNIFIL-Einsatz vor der libanesischen Küste herausgelöst. Ihren Platz wird dann das Schnellboot „Hyäne“ einnehmen, das am 13. Juli aus Warnemünde zu diesem Auslandseinsatz unter Kapitänleutnant Martin Pauker ausgelaufen ist. Die 41 Frauen und Männer an Bord der „Hyäne“ werden im November 2015 in ihrem Heimathafen zurück erwartet. Ursprünglich sollten die mehr als 30 Jahre alten Schnellboote gar nicht mehr zu Auslandsmissionen auslaufen; diese Aufgaben sollten vollständig die Korvetten übernehmen. Doch das Flüchtlingsdrama im Mittelmeer zwang die Bundeswehr dazu, diese Entscheidung zu revidieren und eine „Schiffsrotation“ einzuleiten.


Zu unserer Bildsequenz:
1. Fregatte „Schleswig-Holstein“ im „Atalanta“-Einsatz im August 2010. Im Hintergrund fährt die „MV Victoria“, ein Schiff des Welternährungsprogramms mit einer Ladung für die Not leidende somalische Bevölkerung.
(Foto: EU NAVFOR Media and Public Information Office)

2. Kurz vor dem Start – das „fliegende Auge“ P-3C Orion, der Seefernaufklärer der deutschen Marine. Die Aufnahme entstand am 2. April 2010 in Dschibuti.
(Foto: PrInfoZ EinsatzFüKdo/Bundeswehr)

3. Der von somalischen Piraten im März 2012 gekaperte Fischtrawler „FV Naham 3“. 26 Seeleute des unter der Flagge von Oman fahrenden Schiffes sind bis heute in der Hand von Kriminellen, die Lösegeldforderungen gestellt haben.
(Foto: Oceans Beyond Piracy)

4. Das Schnellboot „Hyäne“ ist 13. Juli 2015 aus seinem Heimatstützpunkt Rostock-Warnemünde zum UNIFIL-Einsatz vor dem Libanon ausgelaufen. Dort wird das Boot die Korvette „Erfurt“ ablösen, die dann Kurs auf das Horn von Afrika nehmen wird. Die „Erfurt“ soll sich ab August am „Atalanta“-Einsatz der EU beteiligen.
(Foto: PrInfoZ Marine/Bundeswehr)

Kleines Beitragsbild: die belgische Fregatte „Louise-Marie“ im Dezember 2012 in der Nähe eines Motorbootes, dessen Insassen der Piraterie verdächtigt wurden.
(Foto: EU NAVFOR Media and Public Information Office)


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