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Berlin. Es waren zwar nur wenige Sätze, mit denen Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble am 1. März auf eine Frage der Bild am Sonntag antwortete. Die aber sorgten für Aufsehen. Die Redakteure der Sonntagszeitung hatten ihn im Rahmen eines ausführlichen Interviews auch zum Verteidigungsetat befragt und daran erinnert, dass die NATO und auch Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen angesichts der Ukrainekrise und des Kampfes gegen die Terrorgruppierung „Islamischer Staat“ (IS) mehr Geld für die Bundeswehr anmahnen. Darauf Schäuble: „Natürlich werden wir angesichts der Krisen und Instabilitäten in der Welt in den nächsten Jahren höhere Leistungen für Verteidigung schultern müssen. […] Kurzfristig, also für das kommende Jahr, können Sie mit einem höheren Verteidigungsetat allerdings wenig ausrichten, weil die Industrie so schnell gar nicht große Rüstungsprojekte liefern kann.“ Für 2016 kündigte der Finanzminister auch eine „moderate“ Ausgabensteigerung für Entwicklungshilfe und innere Sicherheit an.

Martin Jäger, seit dem 1. Oktober vergangenen Jahres Sprecher des Bundesfinanzministers, erklärte am 2. März gegenüber der Presse, dass Schäubles Überlegungen frühestens für den Haushalt 2017 gelten können. Zurzeit stellt das Ministerium die Eckpunkte des Haushalts 2016 für die einzelnen Regierungsressorts auf.

Eine bessere Finanzausstattung der Bundeswehr würde einer Umfrage des Berliner Instituts infratest dimap zufolge gut die Hälfte der Bundesbürger begrüßen. Demgegenüber lehnen vier von zehn Wahlberechtigten eine Aufstockung des Wehretats ab.

Anhänger der Linken und Grünen sehen Erhöhung des Wehrbudgets kritisch

Bei der Erhebung „ARD-DeutschlandTREND März 2015“ im Auftrag der ARDTagesthemen und der Tageszeitung Die Welt lautete die entsprechende Frage: „Aktuell wird über die finanzielle Ausstattung der Bundeswehr diskutiert. Was denken Sie: Sollte Deutschland mehr Geld für Verteidigung ausgeben oder nicht?“

Die Pläne, mehr Geld für Verteidigung auszugeben, findet vor allem die Unterstützung der Anhänger von AfD und Union. Auch von SPD-Wählern werden Schäubles Pläne mehrheitlich unterstützt. Die Anhänger der Linken und der Grünen sehen eine Erhöhung des Verteidigungshaushaltes kritisch.

Einsatzbereitschaft der Truppe nicht durch Mangelverwaltung gefährden

Hören wir auch auf die Reaktionen aus den Reihen der Politik. Der CDU-Bundestagsabgeordnete Henning Otte etwa sagte: „Wir begrüßen die Ankündigung von Finanzminister Wolfgang Schäuble, den Verteidigungshaushalt angesichts der aktuellen sicherheitspolitischen Lage erhöhen zu wollen.“ Denn die Einsatzbereitschaft der Bundeswehr dürfe nicht durch Materialengpässe oder Mangelverwaltung gefährdet werden, so der verteidigungspolitische Sprecher der CDU/CSU-Bundestagsfraktion. Ziel müsse eine Bundeswehr sein, die über angemessene, durchgehend solide finanzierte militärische Fähigkeiten verfüge, die sie in Einsätzen auch durchhalten könne. Zudem müsse die Truppe mit modernster Ausrüstung ausgestattet sein, auf die sie jederzeit voll zurückgreifen könne. „Daher müssen wir die Bundeswehr finanziell so ausstatten, dass die Truppen einsatzbereit sind und ihre Ausrüstung auf einem hohen Niveau ist – dies sollte sich in einer kontinuierlichen und signifikanten Erhöhung des Wehretats spiegeln“, erklärte Otte.

Der Vorsitzende des Verteidigungsausschusses des Bundestages und künftige Wehrbeauftragte, Hans-Peter Bartels, äußerte sich gegenüber Spiegel online. Der SPD-Politiker vertritt die Meinung, dass eine Erhöhung des Wehretats im Jahr 2017 „nötig und vernünftig“ sei. Es gehe nicht um eine Aufrüstung der Bundeswehr, sondern darum, bei der Zusammenarbeit innerhalb der Allianz „effektiver“ zu werden, dafür müsse man „Geld in die Hand nehmen“.

Sozialdemokraten wollen wissen, wohin „die Reise der Bundeswehr gehen soll“

Von den Sozialdemokraten konnte man nach den Äußerungen von Bundesfinanzminister Schäuble aber auch andere Meinungen hören. So forderte beispielsweise Thorsten Schäfer-Gümbel, einer der sechs Stellvertreter des SPD-Bundesvorsitzenden, dass Verteidigungsministerin von der Leyen zunächst erst einmal ein Konzept vorlegen solle, aus dem die Richtung „der Reise“ hervorgehe.

Ralf Stegner, ein anderer Stellvertretender Bundesvorsitzender der SPD, bezeichnete es gegenüber der Rheinischen Post als „falsche Priorität“, wenn Finanzminister Schäuble die von ihm so gepriesene Schwarze Null nun für Aufrüstung aufgeben wolle. Man brauche in Deutschland und in Europa „vor allem mehr Mittel für Bildung und Infrastruktur“.

Der Verteidigungsexperte der Sozialdemokraten im Bundestag, Rainer Arnold, machte in einem Gespräch mit dem Kölner Stadt-Anzeiger schließlich noch auf einen besonderen Aspekt aufmerksam: „Der Finanzminister muss das Geld wieder herausgeben, das die Bundeswehr in den vergangenen Jahren eingeplant, aber nicht ausgegeben hat, weil die Industrie nicht rechtzeitig liefern konnte.“ Allein im Jahr 2013 seien dies rund 1,3 Milliarden Euro gewesen, rechnete Arnold vor.

„Abrüstung, nicht Aufrüstung, ist das Gebot der Stunde“

Die Linkspartei lehnt die mögliche Erhöhung des Wehretats komplett ab. In einem Pressestatement von Christine Buchholz, verteidigungspolitische Sprecherin der Fraktion Die Linke, heißt es: „Die Erhöhung des Verteidigungshaushaltes ist die falsche Antwort auf die aktuellen Krisen der Welt und geht zulasten des Steuerzahlers.“ Und weiter: „Die von Schäuble in Aussicht gestellte Erhöhung des Verteidigungshaushaltes ist die Folge einer Politik, die auf mehr Auslandseinsätze setzt. Die Bundeswehr soll in Zukunft eine größere Rolle in asymmetrischen Kriegen und in der Konfrontation mit Russland spielen. Das ist nicht nur brandgefährlich, sondern auch noch teuer. Abrüstung, nicht Aufrüstung, ist das Gebot der Stunde.“

Omid Nouripour, Sprecher für Außenpolitik der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen im Bundestag, unterhielt sich ebenfalls mit dem Kölner Stadt-Anzeiger über die Schäuble-Ankündigung zum Wehretat. Er rügte, dass nun Auswärtiges Amt, Verteidigungs- und Entwicklungsministerium in getrennten Prozessen ihre Politik überdächten. Es sei Aufgabe von Bundeskanzlerin Merkel, die Erarbeitung einer neuen Außen- und Sicherheitspolitik im Kanzleramt zusammenzuführen. Erst danach könne man über Geld reden.

Keine Vormachtstellung Deutschlands im Kreise der internationalen Partner

Der CDU-Bundestagsabgeordnete Wilfried Lorenz, Mitglied im Verteidigungsausschuss und dort Berichterstatter für den Bereich „Materialerhaltung“, ist erfreut über das Zugeständnis des Bundesfinanzministers. „Wir benötigen einen höheren Verteidigungshaushalt so schnell wie möglich – am besten noch in 2016. Andernfalls ist beispielsweise die geplante Verstärkung der Panzertruppe so nicht finanzierbar“, meint der Politiker in seinem aktuellen Newsletter „Bericht aus Berlin und Hannover“.

Aus vielerlei Gründen sei das Budget des Verteidigungsministeriums lange Zeit ein Tabuthema gewesen, so der Oberstleutnant a.D., der 32 Jahre lang bei der Bundeswehr gedient hat, weiter. Die Gründe dafür hätten Kanzlerin Merkel und Verteidigungsministerin von der Leyen ja auf der diesjährigen Münchner Sicherheitskonferenz erläutert. Lorenz fordert: „Unsere Geschichte verpflichtet uns dazu, unsere Schritte besonders gründlich abzuwägen und deutlich zu zeigen, dass wir unter unseren internationalen Partnern keine Vormachtstellung anstreben. Wenn wir jedoch unsere Verpflichtungen mit und ihnen gegenüber im Rahmen kollektiver Verteidigung erfüllen wollen, muss sich Deutschland konzeptionell, personell, materiell und eben auch finanziell neu aufstellen.“

Oft eine nur auf das militärische Großgerät verengte Etatdebatte

Lorenz äußert sich in seinem Newsletter-Beitrag auch dazu, dass Schäuble nicht nur eine Erhöhung des Wehretats, sondern auch zusätzliche finanzielle Mittel für die innere Sicherheit und die Entwicklungshilfe thematisiert hatte. Er erklärt: „Dies zeigt, dass Erhalt und Anschaffung militärischen Materials immer im Gesamtzusammenhang zu sehen sind. So ist Entwicklung in vielen Teilen der Welt nicht möglich, wenn sie nicht durch Streitkräfte abgesichert wird. Die Bundeswehr beteiligt sich zudem an Einsätzen zur Bekämpfung des internationalen Terrorismus. Sicherheit ist mithin ein Gebot der Stunde. Das muss sich auch in der Handhabung und weiteren Planung des Verteidigungshaushaltes widerspiegeln.“

Der CDU-Bundestagsabgeordnete kritisiert darüber hinaus, dass viele Forderungen nach Erhöhung des Verteidigungsbudgets zu allgemein gehalten seien. „Pauschalsummen bringen uns nicht weiter. Vielmehr muss man differenzieren und sich zuerst einen Überblick verschaffen, wofür im Einzelplan 14 – Verteidigung – finanzielle Mittel zur Verfügung gestellt werden. Da geht es nicht nur um die Beschaffung von Waffensystemen und Materialerhaltung, sondern unter anderem um Personal, Ausgaben für soziale Versorgung, Absicherung und Fürsorgemaßnahmen für Soldatinnen und Soldaten, Unterbringung und Baumaßnahmen in Deutschland, Zivilangestellte, Entwicklung, Erprobung, Forschung und Lehre, Logistik im In- und Ausland, Kosten für internationale Einsätze sowie für das deutsche Engagement im Rahmen der NATO im Bereich Überwachung und Frühwarnsysteme.“ Die Bundeswehr müsse ein breites Aufgabenspektrum bedienen, welches in der aktuellen Debatte über die Etaterhöhung leider „in unzulässiger Weise“ auf den Kauf militärischen Großgeräts eingeengt werde, beklagt Lorenz.

„Kameralistische Haushaltsführung nach altem Muster“ muss ein Ende haben

Auf dieser Grundlage gelte es nun, so Lorenz, zügig Prioritäten festzulegen und – je nach Bedarf, Projekt oder strategischer Zuspitzung der internationalen Lage – gezielte Erhöhungen ins Werk zu setzen. Notfalls kurzfristig auch durch Flexibilisierung der Haushaltsführung. Dies müsse vor allem dort in Angriff genommen werden, wo ein inhaltlicher Zusammenhang bestehe, insbesondere bei Materialbeschaffung und Materialerhalt.

Der Verteidigungsexperte der Union schließt sein Plädoyer für einen höheren Verteidigungshaushalt mit dem eindringlichen Rat: „Moderne Infrastruktur wie bewohnbare, mit IT-Anbindung ausgestattete Unterkünfte und militärische Ausrüstung wie Schutzvorrichtungen für den Infanteristen der Zukunft, mobile OP-Zentren für den Sanitätsdienst oder Hightech-Großwaffensysteme für Heer, Luftwaffe und Marine sind nicht nur in der Anschaffung, sondern auch im Erhalt teuer. Kameralistische Haushaltsführung nach altem Muster können wir weder Soldatinnen und Soldaten noch unseren Verbündeten weiter zumuten.“


Text-Hinweis: Wir bedanken uns an dieser Stelle bei dem Unternehmen infratest dimap für die Erlaubnis, Inhalte zum Thema „Erhöhung des Wehretats“ aus der Umfrage „ARD-DeutschlandTREND März 2015“ nutzen zu dürfen.


Zu unserem Bildangebot:
1. Jeder zweite Bürger spricht sich einer Umfrage von infratest dimap zufolge für eine Erhöhung des Wehretats aus. Die Umfrage für den „ARD-DeutschlandTREND März 2015“ im Auftrag der ARD-Tagesthemen und der Tageszeitung Die Welt fand im Erhebungszeitraum 2. bis 3. März 2015 statt. Das Hintergrundbild unserer Infografik zeigt Schützenpanzer Marder des Panzergrenadierbataillons 112. Das Bataillon hatte an der Gefechtsübung „Grantiger Löwe 2015“ der Panzerbrigade 12 „Oberpfalz“ auf dem NATO-Truppenübungsplatz Bergen-Hohne teilgenommen. Die Aufnahme entstand am 3. Februar 2015 – in Kolonne kehren die Marder nach dem Gefechtsschießen ins Truppenlager Hörsten zurück.
(Foto: Carsten Vennemann/Bundeswehr)

2. Die zweite Infografik zeigt die Entwicklung des Verteidigungsetats in Deutschland seit dem Jahr 2000. Das Datenmaterial stammt vom Bundesministerium der Finanzen. Das Hintergrundbild entstand am 2. Mai 2006. An diesem Dienstag feierte das deutsche Heer in Munster sein 50-jähriges Bestehen. Andrea Bienert fotografierte in Munster auch diese „Infanteristen der Zukunft“ (IdZ), die neben einem Gesamtsystemdemonstrator Schützenpanzer Puma vorrückten.
(Foto: Andrea Bienert/Bundeswehr)

Kleines Beitragsbild: Soldaten des Wachbataillons am 29. Januar 2013 während eines Appells der Streitkräftebasis in Bonn.
(Foto: Alexander Linden/Bundeswehr)


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